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Neues Storytelling

Filme über den Klimawandel sind meist ziemlich apokalyptisch. „2040“ von Damon Gameau versucht, statt der Probleme die Lösungen in den Blick zu nehmen

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Film "2040" (Foto: Dane Scotcher)

Unser Umgang mit dem Klimawandel sei im Moment so, als würden wir jeden Tag zum Arzt gehen und der Arzt würde jeden Tag sagen, wir seien krank. „Aber irgendwann will ich doch wissen: Hey, wie werde ich wieder gesund?“, sagt der australische Regisseur Damon Gameau am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion im Haus der Kulturen der Welt und fordert ein „neues Storytelling“, wenn es um die Zukunft unseres Planeten geht. Weg von den Problemen, hin zu den Lösungen.

Wie das aussehen kann, zeigt er in seinem Film „2040“, der einige Stunden zuvor Weltpremiere hatte. Es ist ein in Ich-Form erzählter Doku-Essay, Gameau tritt selber auf und spricht auch den Off-Kommentar. Die Frage, die ihn antreibt: Wie wird seine heute vierjährige Tochter Zoë im Jahr 2040 leben? Mit Begeisterungsfähigkeit, Empathie und Selbstironie begibt er sich auf die Suche nach klimarettenden Ansätzen, die es jetzt schon gibt und die, im großen Maßstab verwirklicht, das Weltklima retten können. „Fact-based dreaming“ nennt Gameau das.

In Bangladesch besucht er ein Dorf, in dem Wellblechhütten mit Solarpaneelen bestückt sind, die intelligent miteinander kommunizieren. Er trifft einen australischen Ökobauern, fährt mit einem Seetangzüchter aufs Meer und in einem selbstfahrenden Auto durch Singapur. Die vorgestellten Lösungen sind dabei nicht allzu ungewöhnlich: erneuerbare Energien, weniger Fleischverzehr, nachhaltige Landwirtschaft, Carsharing zur Autoreduktion, solche Dinge. Es geht in „2040“ eher um die Stimmung, dieses John-Lennon-hafte „Imagine …“-Gefühl, das Gameau entfachen will. 

Hoffen auf die kaskadierenden Effekte 

 

Immer wieder blendet er in eine mögliche bessere Zukunft, wo die Änderungen „kaskadierende Effekte“ zeigen sollen: Mehr Carsharing gleich weniger Autos und somit weniger Parkflächen, dafür mehr Platz in den Städten, etwa für Urban Farming, was zusätzlich dem Klima hilft. Wenn dann in musikuntermalten Animationssequenzen Hochhausdächer ergrünen und Autobahnen verschwinden, kippt das Ganze allerdings beinahe in Imagefilm-Kitsch um.

Als er mit seinem Film begonnen hatte, erzählt Damon Gameau im Haus der Kulturen der Welt, sei er nicht besonders zuversichtlich gewesen, was die Zukunft angeht. Jetzt schon. 

„2040“ ist nicht die einzige Doku auf der Berlinale, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt. In „Anthropocene: The Human Epoch“, der am Mittwoch Premiere feiert, sieht man in epischen, mit Geigen untermalten Bildern gigantische Marmorsteinbrüche in Italien, bergeweise brennende Elefanten-Stoßzähne in Kenia, endlose Lithium-Becken in der chilenischen Atacama Wüste. Sie zeigen das Ausmaß, wie stark die Menschheit auf die biologischen, geologischen und athmosphärischen Prozesse der Erde einwirkt.

„I move mountains for a living.“

Nikolaus Geyrhalters Film „Erde“ beginnt mit einer krassen Gegenüberstellung: 60 Millionen Tonnen der Erdoberfläche bewegen Wind, Flüsse und andere Naturkräfte jeden Tag. Der Mensch bringt es auf 156 Millionen Tonnen Erdmasse. Wie, das zeigt Geyrhalter unter anderem im kalifornischen San Fernando Valley, Ein Arbeiter der Baggerbrigade erklärt seinen Job so: „I move mountains for a living.“

Es sind beeindruckende Aufnahmen von Riesenmaschinen in Mondlandschaften, aber die wirklich spannende Ebene des Films sind die Interviews mit den Berg-, Bau- und Räumarbeitern (ein paar wenige Frauen kommen auch zu Wort). Sie alle lieben ihren Job, doch gleichzeitig ringen sie um Rechtfertigungen für ihr Tun. „Wenn uns die Bäume leidtun, produzieren wir keine Energie.“ „Wenn ich es nicht tue, macht es ein anderer.“ „Wir wollen die Berge nicht zerstören, aber es ist genau das, was wir tun.“ „Wir Menschen sind Egoisten, weil wir nicht wieder in Höhlen leben wollen.“ Ein ungarischer Braunkohlebaggerführer zeigt beim Interview Urlaubsfotos auf seinem Handy: Er war Rad fahren im Gebirge und ist schockiert über den Rückgang der Gletscher dort.

