
„Auf Partys erzähle ich ungern, dass ich eine Ausbildung zur Bestatterin mache“
Montagmorgens geht Mira, 24, die Sterbefälle vom Wochenende durch. Sie macht eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft. Hier erzählt sie, warum es nicht schlimm ist, Toten nah zu sein, und wie andere auf ihren Beruf reagieren
Auf Partys erzähle ich nur ungern, dass ich eine dreijährige Ausbildung zur Bestatterin mache. Das kann ein ziemlicher Stimmungskiller sein. Meist herrscht dann erst einmal betretenes Schweigen, bevor die große Fragerei losgeht. Ablehnend haben Gleichaltrige jedoch noch nie reagiert. Im Gegenteil: Die meisten sind vor allem neugierig. Sie wollen wissen: „Warum hast du diesen Beruf gewählt?“ Bei vielen meiner Kolleginnen und Kollegen war es ein eigener Schicksalsschlag, der sie in diese Branche geführt hat. Bei mir war es einfach Zufall.
Auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle bin ich auf eine Anzeige der Handwerkskammer gestoßen, die eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft bewarb. Ich hatte mich zuvor nie mit diesem speziellen Beruf auseinandergesetzt. Als ich mich dann eingelesen habe, dachte ich: Wow, das vereint alles, was mich interessiert. Psychologische Aspekte, den Umgang mit Menschen.
Wissen über verschiedene Religionen und Kulturen ist wichtig
Außerdem lernt man viel über verschiedene Kulturen und Religionen, denn als Bestatterin hat man mit Menschen mit vielfältigen Hintergründen und Lebensstilen zu tun. Bestatter und Bestatterinnen sollten also einen guten Überblick über die Religionen haben, um die Angehörigen möglichst gut beraten zu können. Religion spielt bei der Ausrichtung der Trauerfeier und Beerdigung eine Rolle, weil jede ihre eigenen Bestattungsriten und Bräuche hat, aber natürlich nicht im persönlichen Umgang.
Theoretisch richten wir Bestattungen für alle Religionen aus – aber christliche oder nicht religiöse Bestattungen machen bei uns in der Region den Großteil aus.
Ich selbst bin nicht wirklich religiös, durch meine Eltern bin ich mit dem Hinduismus aufgewachsen, über einen anderen Teil meiner Familie habe ich das Christentum erlebt, ein paar Freunde, Freundinnen und Bekannte gehören dem Islam an. Ich konnte dadurch bis jetzt schon einiges mitnehmen. Es gibt einfach noch sehr viel, das ich lernen möchte.
Nicht emotional, sondern vor allem körperlich anstrengend
Um zu sehen, ob der Job wirklich was für mich ist, begann ich erst mal ein Praktikum. Schon an meinem ersten Tag durfte ich bei einer Überführungsfahrt dabei sein – also beim Transport eines Verstorbenen vom Altenheim zum Bestattungsunternehmen. Es war gar nicht seltsam für mich, einer verstorbenen Person so nah zu sein.
Ich habe durch das Praktikum schon früh versucht herauszufinden, ob ich den körperlichen Herausforderungen gewachsen bin. Als Bestatterin muss man Särge tragen und die Verstorbenen anheben können. Auch das Tragen der Dekorationsgegenstände wie Holz- und Metallsäulen erfordert Kraft. Und natürlich bringt der Job auch emotionale Herausforderungen mit sich. Schnell wurde mir klar: Ja, das kann ich. Der Tod kommt sowieso auf uns alle zu. Warum sollte man sich also nicht früh damit auseinandersetzen?
