Mein Opa war Binnenschiffer. Mit an Bord war ich nie, umso romantischer habe ich mir den Job ausgemalt: wie Opa im Steuerhaus Freddy Quinn summt, in Rotterdamer Schifferkneipen Genever schlürft und wie er die Klippen an der Loreley umrundet.
Dieser Text ist im fluter Nr. 92 „Verkehr“ erschienen
Opa hat mit seinem Schiff einiges bewegt, meistens Kohle, Sand oder Kies. Verkehr sorgt dafür, dass wir kriegen, was wir brauchen. Oder hinkommen, wo wir hinwollen. Und zwar immer schneller: Statt mit dem Ochsen sind wir heute mit Drohnen unterwegs, statt mit der Kutsche mit dem E-Bus, statt mit dem Zeppelin mit dem Linienflugzeug. Technische Errungenschaften haben unsere Welt größer gemacht und die Zeit verkürzt, die wir brauchen, um voranzukommen.
Nicht alle können gleichermaßen an diesem Fortschritt teilhaben: Wer kann sich ein Auto oder ein Bahnticket leisten? Wo hält der Bus, und wie komme ich auch als Fahrradfahrer, im Rollstuhl oder mit dem Kinderwagen sicher an? Jeder will mobil sein, aber dazu muss der öffentliche Raum so gestaltet werden, dass er den Bedürfnissen aller gerecht wird.
Heißt auch: Verkehr ist kein Zufall, er muss politisch gesteuert und reguliert werden. Wie überall ist auch hier der Klimawandel eine besondere Herausforderung. Neue Technologien helfen in der Anpassung. Aber es führt kein Weg daran vorbei, auch einst bewährte Konzepte zu überdenken und Routinen zu verändern. Damit dieser Wandel nicht von Millionen Menschen als Freiheitsverlust empfunden wird, müssen Alternativen geschaffen werden. Das geht beim Fahrradweg an der Landstraße los, bei den E-Ladesäulen in der Stadt oder besseren Bahnanbindungen im ländlichen Raum.
Opa hat die Kapitänsmütze irgendwann eingemottet, pünktlich, um meinen Kinderwagen zu schieben. Später hat er mich oft mit dem Roller von der Schule abgeholt. Das war ein grandioses Gefühl, wenn er vorfuhr und ich hinten aufsteigen durfte. Heute ist er nicht mehr so viel unterwegs. Gut für uns Enkel: Sein Auto ist trotzdem immer vollgetankt.