Thema – Flucht

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Situation von Flüchtlingen auf der Mittelmeerroute

Warum wählen so viele Menschen den Weg über das Meer? Wie sieht es in den Lagern in Libyen aus? Und was macht die EU? Antworten gibt's im FAQ

Wie viele Menschen kamen über Libyen nach Europa?

Seit Anfang 2016 etwa 320.000. Die Route über das zentrale Mittelmeer war lange die wichtigste Fluchtroute für Menschen, die nach Europa kommen wollen. Heute sind nach UN-Schätzungen noch zwischen 700.000 und einer Million Flüchtlinge und andere MigrantInnen in Libyen. Die meisten stammen aus Ägypten, Niger, Sudan, Nigeria, Bangladesch, Syrien und Mali.

 

Warum wählen so viele Menschen diesen Weg?

In Ostafrika gibt es eine Reihe von Bürgerkriegen und Diktaturen. Rund neun Millionen Flüchtlinge leben in der Region. Einige versuchten früher, über Israel zu flüchten. Doch seit 2013 versperrt ein Zaun an der Grenze zu Ägypten diesen Weg. Es blieb ein Ausweg durch den Wüstenstaat Niger nach Libyen. Algerien, Marokko, Tunesien und Senegal haben im letzten Jahrzehnt die Routen für Migranten in Richtung Europa blockiert – teils gegen Bezahlung durch die EU. So blieb auch für Flüchtlinge und MigrantInnen aus Westafrika lange nur der Weg über den Wüstenstaat Niger nach Libyen. Hinzu kommen viele Menschen, die einst nach Libyen – das lange zu den wohlhabendsten Ländern Afrikas zählte – zogen, um dort zu arbeiten. Doch seit dem Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes, während des Arabischen Frühlings 2011, gibt es dort immer weniger Arbeit. Viele Menschen entschieden sich schließlich für die Flucht nach Europa, um Gefangenschaft und Zwangsarbeit in Libyen zu entgehen.

 

Was geschieht mit den Menschen in Libyen?

Seit 2011 haben Milizen immer weitere Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Eine ihrer Einkommensquellen ist die Geiselnahme von Menschen auf der Flucht. Eine andere ist das Geschäft mit der Schlepperei über das Mittelmeer. Die Milizen sperren Geflüchtete in „inoffizielle“ Lager ein. Es gibt auch „offizielle“ Lager, die von der libyschen Regierung betrieben werden.

 

Was sind das für Lager?

Es gibt etwa zehn – meist vollkommen überfüllte – Internierungslager für Geflüchtete, die die international anerkannte Regierung betreibt. Sie befinden sich in einem kleinen Gebiet im Norden des Landes. Aktuell sind dort 10.000 Menschen eingesperrt. Die UN und Ärzte ohne Grenzen haben bedingt Zugang zu diesen Lagern. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von sogenannten „inoffiziellen“ Lagern, die von Milizen betrieben werden. Die Verhältnisse dort sind grauenerregend. Deutsche Diplomaten sprachen 2017 nach einer Untersuchung in einem Bericht von „KZ-ähnlichen Zuständen“, unter anderem wegen systematischer Massenvergewaltigungen und fester Erschießungszeiten. Praktisch niemand hat Zugang zu diesen Einrichtungen und kann kontrollieren, was mit den Menschen dort geschieht.

 

Wie können Flüchtlinge die inoffiziellen Lager verlassen?

Meistens indem sie Lösegeld bezahlen und/oder ein Ticket für ein Boot nach Europa kaufen. Wer kein Geld hat, wird offenbar nicht selten in Zwangsarbeitsverhältnisse verkauft. Vielfach werden Menschen gezwungen, sich bei ihren Verwandten in ihrer Heimat zu melden. Diese müssen dann Geld, etwa an Mittelsmänner in Ägypten, schicken. 

Welche Rolle spielen die Verteilzentren in Niger?

2017 haben die UN ein Programm aufgelegt, um Geflüchtete aus Libyen mit dem Flugzeug zu evakuieren. 30.000 Menschen wurden so bislang in ihre Heimatländer ausgeflogen – meist waren sie zuvor in den offiziellen Gefängnissen. Ein Teil der Menschen in Libyen stammt aber aus Diktaturen wie Eritrea oder Kriegsgebieten wie dem Kongo. Sie können nicht in ihre Heimatländer gebracht werden. Für einige von ihnen hat die EU im letzten Jahr ein Sonderprogramm aufgelegt. Sie werden zunächst in den Niger geflogen und warten dann dort darauf, dass ein EU-Staat sie aufnimmt. Doch es gibt nur sehr wenige Aufnahmeplätze.


 

Welche Abkommen hat die EU mit Libyen geschlossen? 

Die EU hat 2016 angefangen, die libysche Küstenwache auszubilden und ihr Boote zur Verfügung zu stellen. Daran war auch die Bundeswehr beteiligt. Libyen bekam für den Aufbau der Küstenwache einen zweistelligen Millionenbetrag. Insgesamt ist die sehr schwache Regierung Libyens auf Hilfen der EU angewiesen. Seit Sommer 2017 fängt die libysche Küstenwache systematisch Menschen auf dem Meer wieder ein und holt sie nach Libyen zurück. Sie werden in die Internierungslager gebracht. Seenotrettungs-NGOs wie Sea Watch werfen der libyschen Küstenwache vor, mehrfach mit Gewalt, auch mit Waffen, vorgegangen zu sein.

 

Welche Abkommen hat die EU mit Staaten in Afrika geschlossen? 

Seit 2016 hat die EU mit afrikanischen Staaten Vereinbarungen getroffen, um Fluchtrouten zu unterbrechen. Das Regime in Sudan etwa, dem Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, bekam mehrere hundert Millionen Euro und kontrolliert seither die Grenze in Richtung Libyen. Der Sahel-Staat Niger bekommt über eine Milliarde Euro und verbot kurzerhand den Transport von Migranten in Richtung Libyen, Fahrer kamen ins Gefängnis. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat mit etwa zwei Dutzend Staaten in Afrika einen Geheimdienstverbund aufgebaut, um schneller auf Migrationsbewegungen reagieren zu können.

 

 

Fotos: Daniel Etter/laif

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