Es gibt Sexismus überall, in der Politik, der Gesellschaft und der Musik. Rap ist allerdings ein Genre, das diesen Sexismus offen feiert. Im Schlagabtausch um die härteste Punchline fallen zutiefst frauenverachtende, queerfeindliche und rassistische Zeilen. Aber Frauen und Queers kontern.
Dabei geht es ihnen um Selbstermächtigung und um Einfluss auf die Kunst: Sie wollen entscheiden, wie sie sich und ihren Körper inszenieren. Sie wollen das Geld, das sonst vor allem Männer mit der Darstellung von Frauen verdienen. Und sie wollen ihre eigenen Geschichten erzählen, über Gewalterfahrungen, Sisterhood, Mutterschaft und natürlich ihre Sexualität.
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That’s why I’m talkin’,
one day I was walkin’ down the block
I had my cutoff shorts on right
’cause it was crazy hot
I walked past these dudes
when they passed me
One of ’em felt my booty,
he was nasty
I turned around red,
somebody was catchin’ the wrath
Then the little one said, „Ha ha,
yeah me, bitch“, and laughed
Since he was with his boys,
he tried to break fly
Huh, I punched him dead in his eye
And said, „Who you callin’ a bitch?“
Yeah!
„U.N.I.T.Y.“ (1993)
Queen Latifa
Wer nicht weiß, wie man Frauen respektvoll behandelt, kann schon mal eine aufs Maul kriegen. Im Stile vieler Kurzgeschichten erzählt Queen Latifah in „U.N.I.T.Y.“ von Catcalling, sexualisierter Gewalt in ihrer eigenen Beziehung und dem Zusammenhalt zwischen Schwarzen Frauen und Männern. All Hail the Queen!
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I was looking for affection,
so I decided to go
Swing that dick in my direction,
I’ll be out of control
Let’s take it to perfection,
just you and me
Let’s see if you can bring, bring,
bring the nasty out of me,
n-n-n-now sock it
„Sock It 2 Me“ (1997)
Missy Elliott
In Raumanzügen auf der Flucht vor Robotermonstern: Die futuristischen Musikvideos von Missy Elliott waren wegweisend. Im Song „The Rain“ tritt sie in einem aufgeblasenen Plastikanzug auf, der ihren Körper allen Blicken und Erwartungen von außen entzieht. Auch sonst setzt die Rapperin mit Trainingsanzug, Sneaker und Cap auf Tomboy-Attitude. Missy steht ja auch nicht für Fräulein, sondern für Misdemeanor, auf Deutsch: Verstoß.
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Ich bin ne Frau,
aber wäre ich n Mann,
würde ich dir jetzt sagen: Alter lutsch
mein Schwanz (Bitchfresse)
Mit wem denkst du, dass du sprichst,
Alter komm mal klar man,
wer denkst du wer du bist (Bitchfresse)
„Bitchfresse (L.M.S.)“ (2009)
Kitty Kat
Mitte der Nullerjahre, Kitty Kat ist beim Berliner Label Aggro Berlin gesignt und auf vielen Songs zu hören, allerdings nicht zu sehen: Weil sie nicht dem Image der „hotten Bitch“ entspricht, hält das Label sie aus der Öffentlichkeit heraus. „Bitchfresse“ ist Kitty Kats erste Solosingle, in der sie sich Kool Savas’ ultrasexistischen Song „LMS“ zu eigen macht und mit dem Männerbusiness abrechnet.
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Meine Klitoris Klasse wie S
von Mercedes
Trag nur Designer –
Prada und Gucci
Schlafe bis 12
und reib mir die Muschi
„Cleopatra“ (2018)
Lady Bitch Ray
Rap ist eine Wissenschaft für sich? Lady Bitch Ray steigt als promovierte Sprachwissenschaftlerin auf jeden Fall durch. Ihr Spezialgebiet als Rapperin: gesellschaftliche Normen brechen. In ihren Texten geht „Dr. Bitch Ray“ dafür ein Tabu nach dem anderen an. Eines davon: weibliche Masturbation.
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Mama, you look like a rock star
BbyMutha –
I’m in labour giving birth today
Hit the trap tomorrow, pussy diamond,
call her Lisa Ray
„Heaven’s Little Bastard“ (2018)
BbyMutha
Alle Rapper reden über Mütter, aber keine Mütter über Rap? Für diese Regel hat BbyMutha einfach zu viel zu erzählen: Mit 17 das erste Mal schwanger, zieht sie ihre vier Kinder (zwei Zwillingspaare!) allein groß. BbyMuthas Rap ist mehrdeutig und gewitzt: Heute schnell gebären, morgen wieder hustlen. Es geht um Geburt und Drogen, das Leben als „Baby Mama“ und ihre sexuellen Abenteuer, denn: Auch Single Moms haben Lust auf Sex.
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Put this pussy right in your face
Swipe your nose like a credit card
Hop on top, I want a ride
I do a kegel while it’s inside
Cardi B feat. Megan Thee Stallion
„WAP“ (2020)
Dafür, dass es im Rap häufig sehr explizit um Sex geht, war die Aufregung um „WAP“ erstaunlich groß. Mit Cardi B und Megan Thee Stallion erklären allerdings nicht wie üblich Männer ihre sexuellen Vorlieben und Fähigkeiten, sondern zwei Frauen. Statt Sexobjekte zu sein, sexualisieren sie sich selbst: ihr Weg zur Selbstbestimmung und zum Geld, das sonst wieder Rap-Männer abgegriffen hätten.
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Baby du willst Sex, komm relax
Ich leck’ dich als wärst du das Extra
Caramel Bonbon mit Nutella
Let it rain, ich brauch ’nen umbrella
Vitamin P – Pussy Fruit
Yup du weißt, die Pussy’s good
„Ebow 400“ ((2019)
Ebow
Noch immer sind lesbische Perspektiven im Rap eine Seltenheit. Ebows Rap ist queer as fuck. In ihren Songs geht es, neben Alltagsrassismus und Ausgrenzung, auch um Liebeskummer und Menstruation. Stolz bezeichnet sie sich als lesbisch und erzählt selbstbewusst von ihrem ziemlich bombastischen Sex mit Frauen – inklusive Happy End und weiblicher Ejakulation.
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Bin keine Projektionsfläche
für deine Urlaubsfantasien
Random Landeskunde Facts und
schon gar nicht verquere Theorien
Von guten und schlechten Migrants
bis zur Model Minority
Ich mache nicht mit
in deinem Exotisierungsspiel
„Aus der Pussy“ (2021)
NASHI44
Wo kommst du eigentlich her? Na, woher wohl? Aus der Pussy meiner Mutti, ist die Antwort von NASHI44. Volle „Asian Berlin Pussy Power“ voraus! In ihren Texten prangert die viet-chinesisch-deutsche Rapperin Rassismus und die Fetischisierung (süd-) ostasiatischer Frauen an.
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Dieser Beitrag ist im fluter Nr. 93 „Rap” erschienen.
Das ganze Heft findet ihr hier.
Illustration: Sebastian Haslauer