Immer mal wieder unterstützt der Staat Firmen, die akute Geldnot haben, mit Krediten. Das war auch schon vor der Covid-19-Pandemie so, etwa 2009 mit Milliardenkrediten für die Commerzbank und Opel oder 2017 für Air Berlin. Durch die besonderen Umstände der Pandemie sind nun viel mehr Firmen in Schwierigkeiten geraten, zudem wurden die Bedingungen vereinfacht, diese Kredite zu beziehen – also häufen sich die Fälle. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Staatsrettung zusammengetragen.
Welchen großen Firmen hat der Staat seit Beginn der Pandemie Geld bereitgestellt?
Zu den prominentesten Fällen der letzten zwölf Monate gehören die Lufthansa (9 Mrd. Euro), TUI (bisher 4,3 Mrd. Euro in drei Tranchen), Adidas (2,4 Mrd. Euro), Galeria Karstadt Kaufhof (bis zu 460 Mio. Euro) und der Autovermieter Sixt (1 Mrd. Euro). Weniger bekannte Fälle sind etwa die Tourismusunternehmen Novum Hospitality (45 Mio. Euro) und Berge & Meer (20 Mio. Euro), der Autozulieferer A-Kaiser (12,5 Mio. Euro) und die MV Werften (193 Mio. Euro) – also größtenteils Firmen aus Wirtschaftszweigen, die aus naheliegenden Gründen unter Pandemie und Lockdown leiden.
Wie kommen die Firmen konkret an das Geld?
Eine Anlaufstelle ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Als nationale Förderbank ist sie eigentlich dafür da, Freiberufler:innen sowie kleinere und mittlere Firmen und Kommunen bei Investitionen, Existenzgründungen und Projekten mit Krediten zu helfen. Sie vergibt auch Studienkredite. Seit März 2020 bietet die KfW zudem spezielle Corona-Hilfen für alle Unternehmen an.
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Zusätzlich hat die Bundesregierung im März 2020 einen speziellen Topf für größere Unternehmen geschaffen: den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Hier stehen theoretisch bis zu 600 Milliarden Euro für Firmen mit mehr als 249 Beschäftigten und einem Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro bereit. Davon wurde bisher aber nur ein sehr geringer Teil beansprucht. Oft wird nämlich nicht das gesamte bewilligte Geld tatsächlich in Anspruch genommen. Bei Adidas waren es zum Beispiel letztlich „nur“ 500 Millionen Euro. Zum Teil haben die Firmen zusätzlich Geld von Privatbanken erhalten, sodass die Summen, von denen die Medien berichten, oft noch höher sind, weil sie auch diese Kredite beinhalten.
Warum leiht der Staat den Firmen überhaupt Geld?
Damit sie nicht pleitegehen. Dann wären nämlich Arbeitsplätze in Gefahr – in den Firmen selbst und mitunter auch in anderen Betrieben aus derselben Branche, also zum Beispiel bei Zulieferern. Das vermindert die Steuereinnahmen und schwächt die Gesamtwirtschaft.
Welchen Firmen hilft der Staat in so einer Situation?
In der Vergangenheit mussten die Firmen schon von einer gewissen Bedeutung sein, sodass ihr Scheitern die Wirtschaft nachhaltig erschüttert hätte. Generell muss davon ausgegangen werden, dass die Firmen noch wirtschaftlich sind, also nur vorübergehende Zahlungsengpässe haben. Die Hilfen sollen weder ein Dauerzustand noch ein sinnloser Tropfen auf den heißen Insolvenz-Stein sein.
Wer entscheidet über die Hilfen?
Geprüft werden die Anträge auf Unterstützung durch den WSF vom Wirtschaftsministerium, unterstützt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. Entschieden wird, je nach Höhe, von der KfW, vom Wirtschafts- und Finanzministerium gemeinsam oder vom WSF-Ausschuss.
Woher kommt das ganze Geld?
Aus dem Bundeshaushalt. Zur Bewältigung der Folgen der Lockdowns und der Corona-Pandemie nimmt der Staat momentan in großem Umfang neue Schulden auf.