Irgendwann kapiert man: Die Arbeiter sind nur die Stellvertreter für die Ambivalenzen, die wir alle mit uns herumtragen. „Wir profitieren ja davon, was da passiert. Es ist nicht alles schwarz-weiß“, sagt Nikolaus Geyrhalter im Gespräch nach der Filmpremiere. Sein Blick auf die Dinge ist ziemlich lakonisch. Dass die Menschheit in 200 Jahren auf eine Ausbeutung der Natur komplett verzichtet, kann er sich nicht vorstellen. „Es ist nur eine Frage der Dosierung.“ Was dazu Damon Gameau wohl sagen würde? 

 

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 Einseitige Versöhnung?

 

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Film "Skin" (Foto: Guy Nattiv) (Foto: Guy Nattiv)
(Foto: Guy Nattiv)

Eine ziemlich berühmte Szene der Filmgeschichte geht so: Zwei Häftlinge sind auf der Flucht. Der eine springt auf einen fahrenden Zug. Der andere schafft es nicht. Was tut der auf dem Zug? Er fährt nicht etwa in die Freiheit. Nein. Er springt wieder ab – aus Solidarität. Der das tut, ist Sidney Poitier. Sein Kompagnon Tony Curtis. Ein Schwarzer, ein Weißer. In den Film „I am not your Negro“ (kann man hier schauen) beschreibt James Baldwin, wie unterschiedlich weiße und schwarze Kinobesucher diese Szene aus „Flucht in Ketten“ damals in den 1960er-Jahren empfanden – erstere als Versöhnung, letztere als Verhöhnung: Wie blöd kann man eigentlich sein! Das Hollywood-Kino ist voller solcher einseitiger Versöhnungsszenarien. Und tatsächlich kommt auch eine in dem brutalen Neonazi-Drama „Skin“ vor. Hier rettet ausgerechnet ein schwarzer Aktivist dem gewalttätigen Rassisten Bryon die Haut. Hier geht’s zur Filmbesprechung. (fx)

Und jetzt endlich mal Cat Content! 

Berlinale, wir müssen reden! Über deine Tasche. Genau, das IT-Bag des Berliner Februars, jedes Jahr neu designt, umsonst für Akkreditierte, weswegen es für zehn Tage gefühlt alle auf dem Festivalgelände tragen – danach dann nur noch Liebhaber und Filmnerds. 

 

Wir hatten in der Redaktion ja schon gewettet, welchen Berliner Taschentrend du, liebe Berlinale, in diesem Jahr mit ein paar Jahren Verspätung entdeckst und verwurstest. Das Bauchtäschchen? Die Babytrage? Den Hackenporsche? Es wurde dann, wir hätten es wissen müssen: der Turnbeutel! Summer of 2014 und so. Nur leider ein Beutel mit viel zu langen und auch nicht verstellbaren Bändseln – passend vielleicht für den Rücken von Florian Henckel von Donnersmarck (2,05 Meter ohne Haare), aber bei jedem normalen Besucher eher ein Posack als ein Rucksack. Nur mit gehobener Knotenkunst ließ sich das regulieren.

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Berlinale Tasche 2019 (Foto: Michael Brake) (Foto: Michael Brake)
(Foto: Michael Brake)

Toller Posack für Katzenbesitzer

Dann die Farben: Taubengrau und Zahnweiß, okay – findige Besucherinnen verschönerten sich das einfach mit Textilfarben. Die helfen aber auch nicht dagegen, dass zumindest die weiße Variante nach zwei Tagen passiv abfärbte, also meine Kleidung (dunkle, wir sind ja in Berlin) färbte auf die dann nicht mehr so weiße Tasche ab. Ich hätte das gern weiter getestet, nur leider, leider riss am dritten Tag das Bändsel aus der Tasche. Das war es dann. Worst Berlinale-Bag EVER! SHAME ON YOU, Berlinale!

Aber immerhin einen Fan hat die Tasche: meine Katze Mono. Der feste Leinenstoff ist ideal zum Krallenkratzen, die Bändsel kann man jagen und in den Beutel reinkriechen. Wenn das so gedacht war, dann Respekt, Berlinale, Respekt. (mbr)

Titelbild: Dane Scotcher 

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.