„Spaß bei der Arbeit kann ein Wettbewerbsvorteil sein“: Mit diesem Versprechen eröffnen die Autoren Adrian Gostick und Scott Christopher ihr Ratgeberbuch „The Levity Effect: Why It Pays to Lighten Up“. „Wenn Manager mit Humor führen“, heißt es da, „wirkt sich das positiv auf die Leistung ihrer Mitarbeiter und auf den eigenen Erfolg aus“.
Sind Leute, die lustig sind, also auch erfolgreicher?
Wissenschaftlich belegt ist bisher zumindest, dass Witze dazu beitragen können, Harmonie zu verbreiten. Die Arbeits- und Organisationspsychologin Tabea Scheel beschreibt Humor deshalb als möglichen „sozialen Schmierstoff“, dessen Funktionsweisen evolutionär verankert sind. Im humorigen Miteinander fühlen wir uns einander näher und sind uns sympathischer, der Zusammenhalt ist stärker. Denn Lachen steckt an und wenn innerhalb einer Gruppe alle ähnlich gestimmt sind, dann funktioniert sie besser. Humor kann aber nicht nur der Gemeinschaft nutzen, sondern auch dem Individuum. Einen Witz zu erzählen, signalisiert in der Regel Souveränität und Verständnis für die Situation.
Frauen können sich die Karriere buchstäblich verscherzen
Humorvolles Verhalten wirkt sich also oft positiv auf den Status der Person aus, die sich witzig gibt: In vielen Fällen kann Humor, der von den Adressat:innen geteilt und in einer für sie angemessenen Situation vorgebracht wird, eine Person attraktiver oder mächtiger erscheinen lassen – ganz getreu dem „Levity Effect“.
Kann – denn die Wirkkraft von Humor ist einigermaßen ungleich verteilt.
Heiterlesen
Hier lest ihr, wieso Humor nicht nur sozialer, sondern auch emotionaler Schmierstoff ist
Eine Studie von Forscher:innen der University of Arizona und der University of Colorado Boulder aus dem Jahr 2019 hat ergeben, dass die Wirkung eines Witzes weniger von seiner Pointe oder seinem Timing abhängt, sondern vor allem von der „Humorquelle“, also der Person, die den Witz erzählt – und genauer: von ihrem Geschlecht. Dafür wurde untersucht, wie sich humorvolles Verhalten von Männern im Vergleich zu dem von Frauen* auf ihre Reputation und damit ihren Status am Arbeitsplatz auswirkt.
Der Stand der Forschung war bis dato: Humor kann im beruflichen Kontext generell funktional, also positiv, oder störend und damit negativ anschlagen – zum Beispiel, wenn ein Witz als sozial inakzeptabel gilt oder schlicht nicht verstanden wird.
Für ein Experiment im Rahmen der Studie wurde den Teilnehmer:innen jeweils das Video zweier Personen namens Sam gezeigt, die eine Präsentation über eine Geschäftsfiliale halten, die sie leiten: In dem einen Video wird Sam von einer Frau gespielt, in dem anderen von einem Mann. Bevor sie jedes Video sahen, wurde den Teilnehmer:innen jeweils ein Lebenslauf vorgelegt.
Bei identischen Witzen empfanden Testpersonen Männer als lustig und Frauen als störend
Aus dem ging hervor, dass es sich sowohl beim männlichen als auch bei der weiblichen Sam um eine talentierte, erfolgreiche Führungskraft mit Erfahrung in der Leitung eines Bekleidungsgeschäftes handelte. Nach der Sichtung der Videos wurden die Teilnehmer:innen angewiesen, den Humor des Mannes und den Humor der Frau während der Präsentation auf seine gewinnbringenden oder seine störenden Aspekte hin zu bewerten.
Das Ergebnis war eindeutig: Obwohl der männliche und die weibliche Sam dieselben Witze erzählten und sich die Präsentation im Grundsatz nicht voneinander unterschied, wurde der Humor des Mannes als funktional – also positiv – bewertet, während der Humor der Frau als störend empfunden wurde.
„Das ist ein beunruhigendes Ergebnis“, sagt Jonathan Blair Evans, einer der Autoren der Studie. Für ihn wäre es schon bemerkenswert gewesen, wenn die Filialleiterin nicht denselben Nutzen aus ihren Witzen gezogen hätte wie der Filialleiter. Dass der Humor der Frau ihrem Status sogar schadete, sei alarmierend, findet Evans.
