
Nur kein Bier ist kein Bier
Der Rapper Bucci wurde mit Anfang 20 alkoholabhängig. Jetzt ist er trocken und will ein Vorbild sein, auch mit seiner Musik
Bucci sitzt in einer Berliner Eckkneipe. Schummriges Licht, Holzvertäfelung, vor ihm zwei Aschenbecher, groß wie Kuchenteller. „Was darf’s sein?“, brummt der Wirt. „Für mich ein alkoholfreies Bier“, sagt Bucci so selbstverständlich, als könnte ihm danach kein Boomer-Spruch etwas anhaben. Lukas Buczek alias Bucci (27) ist Musiker und kommt auch so daher: Die rosa Cap sitzt falsch herum auf seinen Locken, seine weiße Hose zieren spirituelle Symbole, unter anderem eines, das aussieht wie Buddha höchstpersönlich. Und er sagt Sachen wie: „Ich will mit meiner Mucke die Nische nailen.“
Was früher auch zu seinem Künstlerimage dazugehörte, waren Alkoholexzesse. Sein erstes Bier trank er mit 14 und kippte an diesem Tag gleich drei hinterher. Buccis Vorbilder hingen damals an der Tanke ab, tranken täglich und faselten was von „dick Kohle machen“.
Ein paar Jahre später war er dann selbst in Regensburg dafür bekannt, über die Stränge zu schlagen. Einmal wachte er auf, seine Hand war blutig, seine Erinnerung weg, das Bett voller Erde, und daneben lag zu allem Überfluss auch noch sein dreckiges Fahrrad. Es war einer von vielen Momenten, wo Bucci sich sagte, dass er etwas ändern müsse – aber er änderte erst mal nichts.
Bucci nahm sich immer wieder vor, weniger zu trinken. Zum Beispiel nach dem BWL-Studium, als seine große Partyzeit vorbei war und er einen Job im Marketing anfing. Gute Voraussetzungen, könnte man meinen.
„Da begann meine schlimmste Zeit“, erzählt Bucci. Nach der Arbeit zechte er jeden Tag mindestens drei Feierabendbierchen. „Manchmal bin ich um vier Uhr nachts nach Hause gekommen, rotzevoll, und um sieben wieder zur Arbeit gegangen“, erzählt er.
Die Zahl der alkoholabhängigen Deutschen ist konstant hoch. Mehr als 1,4 Millionen Menschen befinden sich aufgrund einer Alkoholsucht in medizinischer Behandlung. Die Dunkelziffer der Suchtkranken wird deutlich höher geschätzt.
Als suchtkrank gilt man, wenn man ein Jahr lang missbräuchlich Alkohol konsumiert. Darüber hinaus gibt es einige Merkmale, die auf eine Abhängigkeit hinweisen können – etwa der zunehmende Konsum größerer Mengen, das Auftreten von Entzugserscheinungen wie Zittern oder ein Kontrollverlust über das Trinkverhalten.
Um eine Alkoholsucht zu entwickeln, muss man nicht täglich trinken oder jedes Mal abstürzen. Sich aber ständig vorzunehmen, weniger zu trinken, ohne es jemals einzuhalten, deutet auf einen Kontrollverlust hin. Dieser ist bei einer Alkoholabhängigkeit typisch. Zwar nimmt der regelmäßige Alkoholkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab, jedoch hat das Rauschtrinken nach einem vorübergehenden Rückgang während der Coronapandemie wieder zugenommen.
Bucci nimmt einen Schluck von seinem alkoholfreien Bier. Zwischen Prosten und Trinken lässt er sein Glas einmal kurz auf dem Bierdeckel aufsetzen, ein Automatismus aus den alten Zeiten. „Ich war vor allem psychisch abhängig“, sagt er.
Ständig habe er sich das Saufen schöngeredet, es sei ja schließlich nur eine Ausnahme. Und immer wieder belohnte er sich mit Bier, wenn in seinem Leben etwas gut lief. Am Ende reichte es schon, wenn er den Müll runtergebracht hatte, zack, Pulle auf.
