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Eat Sleep School Fight

In Jakarta ist es Tradition, dass sich Schüler zu Straßenkämpfen verabreden. Oft enden sie tödlich

Straßenkämpfe; Jakarta

Das erste Mal hörte ich 2012 von den Schülerkämpfen in Indonesien. Ich studierte auf der Insel Java Fotografie und lernte nebenher das Tätowieren. Eines Tages kam ein Mann und fragte, ob ich ihm ein Zitat auf den Rücken stechen könne, das dem Serienmörder Jack the Ripper zugeschrieben wird. Ich bat ihn, mir das genauer zu erklären: Einfach so würde ich ihm die Worte nicht für immer auf den Körper schreiben. Zögerlich erzählte er, er sei als Jugendlicher in einen Kampf verwickelt gewesen, nach dem sein bester Freund in seinen Armen starb. Er habe Rache geschworen und später mit Schulfreunden zwei gegnerische Schüler getötet. Das Tattoo habe ich nie gestochen. Aber seine Geschichte und eine neue indonesische Vokabel ließen mich nicht mehr los: Tawuran Pelajar.

Jahre später stehe ich auf einem kleinen Friedhof im Süden der Hauptstadt Jakarta. Ein knallheißer Tag. „Ahmad Andika Bagaskara Bin Asmat“ steht auf dem Grabstein. Geboren am 20.07.1999, gestorben am 14.02.2017. Bagas, wie er von seinen Freunden genannt wurde, war 17, als er starb.

Tawuran Pelajar heißt das Ritual, bei dem in Indonesien regelmäßig Kinder und Jugendliche sterben. Wie viele, erfasst die Polizei nicht offiziell. Allein in Jakarta sollen es jedes Jahr zwischen 50 und 100 Tote sein. Mit selbst gebastelten Sicheln und Schwertern, mit Feuerwerkskörpern und Säure bekämpfen sich Gangs im Namen ihrer Schulen. Die Kämpfe sind mal spontan, mal verabredet und immer öffentlich: neben Autobahnen, in Tunneln und auf den Plätzen, auf denen sich die Jugendlichen zum Abhängen treffen.

Nicht immer wird es brutal: Die Gangs verstecken sich, verfolgen über Instagram, wo ihre Gegner sind, und rennen davon. Die meiste Zeit ist es ein Fangspiel mit Messern, bei dem man viel raucht und wartet, dass etwas passiert.

Viele der Jugendlichen kommen aus armen Familien. Die Straßenkämpfe sind für sie eine Möglichkeit, sich einen Namen zu machen. Es geht um Mut und Männlichkeit, um Freundschaft und Gemeinschaftsgefühl und auch um die Fotos, mit denen man sich später bei Instagram Likes abholt. Die Fehden würden von einer Schülergeneration an die nächste weitergegeben, erzählten mir ehemalige Schüler. Warum genau die Schulen verfeindet sind, weiß schon lange niemand mehr.

Jakarta

Weil die Kämpfe oft nach Prüfungen und Schuljubiläen eskalieren, vermuten Soziologen, dass es den Schülern auch darum geht, Stress abzubauen. Mehrere Kampagnen der Lokalregierungen, um die Kämpfe einzudämmen, blieben erfolglos

Jakarta, Straßenkämpfe

Ibu Yanti mit einem Bild ihres Sohnes

Ibu Yanti mit einem Bild ihres Sohnes. Bagas starb am Valentinstag 2017. Nach seinem Tod ermittelte die Polizei, angeklagt wurde aber niemand

Ian war ein Freund von Bagas

Ian war ein Freund von Bagas. Er sagt: „Ich mag Tawuran, weil wir durch Tawuran herausfinden, wer ein wahrer Freund ist und wer nicht“

 Schülergangs

Ihre Logos designen die Schülergangs selbst. So erkennt man, wer zu wem gehört. Viele tragen die Nummer einer Buslinie: Oft verbünden sich die, die denselben Schulweg haben

Straßenkämpfe

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.