Dass Science-Fiction die Zukunft vorhersagen will, ist ein verbreitetes Missverständnis. Zwar erzählt das Genre die Folgen von technischen oder sozialen Neuerungen. An seinen Romanen, Filmen, Mangas oder Games orientieren sich aber wiederum Forschende, die nach Wegen in die Zukunft suchen.
Schon 1969, als „Apollo 11“ die ersten Menschen auf dem Mond abgesetzt hatte, schien eine uralte Science-Fiction-Idee Wirklichkeit geworden. Weitere folgten, mittlerweile sind selbstfahrende Autos und Lieferdrohnen unterwegs, und Flugtaxis und Hyperloopzüge werden getestet. Welche Verkehrsutopien hat die Science-Fiction noch erdacht?
Förderbänder auf dem Mond
Fangen wir klein an: Sich selbst bewegende Fußwege und Straßen tauchen früh in Science-Fiction-Erzählungen auf. Schon 1899 fantasiert der britische Science-Fiction-Pionier H. G. Wells in seinem Roman „When the Sleeper Wakes“ von einer fast 100 Meter breiten Straße mit Sitzen darauf, die sich so schnell fortbewegt wie ein Expresszug. Sogar kleine Kioske fahren mit.
Mit den Jahrzehnten lassen Autoren (Science-Fiction-Autorinnen waren lange selten) wie Robert A. Heinlein oder Isaac Asimov die automatischen Fahrsteige über Mond und Mars sausen. Im realen Paris war die Idee derweil schon ein Jahr nach Wells’ Vision wahr geworden: Zur Weltausstellung 1900 transportierte eine „Straße der Zukunft“ Besucher rund um das Ausstellungsgelände.
Fahrstühle nach oben und nach unten
Am gleichen Ort zur gleichen Zeit, 1895 in Paris. Der russische Erfinder Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski grübelte schon länger über die physikalischen Herausforderungen bei der Erkundung des Weltalls, als ihm angesichts des Eiffelturms die Idee für einen Weltraumlift kommt: ein Fahrstuhl, der Mensch und Material über ein Zehntausende Kilometer langes Kabel hinauftransportiert.
Das Verbindungsseil würde von der Schwerkraft einerseits und der Zentrifugalkraft durch die Erddrehung andererseits in der Schwebe gehalten, dachte sich Ziolkowski. Bekannter wurde die Idee in den 1970er-Jahren, als sie Arthur C. Clarke in seinem preisgekrönten Roman „The Fountains of Paradise“ (deutsch: „Fahrstuhl zu den Sternen“) aufnahm.
Inzwischen arbeiten Forschende im International Space Elevator Consortium ernsthaft an solchen Lifts, und die Europäische Raumfahrtagentur ESA veranstaltete bereits einen Künstlerwettbewerb dazu. Schließlich würde ein Fahrstuhl zu einer Raumstation nur einen Bruchteil des Geldes und der Emissionen kosten, die für einen Raketenstart fällig werden.
Und ein Fahrstuhl könnte auch nach unten fahren. Ganz nach unten, so wie im Remake des Science-Fiction-Filmklassikers „Total Recall“ von 2012. In dem saust ein 30-stöckiger Riesenfahrstuhl in nur wenigen Minuten aus Großbritannien quer durch die Erde nach Australien.
Hyper- und Warp-Antriebe
Bei Reisen zwischen den Sternen sind gigantische Entfernungen zu überwinden. Hohe Geschwindigkeiten würden dabei helfen, nur ist Albert Einsteins Relativitätstheorie leider unnachgiebig: Weil der Raum eng mit der Zeit verwoben ist, kann kein Objekt schneller sein als das Licht.
Dieser Text ist im fluter Nr. 92 „Verkehr“ erschienen
Kein Wunder, dass die Science-Fiction allerhand Überlichtantriebe erfunden hat. Bei „Star Wars“ gibt es einen Hyperantrieb, die Buchreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ kennt einen unendlichen Unwahrscheinlichkeitsantrieb, in der Animationsserie „Futurama“ düsen sie mit Dunkle-Materie-Antrieb herum.
Sie alle versetzen Raumschiffe in ominöse Parallelräume oder andere Zustände, in denen Einstein nichts zu melden hat. Der Warp-Antrieb aus „Star Trek“ aber dreht den Spieß gleich ganz um: Er lässt das Schiff stillstehen und bewegt den Raum selbst, indem er die Materie vor dem Raumschiff komprimiert und die dahinter ausdehnt.
Die Gilde-Navigatoren der „Dune“-Reihe manövrieren Schiffe derweil in einem Wimpernschlag durch gefalteten Raum an jeden Punkt des Universums. Aber nur, weil sie raue Mengen der Droge Spice konsumieren. Nicht gerade ein Vorbild für die Wirklichkeit. Zumal solche Antriebe Unmengen negativer Energie bräuchten, die bisher nur theoretisch erzeugt wurde.
Kurze Wege durch Portale und Wurmlöcher
Ebenfalls mit dem Raum-Zeit-Falten arbeiten Sternenportale. Die meisten funktionieren nach dem Prinzip der „Einstein-Rosen-Brücke“, besser bekannt als Wurmloch. Die Physiker Albert Einstein und Nathan Rosen mutmaßten 1935, dass Orte mit extremer Anziehungskraft wie schwarze Löcher miteinander verbunden sein könnten. Eine Offenbarung für Science-Fiction-Autoren, die Menschen und Raumschiffe schnell durch das Universum bringen wollen.
Der Astrophysiker Carl Sagan schickte 1985 in seinem Roman „Contact“ eine Kapsel mit einem Menschen durch ein mit Alien-Technologie errichtetes Portal. Mit „Stargate“ basiert gleich ein ganzes Erzählungsuniversum auf einer solchen Verbindung durch außerirdische Technologie. Und im Film „Event Horizon“ (1997) erzeugt das gleichnamige Raumschiff selbst ein künstliches Wurmloch – das unsere Realität unschönerweise mit einem Horroruniversum verbindet.
Eine Telefonzelle durch Raum und Zeit
Verglichen damit reist der mysteriöse Zeitreisende aus der britischen Endlosfernsehserie „Doctor Who“ unglamourös: Sein Verkehrsmittel sieht aus wie eins der blauen Polizei-Notrufhäuschen, die früher zuhauf in Großbritannien herumstanden. Die Box ist nur Tarnung, das Häuschen ist eine Hightechmaschine, die durch Raum und Zeit reist. Und zwar schnell, sehr schnell, nach Expertenschätzung erreicht sie 10.000.000.000.000.000-fache Lichtgeschwindigkeit. Komfortabel ist sie trotzdem: Weil Innen und Außen der Kapsel in verschiedenen Dimensionen existieren, beherbergt sie unter anderem einen Wohnbereich, eine Bibliothek, ein Badezimmer mit Swimmingpool und eine Kunstgalerie. Klingt doch nach einem Verkehrsmittel der Zukunft.
Titelbild: Peter Menzel/Agentur Focus