Warum wird so oft von „Feinden“ gesprochen?
Seit der Islamischen Revolution im Iran Ende der 70er-Jahre, im Zuge derer der Schah gestürzt und Ajatollah Chomeini Oberhaupt der neuen „Islamischen Republik“ wurde, wird der Staat von US-amerikanischen Präsidenten als diktatorischer islamischer Staat behandelt. Der ehemalige Präsident George W. Bush bezeichnete ihn einst als Teil der „Achse des Bösen“. Für die iranischen Machthaber wiederum verkörpern die USA den westlichen Imperialismus. Politiker beider Seiten nutzen den jeweils anderen Staat als Symbol der Abschreckung. Sie sehen sich gegenseitig als das Gegenteil von dem, wofür man selbst stehen möchte.
Am 3. Januar eskalierte der jahrzehntealte Konflikt erneut. Qasem Soleimani, einer der wichtigsten iranischen Generäle, wurde von einer US-Drohne im Irak getötet. Er war Kommandeur der Quds-Brigaden, einer von den USA als Terrororganisation eingestuften Elitetruppe. Schon länger hatte man es in Washington auf den „Architekten der iranischen Regionalpolitik“, wie ihn Beobachter nennen, abgesehen. Ob seine Tötung rechtmäßig war oder gegen das Völkerrecht verstößt, ist international umstritten.
USA, Iran, Atomwaffen, Krisen … Schon oft gehört. Womit fing das alles noch mal an?
Vor rund 60 Jahren ermöglichte die US-Regierung dem damaligen Schah Mohammad Reza Pahlavi die Einrichtung eines nuklearen Forschungszentrums an der Universität Teheran und den Betrieb eines Forschungsreaktors. Damit erhielt der Iran erstmals die Möglichkeit, selbst Energie aus Atomkraft herzustellen – und verpflichtete sich in der Vereinbarung mit den USA dazu, diese lediglich für friedliche Zwecke einzusetzen. 2002 kam jedoch heraus, dass unrechtmäßig viel Uran angereichert wurde. Da der Iran damit theoretisch Atomwaffen herstellen konnte, kühlte sich die Beziehung zwischen den beiden Staaten ab. Die USA, selbst Atommacht, und der Westen warfen dem Iran den Bau von Atombomben vor. Irans Regierung hingegen sprach von einem zivilen Charakter des Nuklearprogramms. Es folgten Wirtschaftssanktionen seitens der UN und Jahre zähen Verhandelns.
Als historische Einigung gilt das unter der Obama-Administration 2015 unterzeichnete Atomabkommen zwischen dem Iran und den beteiligten Verhandlungspartnern (die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats: USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, und dazu Deutschland). In dem Abkommen wurde vereinbart, dass die Sanktionen schrittweise ausgesetzt würden, wenn der Iran sein Atomprogramm einschränkt und die Technologie nur zu zivilen Zwecken einsetzt.
Aber warum eskaliert der Konflikt gerade jetzt?
2018 kündigte US-Präsident Donald Trump an, aus dem Atomabkommen auszusteigen, weil es seiner Meinung nach ein schlechter Deal sei. Weiterhin warf er Teheran vor, sich nicht an das Abkommen zu halten; die von ihm angeführten Hinweise sind jedoch umstritten. Seither setzt er auf wirtschaftliche Sanktionen, wie etwa die Einschränkung von Bankgeschäften oder Ölexporten, und hofft, dass der Iran durch „maximalen Druck“ einlenkt.
Sein Kalkül scheint jedoch nicht ganz aufgegangen zu sein: Ende Juni vergangenen Jahres schoss das iranische Militär eine US-Drohne über der Seestraße von Hormus ab. Ein daraufhin von Trump angekündigter Vergeltungsangriff wurde von ihm in letzter Minute gestoppt. Im September schoss der Iran eine amerikanische Drohne im Persischen Golf ab. Außerdem machten die USA den Iran für einen Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien (ein Verbündeter der USA) im September 2019 verantwortlich – und schließlich für Raketenangriffe auf amerikanische Stellungen Ende Dezember im Irak. Das könnte für Trump der Auslöser gewesen sein, Soleimani töten zu lassen. Diese Möglichkeit zog die US-Regierung bereits seit mehreren Jahren in Erwägung.
Wie reagierte die iranische Führung auf das Attentat?
Sie kündigte eine „vernichtende Rache“ an. In der Nacht auf den 8. Januar feuerte der Iran unterschiedlichen Quellen zufolge bis zu 22 Raketen auf zwei Militärstützpunkte mit amerikanischer Truppenpräsenz im Irak. Laut CNN wurden die US-Soldaten vor dem Angriff gewarnt und konnten sich größtenteils in Sicherheit bringen, elf Soldaten wurden verletzt. Am selben Tag wurde am frühen Morgen ein ukrainisches Passagierflugzeug kurz nach dem Start nahe der iranischen Hauptstadt Teheran abgeschossen – alle 176 Insassen kamen dabei ums Leben.
Die iranische Führung schob das Unglück zunächst auf einen Triebwerksausfall. Als die Beweislast drückender wurde, erklärte der Luftwaffenchef drei Tage später, man habe die ukrainische Passagiermaschine versehentlich für einen Marschflugkörper im Anflug auf eine strategisch wichtige Militärbasis gehalten. Man sei in Alarmbereitschaft gewesen wegen der Drohungen seitens der USA, im Falle eines iranischen Vergeltungsanschlags 52 Ziele im Iran anzugreifen. Die vorherige Unaufrichtigkeit der Regierung schürte die angespannte Lage im Iran jedoch, und Tausende Iraner protestierten auf den Straßen.
Wie geht es weiter?
Trotz scharfer Rhetorik scheinen die Parteien keinen offenen Krieg zu wollen – oder sich leisten zu können. Die Spannungen in der Region bleiben jedoch bestehen. Vor allem im Irak wird befürchtet, dass es im Land zu einem Stellvertreterkrieg kommen könnte. Bei dem Luftangriff der USA Anfang des Jahres wurde nicht nur Soleimani getötet, sondern auch der irakische Milizenkommandeur Abu Mahdi al-Muhandis.
Gespannt schaut man auf den 11. Februar: Es ist der für Muslime wichtige 40. Tag nach Soleimanis Tod und gleichzeitig der 41. Jahrestag der Staatsgründung der Islamischen Republik. Ein weiteres wichtiges Ereignis sind die iranischen Parlamentswahlen am 21. Februar. Sie gelten als richtungweisend für die weitere Entwicklung des von Protesten und Unruhen gezeichneten Landes. Der Iran ist einer der rohstoffreichsten Staaten der Welt, trotzdem geht es den Menschen wirtschaftlich schlecht. „Die Menschen haben verstanden, dass ihr Feind zu Hause sitzt“, sagt ein iranischer Journalist im Interview. Die führenden Eliten können die USA immer weniger für die Probleme, mit denen Iraner zu kämpfen haben, verantwortlich machen.
Und in den USA? Dort finden im November Präsidentschaftswahlen statt. Donald Trump steht wegen eines Impeachment-Verfahrens und dem Wahlversprechen, dass sich die USA aus dem Nahen Osten zurückziehen würden, unter Druck. Sicher ist: Was auch immer bei der Wahl in dem einen Land passiert, hat Auswirkungen auf das jeweils andere.
Welchen Einfluss hat der Iran auf die Region? Das liest du auf bpb.de
Titelbild: imago images / ZUMA Press