Dass Frischverliebte ganz besonders ticken, ist ja bekannt, und der dafür verantwortliche Hormoncocktail wurde bereits ausgiebig erforscht und analysiert: Insbesondere Dopamin, Serotonin, Adrenalin und Testosteron sorgen demnach für emotionale Ausnahmezustände. Das Wissen über die Chemie der Freundschaft fällt dagegen etwas bescheidener aus. Was reichlich ungerecht ist, denn anders als ein flüchtiger Ausnahmezustand begleitet uns die Freundschaft im besten Falle kontinuierlich durchs Leben, vom Sandkasten bis ins Altersheim.
Das Freundschafts-Hormon
Die gute Nachricht: Die Forschung hat diesen Rückstand in den letzten Jahren etwas aufgeholt. Das chemische Zauberwort dabei lautet: Oxytocin. Zwar ist Oxytocin ebenfalls an der romantischen Liebe beteiligt, es spielt dort aber eine eher ausgleichende und stabilisierende Rolle inmitten des bekannten Haufens turbulenzfördernder Kollegen. Oxytocin gilt als das Bindungshormon. Dass es während der Geburt und des Stillens ausgeschüttet wird und für ein inniges Mutter-Kind-Verhältnis sorgt, ist schon länger bekannt.
Nun kommt die Wissenschaft dem Hormon auch in seiner Bedeutung für Freundschaften und unseren Umgang mit Menschen ganz allgemein auf die Schliche. Es sorgt für angenehme Gefühle, wenn Menschen, die sich mögen, zusammen sind. Und sogar bei Hundehaltern steigt der Oxytocinspiegel, während sie mit den Vierbeinern kuscheln, und zwar ganz besonders, wenn sich Tier und Mensch dabei intensiv in die Augen sehen. Oxytocin begünstigt Freundschaften, die wiederum die Ausschüttung von Oxytocin steigern. Eine runde Sache also, bei der man Ursache und Wirkung nicht immer klar auseinanderhalten kann.
Umgekehrt mindert Oxytocin offenbar auch sozialen Stress. Schließlich haben wir es nicht immer nur mit Leuten zu tun, die wir mögen. Wer durch seine Freundschaften ein hohes Oxytocinlevel aufrechterhält, kann zwischendrin auch unangenehme soziale Situationen leichter bewältigen und ist damit weniger anfällig für Stresssymptome wie Depressionen, Burnout oder Magenprobleme. Kein Wunder also, dass Freundschaften immens wichtig sind fürs allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit.
Wer gesund sein will, muss freundlich sein
Studien haben Zusammenhänge zwischen dem Sozialleben von Menschen und Biomarkern wie Blutdruck, Diabetes, Übergewicht und Entzündungswerten im Körper festgestellt. Diejenigen mit funktionierendem Freundeskreis schnitten bei allen Werten besser ab als eher isolierte Personen. Das wirkt sich letztendlich auch auf die Lebenserwartung aus: Manche Forscher sagen sogar, dass Freundschaften für ein langes Leben noch wichtiger sind als eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung.
Ein interessanter Nebenaspekt dabei ist unser Mikrobiom. Das sind die Bakterien, die unseren Darm, aber zum Beispiel auch Haut und Schleimhäute besiedeln. Ein erwachsener Mensch beherbergt Billionen solcher Mikroben. Ihre Zahl und Zusammensetzung bestimmen unser körperliches und psychisches Befinden maßgeblich mit, zum Beispiel, indem sie die Produktion von Hormonen beeinflussen –wie etwa Oxytocin. Entscheidend geprägt wird das Mikrobiom durch den sozialen Umgang mit Menschen (oder auch Tieren). Und der Austausch körperlicher Nähe funktioniert bekanntlich nur analog. Denn unsere altmodischen Mikroben reisen weder per Telefon noch via WhatsApp oder Instagram. Also: Meet and greet your friends
Titelbild: Stephan Lucka