Auch beim Bundeswehr-Auslandseinsatz zählen deutsche Tugenden. Das erfährt die junge Soldatin Rojda Xani, als sie ein Stück Müll achtlos in die falsche Tonne wirft. „Hier gilt die deutsche Abfallordnung! Dass die Irakis am Ende alles verbrennen, ist egal“, wird sie belehrt.
Rojdas Einheit schult kurdische Soldatinnen, die rund um die nordirakische Stadt Erbil gegen den sogenannten Islamischen Staat kämpfen. Da Rojda selbst gebürtige Kurdin ist, soll sie dolmetschen – ihr Vorgesetzter hofft zudem, dass sie einen Zugang zu den Frauen findet, deren flache Hierarchien nur wenig kompatibel mit den Denkmustern der Bundeswehr sind. „Wir wollen keine Führerin, und wir wollen keinen deutschen Aufpasser. Wir sind alle eins“, machen sie klar.
Doch Rojda hat noch eine zweite, heiklere Mission. Irgendwo hier in den Bergen rund um Erbil vermutet sie ihre ältere Schwester Dilan, die sich den Peschmerga-Kämpferinnen angeschlossen hat. Rojda will sie überzeugen, mit nach Deutschland zu kommen.
Für die einen nicht kurdisch, für die anderen nicht deutsch genug
Mit „Im Feuer“ bietet Regisseurin Daphne Charizani Einblicke in zwei für viele Deutsche unbekannte Lebenswelten: die der Bundeswehr und die der in Deutschland lebenden Kurden und Kurdinnen. Rojda verlangen beide Parallelgesellschaften Loyalität ab – und in keiner ist sie völlig zu Hause: Mit ihrer Mutter streitet sie, weil sie zu Hause lieber Deutsch als Kurdisch sprechen möchte, während sie für die Bundeswehrsoldaten in Erbil „die Kurdin“ ist, die keine Lust auf das obligatorische Teambuilding auf dem Fußballplatz hat.
Viele Kurden fliehen aus Nordsyrien – manche bis nach Tokio
„Im Feuer“ erzählt von dem Grundbedürfnis nach Gemeinschaft und Identität, das sich vor dem Hintergrund gebrochener migrantischer Biografien besonders schwierig erfüllen lässt. Beide Schwestern suchen Zugehörigkeit schließlich in der Armee: Rojda, indem sie sich als topintegrierte Vorzeigemigrantin bei der Bundeswehr verpflichtet, Dilan bei ihren neuen „Schwestern“ in den Bergen von Erbil.
Almila Bagriacik spielt Rojda als selbstbestimmte junge Frau, die sich einen emotionalen Panzer aus Abgeklärtheit und Schroffheit zugelegt hat. Und die doch verletzlich ist, zerrissen, zunehmend bitter und sprachlos angesichts der Dinge, die sie im Einsatz im Irak sieht und erlebt.
„Im Feuer“ (Perspektive Deutsches Kino, Deutschland / Griechenland 2020) feierte am 23.2.2020 auf der Berlinale seine Premiere und ist noch an drei weiteren Terminen zu sehen. Mehr Infos gibt es hier.
Titelbild: Pallas Film / Match Factory Productions / View Master Films