Im Oktober wurde die ehemalige österreichische Nationalratsabgeordnete Sigi Maurer wegen übler Nachrede verurteilt: 3.000 Euro Geldstrafe, 4.000 Euro Entschädigung an den Kläger plus die Verfahrenskosten. Maurer war via Facebook-Chat sexuell belästigt worden und hatte die obszönen Nachrichten in den sozialen Medien veröffentlicht.
Weil sie nicht beweisen konnte, dass die Postings tatsächlich von dem Betreiber des Lokals stammten, von dessen Account aus die Nachrichten verschickt worden waren, wurde sie schuldig gesprochen.
In Österreich gibt es kein Gesetz, das sexualisierte Gewalt im Netz verbietet – Belästigung ohne Körperkontakt ist weder online noch offline strafbar (Ausnahmen u.a. in der Schule oder Arbeit). Und eine Beleidigung ist bisher nur strafbar, wenn sie vor mindestens drei Personen stattfindet.
In Deutschland sieht die Situation etwas anders aus. Wie man sich gegen Beleidigung und Belästigung im Netz wehren kann und worauf man achten muss, ist hier zusammengefasst:
Was kann ich anzeigen?
Zuerst sollte geklärt werden, ob überhaupt ein und, wenn ja, welcher Straftatbestand vorliegt. Zur Auswahl stehen: Beleidigung (mildeste Strafe), üble Nachrede und Verleumdung (strengste Strafe). Die Frage ist meistens: Ist das Gesagte noch Kritik oder schon eines dieser Delikte?
Die Frage ist meistens: Ist das Gesagte noch Kritik? Oder schon Beleidigung, Nachrede oder Verleumdung?
Eine klare Grenze ist dabei die „Verbreitung von unwahren oder ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen“. Heißt: Jemand behauptet etwas, das gar nicht stimmt. Nehmen wir mal an, du bist Schreiner. Ein Kunde bestellt einen Tisch und ist mit dem Ergebnis unzufrieden. Er schreibt auf deine Facebook-Pinnwand: „Du bist gar kein echter Schreiner“. Das ist schlicht falsch und fiele somit in die Kategorie „üble Nachrede“. Voraussetzung ist, dass derjenige tatsächlich davon ausgeht, dass du kein Schreiner bist. Weiß er oder sie aber genau, dass er eine Lüge verbreitet, handelt es sich sogar um Verleumdung.
„Beleidigungen“ sind „ehrenrührige“ Aussagen wie klassische Schimpfwörter und vulgäre Begriffe. Die an Sigi Maurer adressierte Nachricht „Dein fetter Arsch turned mich ab aber da Du prominent bist, ficke ich Dich gerne in deinen fetten Arsch, damit dir einer abgeht du kleine dreckige Bitch!!!“ dürfte darunterfallen, ebenso Schmähkritiken.
Hauptmerkmal einer Beleidigung: Die Kritik befasst sich nicht mit einer Sache, sondern zielt darauf ab, eine Person zu diffamieren. Was am Fall Böhmermann klar wurde und nicht oft genug betont werden kann: Im Falle eines Prozesses wird ein Gericht jedes Mal erneut abwägen: Meinungsfreiheit versus Persönlichkeitsrecht – was wiegt im konkreten Fall schwerer?
Ist jede kritische oder negative Bewertung einer anderen Person gleich strafbar?
Selbst ziemlich scharfe Kritik ist in den meisten Fällen nicht strafbar, wenn sie einen inhaltlichen Bezug hat. Schreibt der Kunde des Schreiners: „Der Tisch ist sauhässlich, XY hat sich bei der Reklamation wie ein Idiot verhalten“, ist die Aussage zwar subjektiv und nicht sehr freundlich, wäre aber wahrscheinlich zulässig. Schwierig wird es, wenn Tatsachen und Bewertungen nicht einwandfrei voneinander zu trennen sind. Zum Beispiel: „Hier war ein Stümper am Werk.“
Macht es einen Unterschied, in welchem sozialen Netzwerk mich jemand beleidigt?
Ob dich jemand in aller Öffentlichkeit, zum Beispiel auf Twitter, oder in trauter Online-Zweisamkeit per WhatsApp-Nachricht juristisch gesehen „beleidigt“, ist in Deutschland erst mal egal. „Die Frage ist eher: Fällt es überhaupt auf?“, sagt der Anwalt für Urheber- und Medienrecht Norman Buse. Nur wer von einer Diffamierung etwas mitbekommt, kann sich auch wehren.
Anders ist es bei übler Nachrede und Verleumdung. Bei beiden Straftaten erhöht sich das Strafmaß, also die Länge der Freiheits- oder die Höhe der Geldstrafe, „wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften begangen ist“. Für öffentliche Verleumdung sitzt man dann bis zu fünf Jahre.
Wie kann ich mich wehren?
Der erste Schritt ist immer, Beweise zu sichern, sagt Buse. Das heißt: Screenshots machen und das Datum notieren.
Danach wäre der einfachste nächste Schritt: die Beleidigung dem entsprechenden Netzwerk melden. Das geht seit Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ganz leicht: einfach den entsprechenden Kommentar per Klick melden. Bei WhatsApp können nur Nutzer oder ganze Gruppen gemeldet werden. Sollte die Nachricht, der Post, das Video oder was auch immer „offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte enthalten, wird der Beitrag innerhalb von 24 Stunden entfernt. Die Konsequenzen für die Täter: erst mal keine. Wenn er oder sie öfter auffällt, wird das Profil vermutlich früher oder später gelöscht. Vorteil: Dir entstehen keine Kosten, und der Aufwand ist gering.
Der dritte Schritt: die Online-Beleidigung offline verfolgen. Das geht einerseits strafrechtlich, also per Anzeige bei der Polizei. „Das führt oft zu nichts und wird wieder eingestellt“, sagt Anwalt Buse. Die andere Möglichkeit ist ein zivilrechtliches Verfahren. Dafür engagiert man einen Anwalt, mahnt die andere Person ab und erwirkt eine Unterlassung. Sollte die Person einen noch einmal beleidigen, muss sie ein Ordnungsgeld zahlen oder in Ordnungshaft. „Schadensersatz gibt es nur in extremen Ausnahmefällen“, sagt Buse.
Was, wenn ich mich wehre, indem ich die Beleidigung einfach selbst veröffentliche?
„Wenn ein Täter jemanden beleidigt, bezieht er sich auf die Meinungsfreiheit. Wenn man das dann selbst postet oder weiterleitet, kann er sich auf sein Persönlichkeitsrecht beziehen“, sagt Buse. So absurd man diese Handhabung auch finden mag: Der Anwalt rät davon ab, Beleidigungen zu veröffentlichen, um sich zu wehren. Das kann, wie der Fall Maurer zeigt, schnell nach hinten losgehen.
Illustration: Raúl Soria