Vorentschieden, wie die russischen Präsidentschaftswahlen wirken, verläuft der Wahlkampf, von ein paar Skandälchen im Staatsfernsehen abgesehen, eher farb- und bedeutungslos. Wie etwa zuletzt, als die liberale Kandidatin und Fernsehstar Xenia Sobtschak dem Rechtsaußen-Kandidaten Wladimir Schirinowski bei einer Fernsehdebatte ein Glas Wasser ins Gesicht schüttete, nachdem der sie beleidigt hatte. Insgesamt treten sieben Kandidaten gegen Putin an. Der wichtigste Oppositionelle des Landes, Alexej Nawalny, ist hingegen nicht zu den Wahlen zugelassen. Nach einer umstrittenen Verurteilung hat die Zentrale Wahlkommission einstimmig seine Kandidatur abgewiesen. Nawalny ruft seine Anhänger zum Wahlboykott auf. Über alledem schwebt ein staatsmännischer Putin, der sich erst gar nicht zu den Niederungen eines Wahlkampfs herablässt und sich in inszenierten Shows in Fußballstadien als Garant für ein „starkes Russland“ feiern lässt.
Viele junge Menschen in den großen Städten sind eher Putin-kritisch. Wir haben uns ein bisschen umgehört, wie sie zu wählen gedenken und was sie sich von den Wahlen erhoffen.
Daniil (22), Schauspieler aus Sergijew Possad – wollte seinen Namen lieber nicht sagen
Ich werde nicht zu den Wahlen gehen. Es ist doch ohnehin schon klar, wer gewinnen wird. Deswegen fände ich es eigentlich gut, wenn niemand hinginge, um die Wahlbeteiligung zu drücken.
Meine Großmutter unterstützt den Oppositionellen Alexej Nawalny. Sie ist sehr aktiv und hat mich eigentlich erst auf ihn gebracht. Jetzt unterstütze ich ihn auch. Ich bin zwar nicht mit allem einverstanden, was er vorschlägt, aber ich bin gegen die herrschende Macht. Sie übt starken Druck auf unsere Freiheitsrechte aus. Zuletzt sind ja sogar Oppositionelle ermordet worden, immer wieder werden Kritiker eingesperrt. Ich bin oft in Westeuropa, und bei euch achtet man die Polizei doch. Aber bei uns? Hier ist sie doch hauptsächlich dazu da, um Andersdenkende einzuschüchtern.
Es ist zum Heulen: Gerade die Menschen, die außerhalb von Moskau leben, unterstützen Putin, obwohl sie selbst in einer derartigen Armut leben. Sie halten ihn wirklich für einen guten Präsidenten, wobei doch sie diejenigen sind, die am meisten unter seiner Politik zu leiden haben.
Darja Winogradskaja (19), Literaturstudentin aus Moskau
Ich werde wohl nicht zu den Präsidentschaftswahlen gehen. Ich vertrete keine bestimmte politische Position, und keiner der Kandidaten, die zur Wahl stehen, sagt mir besonders zu. Aber meine Eltern drängen mich dazu, zumindest für irgendjemanden meine Stimme abzugeben. Vielleicht werde ich es mir doch noch überlegen und ihnen zuliebe hingehen. Am ehesten werde ich aber wohl am Wahltag zu Hause bleiben. Ich habe einfach das Gefühl, dass es niemanden unter den Kandidaten gibt, der meine Position vertritt oder wirklich etwas im Land verändern könnte. Außerdem wird es wohl ohnehin wieder viele Wahlfälschungen geben.
Für mich persönlich sind Menschen- und Medienfreiheit besonders wichtige Themen. Ich bin natürlich nicht damit zufrieden, wie sich Russland – vor allem in diesen Bereichen – entwickelt. Ich bin zuletzt zu den Moskauer Kommunalwahlen gegangen, dort habe ich auf Bezirksebene meine Stimme abgegeben. Aber eigentlich glaube ich gar nicht mehr daran, dass man in Russland etwas mit den Wahlen verändern kann.
