„Früher habe ich mir manchmal einen Tag gewünscht, an dem keiner da ist. Einen Tag, an dem alles ruhig ist und man genügend Zeit für die Arbeit hat. Ohne Hetze. Ich begann um sechs Uhr, um spätestens acht mussten 13 Hörsäle gereinigt sein. Danach waren noch zwei Stunden Zeit für 40 Büros. Dann kam Corona. Und mit Corona verschwanden die Lehrkräfte und Studenten. Plötzlich waren die Flure leer, nur Sekretärinnen sah man ab und zu in ihren Büros. Ich konnte alles wieder auf den bestmöglichen Stand bringen. Die Kaugummis unter den Tischen abkratzen, die Parkettböden wachsen, in den Büros in den hintersten Ecken sauber machen. Am Anfang hat sich das gut angefühlt. Jetzt wünsche ich mir die Normalität zurück.
Ich bin seit 35 Jahren Reinigungskraft an der Uni Mannheim. Mir fehlt der positive Stress, die Sekretärinnen, Professoren, Studenten. Ich liebe meinen Job. Wenn das nicht so wäre, hätte ich mir schon lange etwas anderes gesucht.
Gelernt habe ich Zahnarzthelferin, obwohl ich lieber technische Zeichnerin geworden wäre. Aber einen Ausbildungsplatz gab es damals nicht in Mannheim. Ich blieb einige Zeit in meinem Beruf, doch merkte schnell: Das ist nichts für mich. Die Arbeitszeiten waren nicht flexibel. Also ging ich als Reinigungskraft zur Zentralwerkstatt für Verkehrsmittel Mannheim, bis ich mich an der Uni beworben habe.
„Selbst als ich noch mal ein Angebot von einer Zahnarztpraxis bekommen habe, bin ich geblieben“
Für mich als Mutter waren ein unbefristeter Vertrag und ein gutes Gehalt sehr wichtig. Als Festangestellte an der Uni bekomme ich das. Und auch den Alltag zu Hause konnte ich mit 20 Wochenstunden und Arbeit am Vormittag immer vereinbaren. Als meine Tochter noch zur Schule ging, war es schön, dass ich mittags zu Hause sein konnte.
Klar gibt es auch Tage, an denen ich denke: ‚Ach, würde ich mal einen gescheiten Beruf ausüben.‘ Aber ist das nicht in jedem Job so, dass es Tage gibt, die nicht gut sind? Ich habe mich damals für diesen Beruf entschieden. Selbst als ich noch mal ein Angebot von einer Zahnarztpraxis bekommen habe, bin ich geblieben.
Die größte Herausforderung in meinem Job ist sicherlich die Reinigung der Toiletten. Aber wenn man sich entscheidet, in den Reinigungsdienst zu gehen, muss man damit klarkommen. Manche machen auf den Boden oder den Klodeckel und schmieren damit Herzchen an die Wand. Da erlebt man schon was. Aber zum Glück ist das nicht tagtäglich. An der Uni erfahre ich in der Regel große Wertschätzung. Unter den Lehrkräften, Sekretärinnen und uns Reinigungskräften herrscht ein respektvoller, kollegialer Umgang. Zu Ostern und Weihnachten gibt es kleine Präsente, und als es in Sardinien brannte, schrieb ich einer Sekretärin, die dort gerade Urlaub machte, ob es ihr gut gehe.
„Durch meinen Beruf habe ich gelernt: Egal was du machst, mach es mit Hingabe“
Manche Studenten lassen den Müll in den Hörsälen liegen, leeren ihren Kaffee aus, kleben Kaugummis unter den Tisch oder stellen ihre Füße auf die Stühle. Dann sag ich auch schon mal: ‚Macht ihr das zu Hause auch?‘ Doch der größte Teil ist wirklich umgänglich. Man kennt sich, grüßt, und vor allem Erstsemester fragen schon mal nach dem Weg, zögern, über den gewischten Flur zu gehen, oder sagen: ‚Super, dass Sie das jeden Tag machen.‘ Über solche Worte freue ich mich. Denn die braucht meiner Meinung nach jeder Mensch.
Durch meinen Beruf habe ich gelernt: Egal was du machst, mach es mit Hingabe. Ich nehme jeden Tag, wie er kommt. Menschen, die sagen: ‚Oh, jetzt muss ich morgen schon wieder ins Geschäft‘ und die Nacht vorher schon Bauchweh haben, verstehe ich nicht. Dann würde ich mir einen Job suchen, der mir mehr Spaß macht. Dass ich für mein Geld putzen gehe, dafür schäme ich mich nicht. Und es ist wirklich nicht so schlimm, wie andere es sich vorstellen.“
Illustration: Gregory Gilbert-Lodge