Dakota Access Pipeline in der Erde / Portrait Brenna Yellowthunder

„Unsere Alarmglocken läuten permanent“

Von der Umweltpolitik der USA sind indigene Menschen vor Ort direkt betroffen – doch dazu gehört werden sie kaum. Und jetzt ist auch noch Donald Trump zurück

Von Laila Sieber
Thema: Klima
30. April 2025

Als Donald Trump 2016 Präsident wurde, war Umweltaktivist*in Brenna Yellowthunder (oben rechts im Bild) schockiert. Knapp neun Jahre später sitzt Trump erneut im Weißen Haus. „Ich bin nur noch enttäuscht darüber, wie Leute so dumm sein können“, sagt sie. Brennas Vorfahren stammen aus drei verschiedenen indigenen Völkern: der Ho-Chunk Nation, wo sie registriertes Mitglied ist, der Navajo Nation und der Standing Rock Nation. In den USA leben heute rund acht Millionen Indigene. Viele organisieren sich in Tribal Nations, souveränen Stämmen, die sich selbst verwalten. 574 davon sind staatlich anerkannt. Die Mitglieder verteilen sich auf verschiedene Bundesstaaten, Städte und Reservate.

Die Lebensweise zahlreicher indigener Menschen ist unmittelbar mit der Natur verbunden. Über Jahrhunderte haben sie sich an die Ökosysteme angepasst und Wissen darüber erlangt. Diejenigen, die jagen oder Nahrung sammeln, brauchen die Natur zum Überleben. Rohstoffausbeutung und Klimawandel treffen sie besonders hart. Viele Indigene setzen sich daher für mehr Umweltschutz ein – wie Brenna. Als Co-Lead-Koordinator*in arbeitet sie beim Indigenous Environmental Network, einem Zusammenschluss indigener Völker, die sich für ökologische und wirtschaftliche Gerechtigkeit engagieren. Durch Trumps neue Amtszeit ist viel zu tun.

Kurz nach seinem Regierungsantritt im Januar stieg Donald Trump erneut aus dem Pariser Klimaabkommen aus und lockerte Umweltauflagen. Er rief einen Energie-Notstand aus, erlaubte Öl- und Gasförderung entlang der Küsten und stoppte Windkraft-Projekte. Zudem machte er Doug Burgum zum neuen Innenminister der USA.

Die Ernennung wurde von Indigenen kritisiert. Burgum unterstützte im Jahr 2016 als Gouverneur von North Dakota den Bau der „Dakota Access Pipeline“ – eine Ölpipeline unter dem Missouri River. Diese Pipeline führt mitten durch den Teil des Landes der Standing Rock Sioux, der ihnen 1868 unrechtmäßig weggenommen wurde – und unmittelbar an der Grenze zu ihrem heutigen Reservat entlang. Der Fluss ist eine wichtige Wasserquelle des Reservats, und ein Leck in der Pipeline könnte das Trinkwasser kontaminieren. Die damaligen Proteste gegen den Bau der Ölpipeline machten weltweit Schlagzeilen; Tausende Umweltaktivist*innen schlossen sich ihnen an, auch Brenna. Doch ohne Erfolg: Der Energiekonzern Energy Transfer Partners stellte den Bau der Pipeline mit staatlicher Genehmigung fertig. Brenna und andere Aktivist*innen kämpfen jetzt darum, dass die Pipeline stillgelegt wird. Ein Ziel, das unter Trump in weite Ferne rückt.

Wenn repressive Politik heiliges Land bedroht

Seit der Machtübernahme Trumps habe sich auch der Widerstand der Umweltaktivist*innen gegen die amerikanische Politik verändert, sagt Brenna: „Wir haben nicht mehr so viele Verbündete im Kongress, im Repräsentantenhaus und der Exekutive. Daher versuchen wir unsere Strategien anzupassen, konzentrieren uns mehr auf die Arbeit vor Ort in den Gemeinschaften.“

Von dieser Veränderung erzählt auch Talia Boyd aus der Navajo Nation. Sie ist ebenfalls als Koordinatorin im Indigenous Environmental Network aktiv, ihr Fokus liegt auf Bergbauprojekten. Talias Stimme ist heiser. Sie war heute durchgängig in Meetings: „Unter Präsident Joe Biden hatten wir mehr Zeit, uns vorzubereiten. Doch Donald Trump treibt die Projekte viel schneller voran, als wir erwartet haben.“ Das setze wiederum Aktivist*innen unter Druck, schnell neue Gegenstrategien zu entwickeln. Ob es um Uranabbau in Alaska, Goldvorkommen in den Black Hills in South Dakota oder Lithiumabbau am Thacker Pass in Nevada gehe, „unsere Alarmglocken läuten permanent“, sagt Talia.

79 Prozent der Lithiumvorkommen in den USA sollen sich auf indigenem Land oder in dessen unmittelbarer Nähe befinden. Das größte bekannte Lithiumvorkommen gibt es auf dem Thacker Pass – einem heiligen Ort für die indigenen Numu/Nuwu und Newe. Schon die Biden-Regierung habe durch den „Inflation Reduction Act“, der nachhaltige Energien fördern sollte, den Lithiumabbau erleichtert. Gleichzeitig setzte sich Joe Biden für Initiativen zur Umweltgerechtigkeit ein. In Talias Augen waren schon diese Initiativen „sehr heuchlerisch“. Jetzt sei es aber noch mal deutlich schlimmer. „Trump sagt nun einfach: Hey, lasst uns den Umweltschutz ganz abschaffen!“ So beschleunige er auch am Thacker Pass den Bau der Mine.

