Collage mit drei Frauen in einer Küche beim backen

Das bisschen Haushalt

Junge Frauen romantisieren auf TikTok oder Instagram das Leben als Hausfrau. Sie sagen, sie lieben das Kochen und Putzen, sie schminken sich für ihren Mann und bewerben dieses Lebensmodell. Was steckt dahinter?

Von Manuel Rauch
Thema: Internet
16. April 2025

Eine Frau knetet hinter warmem Sepia-Filter Teig. Ihr Gesicht ist im Bildausschnitt nicht zu sehen, nur ihr hellbraunes Vintagekleid. „Jede Frau wird irgendwann in ihrem Leben bis zu einem gewissen Grad von einem Mann abhängig sein müssen“, sagt sie zur plätschernden Klaviermusik. Unter dem Video stehen Hashtags wie #hausfrau und #patriarchat. In einem anderen Reel ist zu lesen: „Mein identifiziertes Geschlecht ist: Haus-Frau, Ehe-Frau, Putz-Frau.“ Mehr als Tausende Follower*innen – größtenteils Frauen – folgen dem Instagram-Account von Tradwifefactory. Dem Model Nara Smith schauen auf TikTok sogar 11,6 Millionen zu, wie sie in extravaganter Abendgarderobe Frühstück für ihren Mann zubereitet und das Paniermehl für ihr Schnitzel selbst macht. 

Auf Social Media trendet das Phänomen „Tradwives“. Junge, vor allem weiße Frauen kochen und schminken sich für ihre Männer – oft gestylt im 50er-Jahre-Look. Sie verkörpern die traditionelle Rollenverteilung: Der Mann verdient das Geld, die Frau sorgt sich um den Haushalt. Und ganz im Instagram-Style ist das Zuhause natürlich perfekt: weit weg von finanziellen Sorgen, Stress und Wäschebergen, die Hausarbeit auch bedeutet.

Auch hier fragt man sich: Leben die ernsthaft so? Nachfrage bei der Frau hinter dem Teig-Knete-Video. „Es liegt nicht immer ein Trockenstrauß neben mir, wenn ich backe“, lacht sie am Telefon. „Aber der Rest ist real.“ Die Macherin von Tradwifefactory will anonym bleiben und zeigt ihr Gesicht nie. „Schon Mädchen wird eingeredet: Du musst unabhängig bleiben und arbeiten“, erklärt die 31-Jährige. „Viele Frauen schreiben mir aber, dass sie sich insgeheim ein entschleunigtes Leben wünschen.“ Bevor Tradwifefactory ihr Kind bekam, war sie Kita-Leiterin. Nach der Elternzeit entschied sie sich, daheim zu bleiben. Ihr Mann arbeitet als Ingenieur. „Ich möchte Frauen zeigen: Es gibt eine Alternative!“

Über Altersarmut von Frauen wird in den Videos nicht gesprochen 

Mit Sorge beobachtet Sozialwissenschaftlerin Mareike Fenja Bauer den Trend. Sie forscht an der European New School of Digital Studies in Frankfurt an der Oder. „Natürlich ist es kein Problem, seinen Alltag als Hausfrau zu posten. Die Sichtbarkeit von Care-Arbeit ist sogar ein feministisches Anliegen“, sagt sie. Tradwives verkaufen ihr Leben als Entschleunigung. Das komme in der schnelllebigen Welt bei vielen gut an, erklärt sie. Vor allem, weil viele Frauen trotz Erwerbstätigkeit weiterhin sehr viel mehr Care-Arbeit übernehmen und entsprechend viel Stress haben. „Eine traditionelle Rollenverteilung schafft vermeintlich Sicherheit, weil klar ist, wer welche Aufgabe übernimmt“, sagt Mareike Fenja Bauer. Allerdings gehen die Influencerinnen nicht auf die strukturelle Benachteiligung von Frauen ein, die wegen ihrer seltenen Erwerbstätigkeit oder geringeren Verdienste im Alter beispielsweise häufiger armutsgefährdet sind als Männer

