Thema – Identität

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Wenn du nicht glücklich bist, ändere was!

Sie hat keine Lust auf Kinder und liebt, wen sie will: Nicht nur in Südafrika schert Ebony* damit aus der Norm aus – auch in anderen Ländern muss sie sich als Schwarze Frau einiges bieten lassen. Ein Appell für sexuelle Selbstbestimmung

  • 8 Min.
Südafrika

Ich würde mich selbst als Nomadin bezeichnen, denn am glücklichsten bin ich, wenn ich reise und neue Kulturen und Menschen kennenlerne. Ich bin selten mehr als drei Wochen zu Hause, was eher unüblich ist für eine Südafrikanerin. Wenn man so viel unterwegs ist wie ich, fällt es schwer, Menschen wirklich kennenzulernen – das ist auch ein Grund, weswegen ich nicht so viel Sex habe, wie ich es mir wünsche. Auf der anderen Seite weiß ich, dass eine feste Beziehung mit einem Menschen nichts für mich wäre, ich habe auch kein Interesse an Kindern. Ich will mich nicht binden, es sei denn, die Person, mit der ich zusammen bin, möchte wie ich nach Lust und Laune die Welt bereisen.

Ich habe viel Sex mit mir selbst und benutze mehrere Sextoys, von denen ich immer ein oder zwei mit auf Reisen nehme. Mit der Zeit habe ich gelernt, meine Toys nicht ins Handgepäck zu packen: Am Flughafen in Dubai wurde ich einmal bei der Einreise aufgehalten: Ein Beamter im langen weißen traditionellen Gewand forderte mich auf, meine Tasche zu öffnen. Er zeigte auf meinen Dildo und fragte: „Was ist das?“ Ich erklärte es. „Das kannst du nicht mitnehmen. Das ist nicht erlaubt“, sagte er. Daraufhin musste ich mein Toy in den Müll schmeißen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate waren bislang das einzige Land, in dem ich nirgendwo ein Sextoy kaufen konnte. Gleichzeitig war es auch das Land, in dem ich am häufigsten sexuell belästigt wurde. Als Schwarze Frau fühlte ich mich besonders als Zielscheibe. Die Männer dort betrachten Schwarze Frauen als Objekte, die allzeit verfügbar sind für Sex. In den Shoppingmalls versuchten Männer andauernd, mich zu begrapschen, und in der Hotelbar machten sie mir anzügliche Angebote. Am Ende kaufte ich mir eine Burka, die ich dann ständig trug und in der ich mich frei fühlte – auch weil ich darunter nichts anziehen musste.

 
Queere Community in Südafrika (Foto: Luca Sola/AFP via Getty Images)
Da unsere Autorin anonym bleiben will, gibt es leider kein Foto von ihr. Dafür aber tolle Bilder der großen queeren Community in Südafrika, ihrem Heimatland. (Foto: Luca Sola/AFP via Getty Images)

Ich habe eine Weile gebraucht, um zu merken, dass traditionelle monogame Beziehungen nichts für mich sind. Dreimal habe ich es versucht. Das erste Mal mit einer Frau. Damals war ich noch sehr jung, und obwohl ich verliebt war, war es doch zu schwer, für unsere Liebe zu kämpfen.

LGBTQ+ steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer plus alle anderen Geschlechter und Orientierungen

Auf dem Papier hat Südafrika zwar eine der progressivsten LGBTQ+-Gesetzgebungen, doch die Realität sieht anders aus. Andauernd wurden wir als unafrikanisch und böse beschimpft. In Südafrika werden lesbische Frauen immer wieder vergewaltigt und ermordet. Selbst in ihren Familien bekommen sie manchmal zu hören, es wäre besser, wenn sie HIV-positiv anstatt queer wären. Für all das war ich nicht stark genug – und so endete unsere Beziehung.

Danach war ich drei Jahre lang mit einem Rastafari zusammen, der keinen Oralsex wollte, weil Reggaemusiker und die sogenannten Hüter der Rasta-Kultur Dinge sagten wie „Fire bun man who suck pussy“. Männer, die Frauen oral befriedigen, gelten oft als unmännlich.

„Wie könnt ihr es schaffen, über eure Wünsche im Bett zu reden? Wie könnt ihr diese mit eurem Mann teilen? Wie könnt ihr euch selbst befriedigen?“

Rückblickend war das die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich mich von dem Glauben anderer Menschen einschränken ließ. Zwar konnte ich schließlich meinen Freund von Oralsex überzeugen, aber danach bekam er jedes Mal Schuldgefühle. Und natürlich macht es keinen Spaß, wenn man glaubt, dafür in die Hölle zu kommen.

