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Was ist die Zweistaatenlösung?

Als möglicher Ausweg aus dem Konflikt zwischen Israel und Palästina wird oft die Zweistaatenlösung genannt. Woher kommt die Idee und wie realistisch ist sie heute?

Mauer in Abu Dis

Als Zweistaatenlösung versteht man den Versuch, sowohl einen israelischen als auch einen palästinensischen Staat auf dem ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina zu etablieren. Den ersten Versuch dazu unternahmen die Vereinten Nationen im November 1947.

Nachdem die arabischen Staaten den UN-Teilungsplan abgelehnt hatten, erklärte Israel 1948 seine Unabhängigkeit. Es kam zum ersten arabisch-israelischen Krieg. Israel vergrößerte in den folgenden Jahrzehnten sein Staatsgebiet. Einen palästinensischen Staat gibt es bis heute nicht, auch wenn mittlerweile mehr als 130 der 193 UN-Mitgliedsstaaten Palästina als eigenständigen Staat symbolisch anerkennen (das Westjordanland sowie der Gazastreifen sollen demnach zum Staatsgebiet gehören mit Ostjerusalem als Hauptstadt). Deutschland erkennt den palästinensischen Staat nicht an und begründet das – wie die USA – damit, dass dieser nicht nur durch die einseitige Anerkennung, sondern als das Ergebnis diplomatischer Verhandlungen mit Israel Realität werden könnte.

Die Nakba

Am 14. Mai 1948 erklärte Israel seine Unabhängigkeit, Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien erklärten daraufhin Israel den Krieg. Dieser Krieg wird auf israelischer Seite als Unabhängigkeitskrieg bezeichnet, auf arabischer Seite werden die Geschehnisse, auch die Flucht und Vertreibung eines Großteils der palästinensischen Einwohnerinnen und Einwohner, als „Nakba“, die Katastrophe, erinnert. (Redaktion)

In den vergangenen Jahrzehnten wurde unter der Vermittlung internationaler Verbündeter Israels, vor allem durch die USA, mehrmals versucht, einen Kompromiss zu erlangen. Beide Seiten sollten die Existenz der anderen Gruppe und ihren Anspruch auf einen eigenen Staat anerkennen.

Offene Streitpunkte waren und sind heute immer noch: die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland und in Ostjerusalem, der Anspruch beider Seiten auf Jerusalem als Hauptstadt und die Frage des Rückkehrrechts der Nachfahren der durch die Nakba vertriebenen Palästinenser.

Außerdem stellt die Frage, wer die Palästinenser politisch überhaupt vertritt, ein weiteres grundlegendes Problem für die Zweistaatenlösung dar.

Die Hamas als Terrororganisation kann kein Verhandlungspartner sein. Mahmud Abbas, der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, wird von vielen Palästinenser nicht als geeignete Vertretung angesehen.

Wichtigster Streitpunkt ist die Frage der Kontrolle des für Juden und Muslime heiligen Tempelbergs, im Arabischen Haram al-Scharif genannt. Verwaltet wird das Gelände von der jordanischen Waqf-Behörde, seit Israel im Sechstagekrieg 1967 Ostjerusalem und den Ostteil der Altstadt erobert hat. Nicht-Muslime dürfen den Tempelberg nur zu bestimmten Uhrzeiten betreten. Der Zutritt zur Al-Aqsa-Moschee ist nur für Muslime erlaubt. Jüdisch-religiöse Extremisten rütteln seit Jahrzehnten an diesem Status quo und fordern, dass Juden sich frei auf dem Tempelberg bewegen dürfen.

 
Al-Aksa-Moschee (Foto: Jonas Opperskalski/laif)
Wer bekäme bei einer Zweistaatenlösung die Kontrolle über den für Juden und Muslime heiligen Tempelberg, auf dem unter anderem die Al-Aqsa-Moschee steht? (Foto: Jonas Opperskalski/laif)

Die größten Fortschritte in Richtung Zweistaatenlösung machten die von den USA vermittelten Osloer Friedensverhandlungen von 1993 bis 2000, benannt nach der norwegischen Hauptstadt, in der die ersten Vorgespräche stattfanden. Im ersten Osloer Abkommen aus dem September 1993 einigten sich beide Seiten auf die friedliche Koexistenz und gegenseitige Anerkennung. Das war die Basis, um die Eckpunkte für einen Prozess zur Zweistaatenlösung festzulegen. Ein Ziel war dabei, dass die Palästinenser die Kontrolle über die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete, also das Westjordanland und den Gazastreifen, erlangen und Israel sich aus beiden Gebieten zurückzieht.

Jitzhak Rabin setzte sich als israelischer Ministerpräsident für die Koexistenz von Israelis und Palästinensern ein. Unter Vermittlung des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton verhandelte er mit Jassir Arafat, dem damaligen Chef der PLO, über eine Zweistaatenlösung.

1994 erhielten Rabin, Arafat und Israels damaliger Außenminister Schimon Peres gemeinsam den Friedensnobelpreis. Rabin und Arafat unterzeichneten im September 1995 das zweite Osloer Abkommen, das den gestaffelten Rückzug der israelischen Streitkräfte aus den palästinensischen Gebieten festhielt und das Westjordanland in drei Zonen aufteilte.

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Israel - territoriale Entwicklung (© mr-kartographie, Gotha)
Die Karte zeigt die territoriale Entwicklung Israels und Palästinas im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte (Erstveröffentlichung: Information zur politischen Bildung 336/2018) (© mr-kartographie, Gotha)

Mit seiner Friedenspolitik aber zog Rabin auch den Hass der radikalen Siedlerbewegung und extremistischer nationalreligiöser Gruppen in Israel auf sich. Nach einer Rede in Tel Aviv am 4. November 1995 wurde Rabin von dem rechtsextremen Studenten Jigal Amir erschossen. Der Mord gilt als schwerster Schlag für die israelische Friedensbewegung.

In den folgenden Jahren bemühte sich die Clinton-Regierung weiter um eine Zweistaatenlösung. Im Juli 2000 trafen sich Arafat und Ehud Barak, mittlerweile Ministerpräsident in Israel, zum Gipfeltreffen in Camp David. Dort war 1979 das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten unterschrieben worden. Zu einem „Camp David II“, also einem Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern, kam es aber nicht. Im September 2000 brach die zweite Intifada und damit eine mehrere Jahre anhaltende Welle palästinensischer Terroranschläge in Israel aus, offiziell ausgelöst durch einen Besuch des damaligen Oppositionsführers Ariel Scharon auf dem Tempelberg − für die Palästinenser eine Provokation.

Bereits vor dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober hielten viele Beobachtende die Osloer Abkommen für gescheitert. Sowohl unter jungen Israelis wie unter jungen Palästinensern ließ sich eine wachsende Radikalisierung beobachten, wobei beide Seiten den exklusiven Anspruch auf das Gebiet teilen.

Angesicht des aktuellen Kriegs in Gaza wirkt die Aussicht auf eine friedliche Lösung so fern wie seit Jahrzehnten nicht.

Titelbild: David Levene / eyevine / laif

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