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Mal nicht so aggro!

Männer zetteln Kriege an, Frauen eher nicht. Ist das schon diese feministische Außenpolitik, von der gerade viel die Rede ist? Einige Länder, darunter Deutschland, wollen darauf eine Antwort

Die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher schaut aus einem Panzer

Ein einziges Mal kommt das Wort Feminismus im Koalitionsvertrag vor: Deutschland, so steht da, wolle „im Sinne einer feministischen Außenpolitik“ agieren. Feministische Außenpolitik – eine Bezeichnung, die im Gedächtnis bleibt. Aber was soll das eigentlich bedeuten? Reicht es dafür schon, dass die derzeitige Außenministerin mit Annalena Baerbock eine Frau ist?

Der Begriff „feministische Außenpolitik“ wurde 2014 durch die damalige schwedische Außenministerin Margot Wallström geprägt. Die Idee dahinter: Geschlechtergerechtigkeit soll Voraussetzung für Frieden und Sicherheit weltweit sein. In der internationalen Politik sollen mehr Frauen mitmischen und bislang ungehörte Stimmen besser berücksichtigt werden. Nach Schweden haben sich Länder wie Kanada, Frankreich, Luxemburg, Mexiko, Spanien, Libyen und zuletzt auch Deutschland diesem Politikwechsel angeschlossen.

Mehr Diversität am Verhandlungstisch sorgt nachweislich für bessere Ergebnisse

„3R+D“, so heißt die Formel, die das Auswärtige Amt in Deutschland dazu nennt. 3R steht für die Förderung der Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen, ihrer Repräsentation und ihrer Ressourcen. Das D steht für Diversität. Und das klingt tatsächlich nach Change, schließlich geht es in der Außenpolitik seltener, als man es sich wünschen würde, um humanitäre Fragen, sondern häufig darum, wie man Kriege und militärische Bündnisse, Handelsverträge, Strategien und Geopolitik gewinnbringend nutzen kann. Die Gleichstellung einzelner Gruppen stand bisher weniger im Vordergrund, vielleicht weil sie Männer im Alltag weniger oft betrifft als Frauen.

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Eine feministische Außenpolitik soll also den Blick auf die Welt verändern. Wie sie konkret umgesetzt wird, lässt sich bisher nicht so leicht sagen. Es gibt nicht die eine feministische Außenpolitik. Aber es passt gut ins Bild, dass Schweden nur wenige Monate nach Wallströms Amtsantritt einen millionenschweren Vertrag über eine militärische Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien aufkündigte, von der auch schwedische Firmen profitierten. Zuvor hatte Wallström die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien öffentlich kritisiert.

Die schwedische Regierung hat mit ihrer feministischen Außenpolitik in Konfliktregionen den Blick auf die Menschenrechtslage gelenkt – und auf die Einflussmöglichkeiten von Frauen auf politische Entscheidungen. Schließlich gehört zur feministischen Außenpolitik mehr Repräsentation – also beispielsweise mehr Frauen als Botschafterinnen zu entsenden und erst recht an die Verhandlungstische von internationalen Konflikten zu bringen.

Diese Absicht wurde bereits im Jahr 2000 in der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats einstimmig verabschiedet, die als Meilenstein auf dem Weg zu einer feministischen Außenpolitik gilt. Bei Friedensverhandlungen bisher jedoch noch ohne Erfolg: Zwischen 1992 und 2019 lag der Anteil der Frauen in verhandlungsführenden Rollen bei durchschnittlich gerade einmal 13 Prozent. Dabei gibt es inzwischen eine Untersuchung der Vereinten Nationen, dass sich die Chance, dass ein Friedensabkommen länger als zwei Jahre hält, um 20 Prozent erhöht, wenn Frauen mitverhandeln.

Frauen sind von Kriegen anders betroffen als Männer

Dabei gilt wie in allen Bereichen: Am effektivsten lassen sich die Bedürfnisse von einzelnen Gruppen erkennen, wenn sie selbst zu Wort kommen. Während Männer in Kriegen und Konflikten häufig direkt an der Front kämpfen, sind Frauen auf andere – und oft weniger sichtbare – Weise betroffen: Sie müssen beispielsweise unter höchstem persönlichen Risiko die Verantwortung für Kinder und Alte übernehmen, werden vertrieben und müssen fliehen. Sie sind außerdem auch der Gefahr von sexualisierter Gewalt und Vergewaltigungenausgesetzt, die Armeen oft systematisch als Kriegsstrategie einsetzen. Auch die schlechtere medizinische Versorgungslage, etwa für schwangere Frauen, ist in Kriegsgebieten ein zusätzliches Risiko. Diese Gefahren, denen Frauen in solchen Regionen tagtäglich ausgesetzt sind und deren Konsequenzen oftmals über das Kriegsende hinweg nachwirken, werden bei Friedensverhandlungen heute häufig noch nicht mitgedacht.

Einige Vertreterinnen der feministischen Außenpolitik gehen noch weiter. Sie verlangen eine Abkehr vom sogenannten „Realismus“: Diese politische Weltsicht geht davon aus, dass jeder Staat auf sich allein gestellt ist und Stärke aufbauen und demonstrieren muss, um international gut dazustehen. Auch Rüstungsexporte seien daher kaum mit einer feministischen Agenda vereinbar. Diese Position wird gerade angesichts Russlands Angriff auf die Ukraine kontrovers diskutiert. Und auch sonst muss sich erst zeigen, wie sich feministische Perspektiven auf die reale Politik übertragen lassen: Würde Deutschland beispielsweise die Beziehungen zu allen Staaten, die wenig auf Frauenrechte geben, aus Prinzip einstellen, hätte es ziemlich wenige Gesprächspartner auf der Welt.

Ausgerechnet in Schweden, dem Geburtsland der feministischen Außenpolitik, wurde das Konzept von der neuen Regierung im Oktober 2022 gekippt. Begründung: Es sei nur ein Etikett, und solche Etiketten hätten die Tendenz, den „Inhalt zu verschleiern“.

Titelbild: Jockel Fink/Associated Press/picture alliance

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