Die Tradwives betreiben oft politische Meinungsbildung, sagt Bauer. Menschen, die sich etwa für Rezepte interessieren, stoßen auf diese Reels. „Im nächsten Moment bekommen sie vielleicht ein Video vorgeschlagen, in dem es um die Unterordnung der Frau geht.“ Tradwives argumentieren häufig aus einer christlich-fundamentalistischen Perspektive. Entstanden sei der Tradwife-Trend in rechtsextremen US-amerikanischen Reddit-Foren. Eine enge Verbindung sieht Bauer weiterhin. 

„Eine traditionelle Rollenverteilung schafft vermeintlich Sicherheit, weil klar ist, wer welche Aufgabe übernimmt“

Mareike Fenja Bauer, Sozialwissenschaftlerin der European New School of Digital Studies 

Beispielsweise treten bekannte rechte Aktivistinnen online als Tradwives in Erscheinung, und im Jahr 2017 initiierte eine bekannte Tradwife auf ihrem YouTube-Channel die „White Baby Challenge“, bei der dazu aufgerufen wurde, möglichst viele weiße Kinder zu zeugen. Geht es um den Alltag mit Kleinkind, spricht sich laut Shell-Jugendstudie rund die Hälfte der jungen Menschen zwischen 12 und 25 Jahren für das Modell aus, bei dem der Mann der Allein- oder Hauptversorger ist. 

„Ich habe mich frei für diesen Lebensweg entschieden“, sagt Tradwifefactory. Politik versuche sie aus ihren Videos herauszuhalten. Scrollt man aber durch ihren Feed, stößt man auf Aussagen wie: „Wir benötigen keine beitragsfreien Kitas, wir benötigen mehr Mütter, die zu Hause bleiben.“ Gender Studies vergleicht die 31-Jährige mit „Schädelkunde des 19. Jahrhunderts“. Auf die Frage, ob sie damit nicht doch eine politische Agenda verfolge, antwortet sie: „Wenn mich ein Thema packt, dann spreche ich das an.“ Von der AfD, die ein ähnliches Familienbild vertritt, distanziere sie sich aber. „Mir wurde vorgeworfen, dass ich rechts bin und AfD-Propaganda betreibe. Dabei backe ich doch nur Brot.“

Mehr Popkultur-Phänomen als echter Lebensstil

Soziologin Gudrun Quenzel, die die Shell-Jugendstudie mitverfasst hat, sieht Tradwives als eines von vielen Popkultur-Phänomenen. „Jugendliche sind auf der Suche nach Identität. Sie gucken sich im Internet auch Leute an, die Spülmittel essen, ohne das gleich nachzumachen“, meint sie. Aus den Daten sei jedenfalls nicht ersichtlich, dass junge Menschen mehrheitlich nur dieses eine Modell akzeptieren würden.

Auch Tradwifefactory beteuert, sie wolle nicht, dass jemand in eine Rolle gezwungen wird. Mit ihrem Insta-Account verdient sie nach eigenen Aussagen – im Gegensatz zu manch anderen Tradwives – kein Geld. Die Familie müsse schon sparen, obwohl ihr Mann gut verdient. Wäre das aber wie in vielen Familien nicht der Fall, könnte sich auch Tradwifefactory das Leben als Hausfrau nicht leisten. „Das ist ein Privileg, das ist mir bewusst“, sagt sie auf Nachfrage. In ihrem Video thematisiert sie den Umstand nicht. Aber dass auf Instagram nur die positiven Seiten von etwas gezeigt werden und die schlechten ausgeblendet, ist ja Standard auf der Plattform. Und so knetet Tradwifefactory auf Instagram Teig und schreibt „Hashtag Emanzipation“ unter das Video. 

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Collage: Renke Brandt