Das Heft – Nr. 89

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Editorial

Zum fluter-Heft Liebe

  • 2 Min.

Liebe ist ultimativ. Um sich selbst als Mensch und in Beziehung zu anderen zu entwickeln, braucht es die Liebe. Sie zeigt sich in Zuneigung, Respekt und Hingabe genauso wie in Wut. Durch sie und mit ihr lernen wir, Solidarität und Vertrauen zu entwickeln und zu erfahren. Was und wer uns wichtig ist, wie wir leben, wofür wir einstehen wollen, all das sind auch Fragen der Liebe.

Zentral ist dabei die Familie. Sie ist häufig der erste und lebensbegleitende Ort, an dem Liebe gegeben und lieben gelernt – oder aber Liebe verweigert wird. Wer wen wie liebt, ist immer auch Ausdruck der Umstände, in denen Menschen leben.

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Früher war die Liebe ein pragmatisches Mittel, um die eigene Klasse zu wahren oder gar sozial aufzusteigen. Heute wird sie meist romantisch gedacht. Eine Perspektive, die die Welt des Marketings längst entdeckt und vielmehr auch geprägt hat. Sie beutet die Symbolik der Liebe nicht nur am Valentinstag aus.

Die Neurochemie zeigt, dass Liebe bei allen Menschen biologisch den gleichen Bedingungen unterliegt. Aber in vielen Gesellschaften ist die Liebe freier geworden. Vor allem für Menschen, die sich nicht in hetero-normative oder religiöse Schablonen zwängen lassen. Der monogame Standard, die Wir-zwei-für-immer-Beziehung, die in der Hochzeit gipfelt, kann genauso Ausdruck von Liebe sein wie eine polyamore Beziehung, die Leidenschaft für ein Idol oder die frühe Verantwortung, die Teenagermütter für ihre Babys übernehmen.

Liebe bedeutet Kontrollverlust. Der zeigt sich gerade beim Verlieben. Das kribbelige Aufgeregtsein kann jede Person zu jeder Zeit und überall treffen. Besonders intensiv wohl in der Jugend, wenn neue Dimensionen von Liebe in die Lebensrealität einschlagen. Von der Komplizenschaft mit Freundinnen und Freunden bis hin zum Flirten mit dem Crush: Liebe kann dann zum ersten Mal als betörend schöner Rausch erfahren werden.

Was sich hier früh zeigt, setzt sich im Leben fort: Wer liebt, muss die eigenen Bedürfnisse und die der anderen erkennen, aushandeln und respektieren. Liebe verlangt die Autonomie und Freiheit aller Beteiligten. Das akzeptieren manche nicht: Partnerschaften, in denen Machtstrukturen und Abhängigkeiten besonders wirkmächtig sind, können dann zu Orten psychischer wie physischer Gewalt werden, die vor allem Frauen trifft.

Wenn Liebe auch als Gedanke an das Wohl der anderen und nicht nur als Leidenschaft verstanden wird, ist sie der Richtwert, an dem wir uns in unserem Miteinander orientieren sollten. Es wird immer wieder versucht, Liebe zu kontrollieren, ihr durch Politik, Religion oder Konventionen Grenzen zu setzen. Aber klar ist: Liebe erschöpft sich nicht. Sie wird die Wucht bleiben, die befreit.

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