Der deutsche Steinkohleabbau begann im frühen Mittelalter. Der Legende nach fand ein junger Hirte die erste Kohle: Er entfachte ein Feuer, das nach langer Zeit noch immer glühte. Aus dem Jahr 1302 stammt das erste Dokument, das Bauern das Recht erteilt, an der Ruhr bei Dortmund Steinkohle zu brechen.
Der industrielle Abbau begann Ende des 19. Jahrhunderts und hatte seine Hoch-Zeit in den frühen 1950er-Jahren. Damals gab es um die 600.000 Kumpels, das Ruhrgebiet war das „schwarze Herz“ Deutschlands.
So begann das politische Umdenken
Ende der 50er-Jahre führen der Verfall des Kohlepreises und billiges Erdöl als neue Energiequelle zu einer Krise im Ruhrgebiet. Hier wird der Abbau nun zu teuer. Auf die Entlassungswellen folgen Proteste und landesweite Solidarität mit den Kumpels. Doch der Niedergang der Steinkohleindustrie ist nicht aufzuhalten: Zechen schließen, und im Ruhrgebiet wandelt sich alles. Eine neue Struktur aus Universitätsstädten, Kulturinstitutionen und pragmatischem Mittelstand entsteht.
Ab den 60er-Jahren trägt ein allmählich aufkeimendes umweltpolitisches Denken seinen Teil zum Strukturwandel in der Region bei: „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden“, fordert 1961 der SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt. Die Folgen der grauen Rauchschwaden aus den Schornsteinen waren deutlich sichtbar, schrieb damals der „Spiegel“: „… von säurehaltigen Abgasen und Ammon-Salpeterstaub verbrannte Wiesen und Äcker, verdorrende Bäume und Sträucher, vom Rost zerfressene Zäune und Mauerwerk …“
Diese Spuren hinterlässt der Steinkohleabbau
Der deutsche Steinkohlebergbau stand zu dieser Zeit vor zwei großen Aufgaben: den entlassenen Bergarbeitern neue Jobs zu beschaffen und die sogenannten Ewigkeitsaufgaben zu organisieren, wie zum Beispiel die Schachtpflege. Im November 1968 schlossen sich deswegen fast alle deutschen Bergbaubetriebe zur sogenannten „Ruhrkohle“ zusammen. Mittlerweile umbenannt in RAG Aktiengesellschaft, kümmert sich deren Stiftung um die Finanzierung der Ewigkeitsaufgaben, sie betreibt aber auch einen „weißen Bereich“ (also Nicht-Steinkohlesparten wie Chemie, Immobilien und Energie).
Es drohen Überschwemmungen, die Stollen laufen voll mit Grubenwasser
Der Bergbau hat im Ruhrgebiet Spuren in der Umwelt hinterlassen, die nicht einfach beseitigt werden können: Es drohen Überschwemmungen, und auch von unten bereitet Wasser Probleme: In die Stollen dringt vor allem Grubenwasser ein. Sammelt sich in den ehemaligen Abbautunneln das Wasser, läuft der Schacht nach und nach voll. Der Boden weicht auf, und das Wasser selbst ist meist stark belastet und sauer. Es enthält die Chemikalie PCB, die früher in den Bergbaumaschinen als Hydrauliköl verwendet wurde. Sie steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Vermischt sie sich in höheren Schichten mit Grundwasser, wird das als Trinkwasser unbrauchbar.
Im Moment wird das Grubenwasser in einer Tiefe von 1100 Metern abgepumpt und in die Flüsse geleitet. Nach Ende des Bergbaus will RAG das Wasser auf 600 Meter ansteigen lassen, das Grubenwasser soll dem Trinkwasser dabei aber nicht näher als 150 Meter kommen. Umweltschützer und Anwohner halten diesen Abstand für zu gering. Sie befürchten, dass das Trinkwasser verunreinigt wird.
Der lange Kampf der Bergmänner für ihre Rechte und die durch sie begründeten Gewerkschaften spielten eine große Rolle in der Entstehung des Sozialstaats Ende des 19. Jahrhunderts. Ab Ende der 1960er-Jahre wurde der Steinkohleabbau jahrzehntelang staatlich subventioniert. Politik und RAG versuchten, die Übergänge für die Arbeiter leichter zu gestalten, und finanzierten neue Ausbildungsberufe. Nicht allen gelang der Umstieg, einige ehemalige Bergmänner fühlen sich im Stich gelassen.
Ein sozialverträgliches Ende?
Das Ende der staatlichen Subventionen wurde 2007 beschlossen, seitdem wissen alle, dass ab dem 21.12.2018 für die Steinkohle überall und endgültig „Schicht im Schacht“ ist.
Die bis zuletzt verbliebenen Kumpels sind ca. 1.600 Arbeiter von Prosper-Haniel. Bergmänner sind qualifizierte Fachkräfte. Einen neuen Job zu finden in der engmaschigen Industriestruktur in NRW kann gelingen. Auch denen, die nicht zu den spezialisierten gehören. Im Bergbau gab es auch die einfachen Mitarbeiter. Manche haben schon Anschlussverträge bei der Feuerwehr oder der Bahn. Zwar gibt es im Ruhrgebiet die fünfthöchste Arbeitslosenquote Deutschlands, die letzten Bergmänner bekommen aber Unterstützung von der RAG: „Mitarbeiter, die nicht im Zuge des Auslaufs des Steinkohlebergbaus in den Ruhestand wechseln können, oder jene, die nicht für die Zukunftsaufgaben benötigt werden, werden in neue Arbeitsverhältnisse vermittelt.“ Bis zum Ende unbefristet Beschäftigte erhalten zudem Abfindungen.
Ganz vorbei ist es in Deutschland mit der Kohle noch nicht
Das Ende des Steinkohleabbaus ist ein emotionaler Schritt für viele Menschen im Ruhrgebiet. Das verdeutlicht die Aktion des WDR #lichtbeidernacht: Bewohner sollen in einer Mitmachaktion die Bergmänner verabschieden, indem sie eine Schablone ausdrucken, die Umrisse des Förderturms ausschneiden und am 21. Dezember in ihr beleuchtetes Fenster hängen.
Ganz Schluss mit der Kohle ist in Deutschland aber noch nicht. In Berlin diskutiert die sogenannte Kohlekommission darüber, wann der Abbau von Braunkohle enden soll (dass er enden soll, steht fest) und wie die betroffenen Regionen dafür entschädigt werden könnten. Braunkohle gilt als klimaschädlich, sorgt aber aktuell noch für ca. 20.000 Jobs.
Weiterführende Links:
Die zweiteilige Dokumentation "Steinkohle – Das Ende einer Ära" ist bei Arte zu sehen.
Wie wir die Folgen des Bergbaus bewältigen, sieht man hier, Auskunft zum Wasserproblem gibt diese Studie.
Außerdem veröffentlichte die bpb Dossiers zum Abschied vom Steinkohle-Bergbau und zur Verteilung der nachgewiesenen Kohle-Reserven.
Titelbild: Rene Burri / Magnum Photos / Agentur Focus