Anastasia Strekatschowa (18), Musikstudentin
Ich bin Pianistin und studiere Musik am Gnessin-Institut in Moskau. Ich werde bei diesen Wahlen dem Präsidenten Wladimir Putin meine Stimme geben. Ich bin mit seiner Arbeit bisher ganz zufrieden, und ich glaube auch, dass es keinen besseren Anwärter auf das Amt geben kann als ihn. Deswegen werde ich für ihn stimmen.
Ich bin gerade erst 18 Jahre alt geworden, und es ist das erste Mal, dass ich zu einer Wahl gehe. Das ist aufregend. Aber eigentlich interessiere ich mich nicht besonders für Politik und würde auch sagen, dass ich mich nicht sehr gut auskenne. Ich gehe einfach nach meinem Gefühl und finde, dass Putin bewiesen hat, dass er bisher ein sehr sachkundiger und würdiger Präsident gewesen ist und es ganz gut geschafft hat, das Land zu regieren. Immerhin hat er ja schon einige Amtszeiten hinter sich gebracht, also warum sollte er damit nicht weitermachen?
Ilja Biljezkij (20), Literaturstudent aus Wolgograd
Prinzipiell denke ich schon, dass man zu den Wahlen gehen sollte. Ich würde gerne „gegen alle“ wählen, aber diese Möglichkeit gibt es ja nicht mehr (Anm. d. Autorin: Diese Wahlmöglichkeit wurde 2006 abgeschafft). Xenia Sobtschak tritt zwar auch mit diesem Slogan an, aber ich kaufe ihr diese Kampagne irgendwie nicht so richtig ab. Die Kandidaten sind doch alle von ganz oben abgesegnet! Ich bin aber noch etwas unentschieden und werde mir noch einmal alle Kandidaten genau ansehen. Eines ist klar: Ich werde bestimmt nicht für Wladimir Putin oder für die Kommunisten stimmen. Ich halte es einfach nicht für richtig, wenn jemand so lange an der Macht ist wie Putin. Dann wird sich doch überhaupt nichts mehr verändern.
Ich bin erst vor kurzem aus Wolgograd nach Moskau gezogen. Die großen Proteste, die Alexej Nawalny vor einem Jahr organisiert hat, habe ich verpasst. Ich glaube, dass ich zu den Protesten hingegangen wäre. Korruption ist eines der größten Probleme in Russland, und Nawalny macht zumindest darauf aufmerksam. Wenn er auf dem Stimmzettel stehen würde, würde ich wohl für ihn stimmen. Es ist nicht so, dass er mir übermäßig sympathisch wäre, aber er wäre zumindest die einzige halbwegs vernünftige und wählbare Alternative.
Alisa Goluenko (22), Journalistin aus Moskau
Ich helfe mit, Wahlbeobachter im Nawalny-Stab auszubilden. Ich selbst habe schon oft Wahlen beobachtet und bin auch in der unabhängigen NGO für Wahlbeobachtung „Golos“ (Stimme) aktiv. Wie wichtig Wahlbeobachter sind, haben wir bei den Kommunalwahlen im Herbst gesehen: Ich habe dort kandidiert und den Einzug als Bezirksabgeordnete geschafft. Ich denke, dass wir diesmal viel mehr Wahlbeobachter haben werden als noch bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2012. Ich hoffe zudem, dass wir am Ende einen schönen Boykott haben werden.
Die Wahlbeobachtung ist wichtig, damit unsere Stimmen nicht geklaut werden. Man kann sich gar nicht vorstellen, mit welchen Methoden versucht wird, zu betrügen. Eine beliebte Methode ist es zum Beispiel, den Strom auszuschalten und gefälschte Wahlzettel unterzuschieben. Ich war bei den großen Protesten nach den Wahlfälschungen 2012 nicht dabei, weil ich damals noch zu jung war. Aber ich weiß, dass danach viele junge Russen ausgereist sind, weil sie die Hoffnung aufgegeben haben, etwas im Land zu verändern.
Ich finde, die Menschen sind des Präsidenten Putin schon überdrüssig. Sie haben keine Lust mehr, ihn überall zu sehen und immer nur zu hören, wie super alles ist. Bevor der Ölpreis in den Keller ging, haben die Leute ja eigentlich auch gut gelebt. Aber jetzt werden sie immer ärmer.