Thema – Europa

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So ist es, ich zu sein: Umweltlobbyist

Florian Martinez-Buathier, 25, will EU-Abgeordnete von mehr Natur- und Klimaschutz überzeugen

Illustration Umweltlobbyist in der EU

Ich will EU-Politiker:innen dazu bringen, mehr für die Umwelt und das Klima zu tun. Dafür bauen mein Team von der Umweltschutzorganisation WWF und ich gezielt Beziehungen zu Europaabgeordneten, Diplomat:innen und Mitarbeiter:innen der Europäischen Kommission auf. Als Umweltlobbyist versuche ich, ihnen klarzumachen, wie genau sie die Natur besser schützen und EU-Bürger:innen auf den Klimawandel vorbereiten können.

Wenn ich mich mit Abgeordneten des Europaparlaments treffe, trage ich erst meine Argumente vor, höre mir dann die Standpunkte der Abgeordneten an und gehe auf ihre Fragen ein. Ich versuche, sie davon zu überzeugen, das Richtige für den Planeten zu tun. Dafür zeige ich Beispiele und Fakten aus ihrem Wahlkreis über den schlechten Zustand der Natur und welche Lösungen es auf EU-Ebene gäbe.

„Ich zeige den Abgeordneten Beispiele und Fakten aus ihrem Wahlkreis über den schlechten Zustand der Natur – und welche Lösungen es auf EU-Ebene gäbe“

Einmal traf ich mich mit einer portugiesischen Europaparlamentarierin kurz nach einem Wanderurlaub in Portugal. Sie wollte über lokale Wahlen reden, Wasserknappheit im Land, sehr lokale Themen. Und ich wollte über europäische Politik sprechen und über die Prioritäten ihrer Fraktion im Hinblick auf die Europawahlen. Sie hörte mir nicht wirklich zu. Also habe ich von den Fischer:innen erzählt, die ich bei meiner Wanderung auf dem Camino de Santiago de Compostela getroffen hatte, und was die von der EU hielten. Da wurde die Parlamentarierin neugierig. „Oh, du hast dich mit Menschen aus meinem Wahlkreis über die EU unterhalten, was haben sie gesagt?“

Abgeordnete wollen über reale Dinge reden. Viele mögen es nicht, wenn wir nur im Politikjargon sprechen. Mit unserem Thema Naturschutz haben wir das Glück, dass es viele nachvollziehbare Beispiele gibt. Das gilt auch, wenn man zusammen konkrete Änderungsanträge zu einem anstehenden Gesetz durchgeht. Da kann man nicht nur sagen: „Ist Ihnen klar, dass Sie Änderungsantrag 381 unterstützen müssen, damit dieses Gesetz den Menschen nützt?“ Ich muss schon erklären, was genau der Nutzen davon wäre.

Damit ich inhaltlich gut vorbereitet bin, arbeite ich eng mit meinen Kolleg:innen aus den fachlichen Teams zusammen. Sie sind spezialisiert auf Themen wie Landwirtschaft, Meere, Wälder oder Energie. Mein Team und ich behalten den Überblick über Entwicklungen und sind das Gesicht unserer Organisation nach außen.

Um überhaupt ein Treffen zu bekommen, helfen manchmal persönliche Kontakte. Das politische Brüssel ist ein bisschen wie ein Dorf, wo man berufliche Kontakte nach Feierabend auch mal zufällig trifft oder beim Ausgehen pflegt. Abgesehen davon schätzen viele Abgeordnete und ihre Assistent:innen einen direkten Draht zu Organisationen wie uns, denn so können sie unter anderem direkt Informationen zu bestimmten Themen bekommen. Gerade bei EU-Umweltgesetzen, die viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Schätzungen zufolge kommen 80 Prozent der Umweltgesetze, die in Deutschland gelten, von der EU. Es gibt also eine direkte Verbindung zwischen dem Alltag der Menschen und den Änderungsanträgen, die wir täglich in Brüssel diskutieren.

Das geht schon beim Frühstück los: Das Brot, das man morgens isst, wurde von der gemeinsamen EU-Agrarpolitik beeinflusst. Diese macht Vorgaben zum Getreideanbau und ist für finanzielle Mittel verantwortlich, die Landwirt:innen erhalten.

„Für Berichte übersetze ich die Ideen von spezialisierten Kolleg:innen in eine umgänglichere Ansprache. Damit es auch von Abgeordneten verstanden werden kann, die keine Expert:innen auf dem Gebiet sind“

Hier in Brüssel habe ich schon in verschiedenen Jobs gearbeitet. Zum Beispiel als parlamentarischer Assistent im EU-Parlament und zuvor in einem Lobbyverband der Privatwirtschaft. Meine jetzige Arbeit kann man ebenfalls als Lobbying bezeichnen. Mit dem Begriff habe ich persönlich keine Probleme. Lobbyieren bedeutet erst einmal, mit einer Strategie einen Prozess bestmöglich nach seinen Interessen zu beeinflussen. Aber es gibt für mich einen großen Unterschied zwischen einem Unternehmen, das seine privaten kommerziellen Interessen vertreten lässt, und uns als NGO, die sich für eine wohltätige Sache einsetzt.

Wir vertreten die Interessen von Menschen und der Natur. Deshalb ist es uns als NGO sehr wichtig, die Unterstützung der Öffentlichkeit zu haben. Also dass Menschen in der Bevölkerung es auch wichtig finden, etwas gegen den Klimawandel und dessen soziale Auswirkungen zu tun. Oder zu verhindern, dass sich das Leugnen des Klimawandels verbreitet. Um das gut zu koordinieren, besteht ein Großteil meiner Arbeit darin, mit Kolleg:innen aus anderen WWF-Büros in Europa oder anderen Organisationen zusammenzuarbeiten.

Auf unseren gemeinsamen Strategien basierend schreiben wir außerdem Positionspapiere, Berichte und Texte. In denen übersetzen wir unsere Forderungen in konkrete Vorschläge zu anstehenden Gesetzen, gestützt auf wissenschaftliche Daten. Für solche Berichte oder Papiere übersetze ich manchmal auch die Ideen der spezialisierten Kolleg:innen in eine umgänglichere Ansprache. Damit es auch Europaabgeordnete verstehen können, die vielleicht keine Expert:innen auf dem Gebiet sind. Schließlich wollen wir so viele Menschen wie möglich erreichen.

Illustration: Renke Brandt

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.