Nachdem unsere Beziehung zu Ende war, gründete ich eine Frauengruppe mit dem Ziel, die Verbindung von Sexualität und Spiritualität zu erforschen. Meine Schwestern sollten wissen, dass Sexualität nichts Böses ist und dass es Wege gibt, Sex mit Spiritualität in Einklang zu bringen. Ich wollte sie dabei unterstützen, sich selbst und ihre Grenzen besser kennenzulernen. Manchmal ermutigte ich sie auch dazu, ihre Komfortzone zu verlassen. All meine Rasta-Freundinnen haben zwischen drei und sechs Kinder, und ich fragte sie: „Genießt ihr wirklich das Kinderkriegen – oder habt ihr Lust auf Sex und bekommt notgedrungen Kinder? Wie könnt ihr es schaffen, über eure Wünsche im Bett zu reden? Wie könnt ihr diese mit eurem Mann teilen? Und wenn ihr das nicht könnt: Wie könnt ihr euch selbst befriedigen?“

Queere Community in Südafrika (Foto: Rajesh Jantilal/AFP via Getty Images)
In Südafrika sind die Rechte von LGBTQ+ zwar in der Verfassung festgeschrieben, dennoch erleben viele Diskriminierungen im Alltag (Foto: Rajesh Jantilal/AFP via Getty Images)

Dass Monogamie nichts als ein Mythos ist, machte mir meine letzte Beziehung deutlich. Ich hatte mich gerade mit Dave verlobt, und wir waren auf dem Weg nach Durban, um das zu feiern. Sein Handy war über Bluetooth mit dem Auto verbunden, und die Musik wurde mehrmals vom Klingeln und einer roboterhaften Stimme unterbrochen: „Primrose ruft an.“ Eigentlich ging Dave immer in meinem Beisein ans Telefon, doch diesmal ignorierte er die Anrufe. Irgendwann reichte es mir, ich griff mir sein Handy – und sah die Nachrichten von Primrose: Sie war schwanger. Dave hatte mich nicht nur betrogen, sondern auch mein Leben riskiert, weil er ohne Verhütung mit einer anderen Frau geschlafen hatte. Wir waren 100 Kilometer von zu Hause entfernt – trotzdem bestand ich darauf, dass er mich am Straßenrand absetzte.

Nun bin ich seit sechs Jahren polyamorös. Ich weiß, dass ich in Zukunft vielleicht andere Entscheidungen treffe, aber gerade funktioniert es wunderbar für mich. Wenn ich jemals wieder mit einem Mann zusammenkomme, dann mit einem, der älter ist und schon seine Midlife-Crisis hinter sich hat.

Im Moment hänge ich ein wenig in einer Situationship fest, aus der ich mich befreien muss. Vor ein paar Jahren war ich auf einem Festival in Spanien und traf einen großen, dunkelhäutigen Mann auf der Tanzfläche. Wir tanzten miteinander und beschlossen, zusammen abzuhängen. Weil auf Festivals alle im Freien duschen, sah ich seinen Körper. „Hmmm, du hast einen großen Schwanz“, sagte ich zu ihm, und er erwiderte nur: „Hmmm, du hast große Brüste.“

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Der Text ist eine gekürzte Fassung aus dem Buch „The Sex Lives of African Women“ – herausgegeben von Nana Darkoa Sekyiamah, Dialogue Books, 2021.

Hattest du jemals Sex in einem Zelt auf einem Festival? Ich habe in meinem Leben noch nie so viel geschwitzt. Wir blieben in Kontakt, und einige Monate später besuchte ich ihn in Deutschland. Er ist Raumfahrttechniker, arbeitet aber als Barkeeper – was ich nicht verstehe. Warum sucht er sich mit seiner Qualifikation nicht einen Job in einem anderen Land, wenn es in Deutschland nicht klappt? Das müsste doch leicht sein.

Kürzlich sahen wir uns in Ghana. Wir waren beide einen Monat dort und hatten nur zweimal Sex. Einmal habe ich meine Toys ausgepackt, was ihm sichtlich unangenehm war. Als wäre das nicht genug, war sein bester Freund permanent um uns herum und schlief sogar manchmal mit uns im selben Raum. Eigentlich hatte ich vor, mein Leben voll auszukosten, aber in diesen Wochen fühlte ich mich gefangen – und mir wurde klar, dass ich einen drastischen Neuanfang brauchte. Denn jeden Tag frage ich mich, ob ich glücklich bin. Und wenn die Antwort nein ist, muss ich etwas ändern an meinem Leben.

Übersetzung: Dshamilja Roshani

Titelbild: Luca Sola/AFP via Getty Images

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.