Müssen die Firmen das Geld zurückbezahlen?
Ja, es handelt sich schließlich um Kredite. Sie müssen zum Teil sogar recht hohe Zinsen darauf zahlen, bei der Lufthansa bewegen sie sich zwischen 3,75 und 9,5 Prozent, was deutlich über dem aktuellen Kreditzinsniveau für Privatanleger liegt. Dafür trägt der Staat als Schuldner eben auch das Risiko: Im schlimmsten Fall ist das Geld verloren.
Zahlen die Firmen das Geld wirklich zurück?
Adidas und Sixt haben ihre Kredite bereits komplett zurückgezahlt, auch die Lufthansa zum Teil – sie hat inzwischen private Geldgeber gefunden, bei denen die Auflagen nicht so streng sind.
Was ist nochmal was – KfW und WSF?
KfW: Kreditanstalt für Wiederaufbau. Nationale Förderbank, die Coronahilfen vergibt
WSF: Wirtschaftsstabilisierungsfonds.„Topf“, aus dem Kredite für Großunternehmen ausgezahlt werden
Was für Auflagen sind das?
Bei WSF-Hilfen von mehr als 100 Millionen Euro ist eine Bedingung, dass die Gehälter der Geschäftsleitung nicht über das Niveau von 2019 steigen dürfen, Bonuszahlungen – auch in Form von Aktienpaketen – sind ebenfalls nicht gestattet. Auch dürfen Firmen ihren Aktionär:innen keine Dividende – also einen Anteil ihres Bilanzgewinnes – auszahlen.
Bekommt der Staat auch Mitspracherechte in den Firmen?
Im Fall der Lufthansa wurde genau dies öffentlich diskutiert und auch von verschiedenen Seiten gefordert – zum Beispiel, um das Unternehmen auf einen ökologisch verträglicheren Kurs zu bringen. Kritiker:innen sehen hierbei einen zu großen Eingriff des Staates in die freie Marktwirtschaft oder fürchten gleich, dass Unternehmen quasi verstaatlicht werden. Bisher bleibt es aber bei einer sogenannten stillen Beteiligung.
Mit Kapitalismus hat das dann nicht mehr viel zu tun, oder?
Im Sinne einer freien Marktwirtschaft ist es schwierig, wenn der Staat einzelne Firmen unterstützt – schließlich haben sie dann einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Darauf achtet auch die EU-Kommission, die verhindern will, dass einzelne Mitgliedstaaten ihren Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Prinzipiell müssen Staatshilfen von der EU-Kommission genehmigt werden, um Wettbewerbsverzerrung vorzubeugen.
Die Firmen kriegen Millionen und Milliarden, und viele Selbstständige und kleine Unternehmen kämpfen um ihre Existenz. Ist das nicht unfair?
Das lässt sich so leicht nicht beantworten. Grundsätzlich hilft der Staat kleinen Unternehmen und Selbstständigen in der Corona-Krise sogar mehr als großen Firmen. Viele der Hilfen aus den diversen Töpfen – Soforthilfe, Überbrückungshilfe, Novemberhilfe, Neustarthilfe usw. – sind ganz oder zumindest teilweise Zuschüsse, die nicht wieder zurückgezahlt werden müssen. Die Staatshilfen für Adidas und Co. sind hingegen – wie gesagt – Kredite mit vergleichsweise hohen Zinsen. Das aber bringt den Einzelnen, die bisher noch kein oder nur wenig Geld bekommen haben, nicht viel. Wo Tausende und Millionen gleichzeitig Hilfe beantragen, zugleich aber Betrug vorgebeugt werden soll, fallen leider wohl zwangsläufig einige unverschuldet durchs Raster oder müssen länger warten. Fragt hingegen ein namhaftes Unternehmen einen Millionenkredit an, kann es sich recht sicher sein, dass der Antrag schnell bearbeitet wird. Letztlich lassen sich diese Fälle aber nur bedingt vergleichen.
Titelbild: Getty Images - Heinrich Holtgreve/OSTKREUZ