„Während meiner Ausbildung gab es nur selten Momente, in denen ich tief ergriffen war“
An einem typischen Arbeitstag meiner Ausbildung versammeln wir uns morgens um 8.30 Uhr im Büro. Besonders die Montage sind spannend, denn wir schauen, welche Sterbefälle über das Wochenende hinzugekommen sind und welche Aufgaben erledigt werden müssen. Dann gehen wir an die Arbeit. Häufig muss jemand zum Standesamt fahren, um die Sterbefälle zu beurkunden. Wenn eine Beisetzung ansteht, bereiten wir die vor: Wir müssen unter anderem Blumen bestellen, die Sterbeurkunde beschaffen und Traueranzeigen erstellen.
Die Beisetzung zu begleiten, ist eine der Hauptaufgaben
In diesem Job ist also Organisationstalent gefragt. Wir planen die Beisetzung oft unter Zeitdruck. Man muss den Überblick behalten und schnell reagieren können.
Am Tag einer Beerdigung wird das Deko-Auto mit der gesamten Dekoration beladen und zum Friedhof gefahren. Bei der Dekoration steht die verstorbene Person im Mittelpunkt. Die Urne oder der Sarg sollen gut sichtbar sein.
Bei der Beisetzung selbst bin ich dann unter anderem dafür zuständig, die Trauergäste zu empfangen, die Dekoration wie zum Beispiel Tücher, Kerzen und Blumen herzurichten, Gedenkbilder und Liedblätter auf den Stühlen in der Kirche zu verteilen oder die Musik, die sich die Angehörigen für die Beerdigung in den Friedhofskapellen wünschen, abzuspielen. Auch Kondolenzdienste gehören zu meinem Job, ich nehme vor oder nach der Beerdigung die Karten und Briefe für die Familie entgegen oder lege ein Kondolenzbuch bereit, in das die Besucher und Besucherinnen Erinnerungen und Wünsche schreiben können.
Während meiner Ausbildung gab es nur selten Momente, in denen ich tief ergriffen war. Aber natürlich wird es manchmal emotional, besonders bei den Beisetzungen. Das können ganz kleine Augenblicke, einzelne Sätze in den Trauerreden oder die Musik sein. Doch ich nehme die Gefühle nicht mit nach Hause. In meinem Team sprechen wir offen über alles und tauschen uns aus. Sicher hilft mir auch das, um das Erlebte zu verarbeiten. Deshalb gab es für mich auch noch keine emotional besonders herausfordernden Situationen.
Allerdings habe ich bisher auch noch keine Trauergespräche selbst geführt. In diesen Gesprächen geht es um die Details der Beerdigung, Angehörige können ihre Wünsche äußern, viele sind dabei sehr bewegt oder weinen sogar. Ich war bisher dreimal dabei, um zuzuhören, gesagt habe ich aber nichts, weil mein Ausbildungskurs zur Trauerpsychologie noch nicht abgeschlossen ist, bei dem wir intensiv auf die Beratungsgespräche vorbereitet werden. Dabei setzt man sich auch mit dem persönlichen Umgang mit Tod und Trauer auseinander.
Für Trauergespräche ist ein extra Kurs notwendig
Vor meinem ersten eigenen Trauergespräch habe ich viel Respekt, denn da läuft alles zusammen, was ich in meiner Ausbildung gelernt habe. Ich habe den Anspruch, die Angehörigen bestmöglich zu begleiten. Mittlerweile fühle ich mich dabei aber immer sicherer.
Der Beruf der Bestattungsfachkraft hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Früher war es eher ein handwerklicher Job, heute sind wir zugleich auch Seelsorgerinnen und Ansprechpartnerinnen für die Hinterbliebenen. Wir erfüllen also auch eine psychologische Dienstleistung. Deshalb ist Empathie in diesem Beruf besonders wichtig.
Man muss sich in die Situation des Gegenübers hineinversetzen können. Wenn man das nicht kann, wird der Beruf sehr schwierig. Derzeit steigt die Zahl der Bestattungsfachkraft-Azubis; und auch immer mehr Frauen ergreifen den Beruf. Ob sie die Branche auch nachhaltig verändern, kann ich allerdings nicht sagen.
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Titelbild: Theodor Barth/laif