Humor sei evolutionär ein Indikator für Intelligenz, meinen die einen
In einem zweiten Experiment ließen die Wissenschaftler:innen die Teilnehmer:innen der Studie die Führungsqualitäten der beiden Sams bewerten. Kriterien waren beispielsweise Intelligenz, Selbstvertrauen, Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit. Auch hier war das Ergebnis eindeutig: Das Potenzial von Frauen, am Arbeitsplatz gut an- und in ihrer Karriere voranzukommen, kann durch den Einsatz von Humor beeinträchtigt werden. Weibliche Führungskräfte, die Witze machen, können demnach Gefahr laufen, ihre Souveränität einzubüßen und so ihre Chancen auf beruflichen Aufstieg zu gefährden.
Aber woran liegt das?
Für die unterschiedliche Wahrnehmung von Humor bei Männern und Frauen gibt es zwei Begründungslinien, sagt Tabea Scheel. Einerseits gehe es um Fragen der Evolution: Humor gilt laut Scheel als „Fitnessindikator“ für die Intelligenz einer Person. So sei es evolutionär verankert, dass Frauen neben anderen Genen auch eher die Humor-Gene ihres potenziellen Partners checkten als andersherum. In diesem Sinne würde von Männern seit jeher stärker als von Frauen eingefordert, lustig zu sein – auch, wenn das heute nicht mehr in eine aufgeklärte Gesellschaft passt.
Dieser evolutionäre Ansatz ist wissenschaftlich jedoch umstritten. Nicht wenige Wissenschaftler:innen sind der Meinung, dass diese evolutionäre Argumentation auf vereinfachten biologischen Annahmen baut, die für die heutige Zeit nicht belegbar sind und allein dazu dienen, soziale Unterschiede mit dem Argument, dass sie „natürlich“ seien, zu zementieren.
Witze passen schlicht nicht zur Geschlechterolle der Frau, meinen andere
Die andere, entscheidendere Linie sei laut Scheel deshalb auch die der Sozialisation, über die wir lernen, was angemessen ist. Männer bekleiden im Schnitt höhere Positionen als Frauen und übernehmen damit automatisch auch die „Witzhoheit“. Das weibliche Geschlecht gilt dagegen – stereotypisch gedacht – als das Geschlecht, das sich um andere kümmert und emotionale Arbeit leistet, sich also möglichst bescheiden und höflich im Hintergrund hält. Da passt es nicht, sich durch einen Witz in den Vordergrund zu spielen.
Trotzdem könne man mitnichten behaupten, dass Männer den Humor für sich gepachtet hätten, so Scheel. Er wird stattdessen einfach häufig genderspezifisch gelesen. So gelten Männer zwar in den Augen mancher Menschen als lustiger, wenn es darum geht, konkrete Witze zu reißen. Situativer Humor jedoch, der andere einlädt und vereint, gelte als weiblich geprägt. Nach dem Motto: Männer machen Witze, Frauen haben Humor.
Wobei auch das wiederum eine gesellschaftlich geformte Vorstellung ist, die längst nicht von allen geteilt wird. Frauen und Männer verhalten sich nicht zwangsläufig anders, sondern werden vor allem anders beurteilt und wahrgenommen.
Quoten für gleichberechtigte Zoten?
Wie kann man nun dazu beitragen, dass der Einsatz von Humor für Frauen genauso funktional wird wie für Männer?
Natürlich in erster Linie durch den Ausgleich struktureller Benachteiligung, sagt Scheel. Es müssten mehr Frauen in Führungspositionen, um diese Führungspositionen diverser zu gestalten und Machtstrukturen zu verändern. Denn gerade in beruflichen Kontexten, in denen viele Männer anwesend sind, laufe man als Frau Gefahr, dass der eigene Witz falsch beurteilt würde, so Scheel. Er könne als Inkompetenz gewertet werden oder unerwünschte Statusspiele mit Männern folgen lassen. Erst wenn in allen Bereichen so viele Frauen wie Männer Machtpositionen bekleiden, könne es zur Normalität werden, dass eine Frau von den Witzen, die sie erzählt, genauso profitiert wie ein Mann. Bis es sich für Frauen also lohnen wird, Ratgeberbücher wie „The Levity Effect“ zu lesen, scheint es noch ein weiter, eher unlustiger Weg.
* Wenn in diesem Text die weibliche Form verwendet wird, sind damit alle anderen, von der im Text beschriebenen Problematik betroffenen Personen gleichermaßen mitgemeint.
Illustration: Renke Brandt