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Der One Night Stand als Horrorfilm

Die Kurzgeschichte „Cat Person“ ging 2017 viral, sie handelt von Dating, Einvernehmlichkeit und der Gefahr, die von gekränkten Männern ausgehen kann. Die Kinoversion spinnt den Stoff noch weiter – keine gute Idee!

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Catperson

Am Anfang dieses Films steht ein Zitat, das der Girl-Meets-Boy-Story, um die es hier gehen wird, eine bedrohliche Schwere gibt. „Männer haben Angst, dass Frauen sie auslachen. Frauen haben Angst, dass Männer sie töten.“ Die zwei Sätze stammen von der Schriftstellerin Margaret Atwood, bekannt unter anderem für den feministischen Roman „The Handmaid’s Tale“.

Wenn in „Cat Person“ also die 20-jährige Margot den mehr als zehn Jahre älteren Robert nach einem eher verkorksten Date nach Hause begleitet, fühlt es sich an wie in einem Horrorfilm, in dem eine Figur allein in den Wald geht. „Tu es nicht!“, will man Margot zurufen. Zu dem Zeitpunkt weiß sie schon, dass Robert „schockierend schlecht“ küsst und selbstverliebte Monologe über „Star Wars“ hält. Es kommen noch andere red flags hinzu: „Keine Angst“, sagt er im Scherz, „ich werd dich schon nicht umbringen.“

Sprachlosigkeit statt Einvernehmlichkeit

Unheimliche Schauplätze, subjektive Einstellungen und ein düsterer Soundtrack: Der Film von Susanna Fogel nutzt die Mittel des Horrorfilms, um einer One-Night-Stand-Erfahrung ein Gefühl des Ekels und der Angst zu verleihen. In seinen Textnachrichten wirkte Robert zuvor nett, witzig, sensibel. Die beiden haben sich in einem Arthouse-Kino kennengelernt, wo Margot neben dem Studium an der Snackbar arbeitet. Mehrere Wochen lang hat sie mit ihm geschrieben – über Filme, Familie, Katzen – und ein Gefühl der Vertrautheit aufgebaut. Nun liegt er auf ihr drauf, benutzt Pornosprache und nestelt ungeschickt an ihrem BH herum, während sie sich eine zweite Margot neben dem Bett vorstellt, die fragt: „Wollen wir das wirklich?“

Zu Beginn des Abends wollte sie. Statt jetzt zu sagen, dass sie keine Lust mehr hat, entscheidet sich Margot, dass es einfacher und ungefährlicher ist, den Sex mit Robert einfach durchzustehen. Diese bitter-alltägliche, dezidiert aus Frauenperspektive inszenierte Szene ist äußerst unangenehm anzuschauen. Und genau das ist der Kern der literarischen Vorlage von „Cat Person“.

Tamara (Geraldine Viswanathan) und Margot (Emilia Jones)

Tamara (Geraldine Viswanathan) und Margot (Emilia Jones)

Die Kurzgeschichte der US-Schriftstellerin Kristen Roupenian erschien 2017 im Magazin „New Yorker“ und wurde zu einem Internetphänomen. Wenige Wochen zuvor hatten US-Medien enthüllt, dass der Filmproduzent Harvey Weinstein jahrzehntelang Schauspielerinnen sexualisiert belästigt und vergewaltigt hatte. Anders als bei den prominenten #MeToo-Fällen schilderte „Cat Person“ aber keine strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt, sondern rechtliche und kommunikative Graubereiche. Unzählige Frauen und nichtbinäre Personen fanden sich darin wieder und teilten online ähnliche Dating-Erfahrungen.

Vermeintlich konsensuellen, aber eigentlich ungewünschten Sex: Das erleben viele Frauen, in Beziehungen ebenso wie beim Dating. Roupenians „Cat Person“ war ein Beitrag in einer Debatte, in der es darum ging, das Verständnis von Consent zu überdenken. Die Verfilmung macht nun expliziter als die Vorlage, dass das Problem hier in der Nichtkommunikation liegt: So hat Robert die unausgesprochene Erwartung, dass Margot mit ihm schlafen und sogar eine Beziehung anfangen will – obwohl sie beides nie gesagt hat. Ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern, traut sie sich wiederum nicht. „Words are very unnecessary / they can only do harm“, kommentiert der Depeche-Mode-Song „Enjoy the Silence“ die Szene auf dem Soundtrack.

 

Nach der Regel „No Means No“, die in einigen Ländern als Gesetzesgrundlage für Einvernehmen beim Sex gilt, macht Robert rechtlich nichts falsch. Müsste er wissen, dass sie sich unwohl fühlt? So lustlos-passiv, wie die Schauspielerin Emilia Jones Margot in dieser Szene spielt, scheint das ziemlich offensichtlich. Nicholas Braun (bekannt aus der Serie „Succession“) ist eine gute Besetzung für einen erst mal harmlos wirkenden Typen, der ständig „sorry“ sagt, aber mit seiner Ignoranz dann doch gefährlich erscheint. Würden beide Figuren überzeugt sein, dass nur „Yes Means Yes“ echte Zustimmung bedeutet, ginge Margot an dieser Stelle wohl nach Hause.

Männlichen Zuschauern wird es leichtgemacht

 

Zu Beginn bleiben Regisseurin Susanna Fogel und ihre Drehbuchautorin Michelle Ashford der literarischen Vorlage relativ treu. Das Problem ist, dass die beiden dem Stoff offenbar nicht zutrauen, einen Spielfilm zu tragen. Bei der Adaption einer Kurzgeschichte werden natürlich meistens Figuren und Plotlines ausgebaut. Aber in diesem Fall führt die Bearbeitung weg vom Kern, der Roupenians Werk so erfolgreich machte.

Ohne zu spoilern, lässt sich sagen, dass Robert in der zweiten Hälfte eine Wandlung durchmacht und sich nach der Zurückweisung durch Margot ziemlich creepy verhält. Der Film verhandelt nun doch strafrechtlich relevante Dinge und setzt noch stärker auf Horrorgenre-Elemente. Was er so an Spannung gewinnt, verliert er an Allgemeingültigkeit. Am Beispiel eines „normalen Typen“ hätten auch männliche Zuschauer eigene Verhaltensweisen beim Dating reflektieren können; am Beispiel einer psychisch auffälligen Täterfigur eher nicht. Eine Chance, die der Film – im Vergleich zur Vorlage – leider liegen lässt.

„Cat Person“ läuft ab dem 16. November in den deutschen Kinos.

Fotos: Studiocanal 

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.