„Widerstand ist für uns nichts Neues. Wir kämpfen seit mehr als 500 Jahren für unser Rechte“

Im Februar veröffentlichte die Organisation Human Rights Watch einen Bericht über Verstöße gegen die Rechte indigener Völker durch den Bau der Mine am Thacker Pass und forderte einen sofortigen Baustopp, bis es eine Übereinkunft mit den indigenen Völkern gibt. Die Firma Lithium Americas baut trotzdem weiter – mit dem Argument, sie hätten mit zwei indigenen Stämmen aus der Gegend ein Übereinkommen getroffen. Mindestens fünf weitere indigene Stämme sind laut Human Rights Watch jedoch dagegen. Es sei keine freie, vorherige und informierte Zustimmung nach der internationalen Deklaration der Rechte indigener Völker (UNDRIP) eingeholt worden.

Also wehrten sich die Aktivist*innen weiter, sagt Talia. „Widerstand ist für uns nichts Neues. Wir kämpfen seit mehr als 500 Jahren für unsere Rechte.“ Im Moment des Gesprächs fände etwa im Rahmen einer Protestaktion ein mehrtägiger Ausritt durch Nevada statt. Talia sagt: „Es geht darum, aufzuklären und Solidarität aufzubauen, auch zwischen verschiedenen Tribal Nations.“

Am meisten fehle es den indigenen Völkern an Geld, sagt sie: „Wir kämpfen schließlich gegen Multimilliarden-Dollar-Konzerne und sind selbst kleine Gemeinschaften ohne Budget.“ Daher treffen die Kürzungen von staatlichen Förderungen unter Trump indigene Völker besonders hart. 

Damit sich etwas ändere, bedürfe es neuer Gesetze, sagt Talia Boyd, allen voran müsse das Bergbau-Gesetz von 1872 reformiert werden. Dieses erlaubt es Konzernen, Ansprüche auf die meisten öffentlichen Ländereien geltend zu machen, ohne sich zu verpflichten, Lizenzgebühren zu zahlen oder Umweltschutzmaßnahmen zu beachten. „Dieses Gesetz ist nur eine der Wurzeln unserer Probleme“, sagt Talia. „Der Kapitalismus mit seinen ausbeuterischen Strukturen ist der Ausgangspunkt aller Schwierigkeiten.“ Im Kapitalismus gebe es kein Geben ohne Nehmen, während, laut Talia, die Werte vieler indigener Gemeinschaften auf dem Grundgedanken des Gebens beruhten, ohne dass Einzelpersonen dafür entlohnt werden; Wohlstand zu teilen, werde als Chance für die Gemeinschaft gesehen.

Koloniale Strukturen wirken bis heute

Selbst die Environmental Protection Agency (EPA), eine Umweltbehörde, die wissenschaftlich fundierte Umweltstandards in der Industrie, beim Verkehr, in der Öl- und Gasförderung entwickeln und durchsetzen soll, ist laut Brenna Yellowthunder nach einem problematischen Konzept aufgebaut: „Ihre Strukturen sind kolonial, sie berücksichtigten das Wissen Indigener kaum.“ Brenna kritisiert, dass die Behörde nur mit staatlich anerkannten Stämmen zusammenarbeite. Demnach müssten Indigene erst mal beweisen, dass sie solche sind und eine intakte eigenständige Kultur und Sprache haben. Außerdem lasse sich die Behörde in gewissem Maße so steuern, dass sie den Zielen der jeweiligen Regierung im Weißen Haus dient. „Während wir hier sprechen, ist der derzeitige EPA-Administrator dabei, die Gesundheits- und Klimaschutzgesetze aufzuheben, die unverhältnismäßig stark betroffene Gemeinden schützen sollten.“

Anstatt von „Umwelt“ zu sprechen, sollten wir sie als lebendiges Wesen betrachten, sagt Brenna. „Es ist nicht nur das Land, auf dem wir gehen, sondern auch die Luft, die wir atmen, die Nahrung, die wir brauchen, und das Wasser, das durch unsere Adern fließt.“ 

Aus der Verbindung zu diesem Land schöpfen Brenna Yellowthunder und Talia Boyd die Kraft, weiterzukämpfen. Brenna sagt, es gebe ein Wort in Navajo, „k’é“, das nicht im Englischen existiere, es heiße so viel wie Familie, aber auch Verantwortung füreinander – als Menschen einer Gemeinschaft. Politische Entscheidungsträger*innen sollten sich das als Vorbild nehmen und mehr auf das Verständnis indigener Völker von Land und Natur hören, sagt Brenna. Denn eine gesunde Umwelt betreffe uns alle: „Wir kämpfen ja nicht nur für uns, sondern auch für euch und eure Familien.“

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Titelbild links: Angus Mordant/Redux/laif – Porträtfoto rechts: privat