Klingt trostlos, doch nach außen hin sah es in dieser Zeit eigentlich ziemlich glorreich aus, was Bucci so machte. Im September 2021 erschien das Musikvideo zu seinem Song „Durch die Stadt“. Darin sieht man ihn durch die Straßen ziehen, saufen, kiffen und feiern, währenddessen rappt er auf einem soften Drum-'n'-Bass-Beat. Am Ende des Videos springt Bucci in einen Brunnen, zieht sein T-Shirt aus und wird von den Leuten um ihn herum gefeiert. „Es war, als hätte ich mit meinem Lifestyle gewonnen.“

Nüchtern betrachtet: Das Saufen und die Rituale drumherum kann man sich ziemlich schönreden
Ein paar Monate später stand Bucci dann bei seinen Eltern vor der Haustür. Es war kurz vor Weihnachten. Bis dato hatte er ihnen immer verklickern können, dass er sein Leben im Griff hatte. Diesmal nicht. „Ich sah aus wie eine Leiche.“ Und als die Haustür aufging, sah er seiner Mutter den Schock sofort an.
Eine Woche später schloss er mit dem Alkohol ab, nahm sich vor, nicht mehr zu trinken – mal wieder. Doch diesmal zog er durch. Ohne Therapie, aber mithilfe eines spirituellen Coaches. „Der hat mich nach meinen Tiefpunkten gefragt. Und die waren immer dann, wenn ich mich in Rollen gezwängt habe, in die ich nicht reingehöre.“
Zum Beispiel in die Rolle des Partyrappers. „Ich habe immer gedacht, man kann mich sowieso nicht anderweitig mögen, also werde ich jetzt einfach der Asozialste, und dann feiern mich die Leute dafür.“
Er merkte in dieser Zeit, dass sein Alkoholkonsum viel mit Männlichkeitskomplexen zu tun hatte. Eigentlich sei er immer der reflektierte und kreative Typ gewesen. Doch schon als Kind dachte er, die Jungs, die Fußball spielen, seien richtig und er falsch. Später habe er versucht, das zu kompensieren mit vermeintlich männlichen Moves wie Saufen und Frauen aufreißen. Diese Selbsterkenntnis half ihm beim Weg aus der Sucht.
Beim Weg aus der Abhängigkeit kann der erste Schritt der schwerste sein. Bei den meisten Suchtberatungsstellen kann man deshalb erst einmal anonym chatten. Und noch einfacher kann man sich an Freunde oder den Hausarzt des Vertrauens wenden. Außerdem könnt ihr euch an folgende Stellen wenden:
- Hilfe-Telefon der BZgA unter 0221 892031 oder kenn-dein-limit.de
- Gruppentreffen der Anonymen Alkoholiker e.V.
- Ortsgruppen des Blauen Kreuzes e.V.
- Bundesweite Vernetzungsstelle NAKOS
Bei den Familiengruppen des Al-Anon e.V. findest du anonym Hilfe und Unterstützung. Wenn es dir psychisch schlecht geht: Hol dir Hilfe. Zum Beispiel anonym, kostenlos (und egal zu welcher Uhrzeit) bei der Telefonseelsorge: 0800/1110111 oder 0800/1110222 oder online.
Um abstinent zu werden, sagt Bucci, müsse man entweder am Tiefpunkt angekommen sein oder Begeisterung für ein neues Ziel haben. Bei ihm sei es beides gewesen. Wobei sein neues Ziel eigentlich sein altes war: berühmt werden mit Musik. Nur eben nicht mehr mit Party-Rap.
Heute singt Bucci eher, als dass er rappt. Sein neuestes Projekt: deutscher Pop mit positiver Message. Er will den Leuten erzählen, dass sie gut genug sind, so wie sie sind.
Das macht er inzwischen auch mit einem eigenen Podcast, bei dem es viel um Spiritualität geht. Dort will er Leuten Mut machen, die auch Suchtprobleme haben, und sagt Sachen wie: „Alkohol ist nie das Problem, sondern immer nur das Symptom. Das eigentliche Problem liegt tiefer.“
Auch in seinen Insta-Reels und TikToks erzählt Bucci von seiner Abstinenz. Berichtet von seinen Tiefpunkten. Erklärt, wie man zu seinen eigenen unterbewussten Wünschen findet. Und holt sich Anerkennung über seine Community. Erst neulich hat ihm jemand das hier geschrieben: „Ey Bucci, ich habe immer geglaubt, wenn man nicht trinkt, dann kann man kein geiler Atze sein. Du hast mir das Gegenteil bewiesen, vielen Dank dafür, dritter Monat ohne.“
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