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Die machen Schule

Ein US-amerikanisches Unternehmen betreibt in Kenia mehr als 400 Privatschulen. Mit Geldern von Facebook und Microsoft bieten sie streng standardisierten Unterricht an. Ist das Fluch oder Segen? Ein Ortsbesuch

Bridge Schule

Ichuga ist ein Dorf außerhalb der Stadt Nanyuki in Kenia. Bauern und Kleinhändler leben in kleinen Hütten. Die in frischem Grasgrün gestrichenen Wellblechgebäude auf einem gepflegten Grundstück mitten im Dorf scheinen nicht recht zur Armut hier zu passen. Es handelt sich um die „Bridge International Academy“ von Ichuga, eine private Grundschule.

In einem hellen Klassenraum lösen 35 Viertklässler Rechenaufgaben, während ein junger Lehrer durch die Bankreihen geht, ein Tablet in der Hand. Es helfe dabei, den Unterricht zu gestalten, erklärt Schulmanager Job Karue: „Die Lehrer sind damit stets auf dem neuesten Stand. Täglich schickt mir die Zentrale aktualisierte Stundenpläne und Ratschläge aufs Smartphone. Ich leite die Informationen dann weiter an die Tablets meiner Lehrer, die sich jeden Morgen bei mir einloggen.“ Ein im Ablauf streng standardisiertes Vorgehen: An allen, zum Beispiel, vierten Klassen der mehr als 400 Bridge-Schulen in Kenia soll zur selben Zeit der genau gleiche Unterricht stattfinden.

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Bridge Schule

Sieht ziemlich provisorisch aus, der Unterricht ist es nicht – an allen Bridge-Schulen wird zur gleichen Zeit der gleiche Stoff behandelt

Erfolgreicher als staatliche Schulen 

„Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung“, so steht es in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Bis heute aber besuchen 61 Millionen Kinder weltweit keine Grundschule. Ohne Schulbildung haben sie später wenig Chancen auf ein Leben ohne Armut. Kenia führte 2003 die Schulpflicht und den kostenlosen Besuch der achtjährigen staatlichen Grundschule ein. Der Staat jedoch investierte kaum in neue Gebäude, Lehrer und Unterrichtsmethoden. Viele Schulgebäude in Kenia sind uralt und baufällig; sie sind überfüllt mit Kindern, die von überforderten Lehrern oft wenig lernen. Mehrere Kinder teilen sich häufig ein zerfleddertes Buch. Die Lehrer erscheinen rund 30 Prozent der Unterrichtszeit erst gar nicht.

Zahllose Eltern suchen nach Alternativen zum maroden staatlichen Schulsystem. In den letzten Jahren eröffneten Kirchen, NGOs und Geschäftsleute von Unternehmen geförderte Einrichtungen mit teils sehr unterschiedlicher Qualität. Mehr als die Hälfte der Einwohner von Nairobi County schickt ihre Kinder inzwischen auf solche Schulen. 

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Birdge Tablets

Schulfrei, wenn das Tablet streikt? In der Bridge-Zentrale in Nairobi gibt es genügend Ersatz

Marktführer unter den kommerziellen Schulen sind die „Bridge International Academies“, gegründet 2008 von der US-Amerikanerin Shannon May und ihrem Ehemann Jay Kimmelman, zusammen mit ihrem Forschungskollegen Phil Frei. Neben den mehr als 400 Schulen in Kenia betreibt das Unternehmen inzwischen auch 63 Schulen in Uganda, 23 in Nigeria und rund 70 in Liberia. Seit 2017 werden auch Schulen in Indien eröffnet. „Wir wollen, um die Qualität zu sichern und unnötige Kosten zu vermeiden, eine strikte Standardisierung der Lehrmethoden und engmaschige Kontrolle: Schüler, Lehrer, Schulmanager, Eltern und die Bridge-Zentrale sollen einander rechenschaftspflichtig sein“, skizziert die junge Bridge-Gründerin Shannon May die Prinzipien ihrer Schulen.

In der Bridge-Schule in Ichuga lässt Virginia Wanguri, eine 20-jährige Lehrerin, ihren Blick ständig zwischen ihrem Tablet und den Schülern schweifen. Routiniert scrollt sie durch die Mathematiklektion, arbeitet mit den Kindern im staatlichen und im Bridge-Lehrbuch und illustriert abstraktes Addieren und Subtrahieren mit Mangofrüchten, die sie von zu Hause mitgebracht hat. Auf die Frage, ob sie sich durch das Tablet nicht gestresst und in ihrem Eingehen auf einzelne Kinder gestört fühle, lächelt Virginia nur. „Im Gegenteil. Ich muss meine Lektionen nicht mehr selbst konzipieren, sondern kann mich voll darauf konzentrieren, den Kindern klar strukturierte Inhalte zu vermitteln. Und wenn etwas nicht passt, schreibe ich der Zentrale eine Mail, die innerhalb von 24 Stunden beantwortet wird.“

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Bridge

In diesem Großraumbüro in Nairobi werden viele der Unterrichts-Skripte geschrieben

Die Unterrichtskonzepte und Tablet-Skripte entstehen teils in den USA, teils in Nairobi. Erst seit kurzem müssen die Lehrer zum mehrwöchigen Bridge-Workshop auch einen staatlichen Abschluss haben. Bridge stellt sich als erfolgreich dar: 2017 erreichten 86 Prozent der Bridge-Schüler mehr als 200 Punkte in der staatlichen Abschlussprüfung an Grundschulen und gelten somit als geeignet für die sekundäre Bildung. Im nationalen Durchschnitt schafften dies nur 76 Prozent. Die im Schnitt erreichte Punktzahl steigt zudem deutlich, je länger die Schüler die Bridge Academy besuchen, verkündet das Unternehmen. Doch in Kenia ist sie umstritten.

Ein Einfallstor ausländischer Ideologien?

Gegen die Schulen gibt es vehementen Widerstand im Land – vor allem in der nationalen Lehrergewerkschaft „KNUT“, in der hauptsächlich Lehrer staatlicher Schulen organisiert sind. Kenias Regierung kaufe sich von ihrer Verpflichtung, selbst guten Unterricht anzubieten, frei, wenn sie den Privatschulen freien Lauf lasse, wettert der stellvertretende KNUT-Generalsekretär Hesbon Otieno Agola. „Wenn wir die Bridge-Schulen tolerieren oder sogar unterstützen, setzen wir unsere Kinder ausländischen Ideologien aus. Wir verwässern unsere Kultur und unsere Ansprüche an uns selbst als Nation.“ Otieno fürchtet, dass das Unternehmen zu sehr vorschreibt, was in Kenia gelehrt wird. „Das Bildungssystem darf nicht den sogenannten ‚edu-businesses‘ überlassen werden“, und er gibt zu bedenken: „Anstatt das globale Ziel zu erreichen, dass 2030 jeder lesen und schreiben kann, werden wir erleben, dass es sich viele Menschen gar nicht mehr leisten können, ihre Kinder zur Schule zu schicken.“ Zudem kritisierte der Generalsekretär Wilson Sossion im Mai 2017 auf einer Veranstaltung in Berlin, dass die Schulen außerhalb der kenianischen Gesetze arbeiteten. „Die Mehrzahl dieser Schulen ist nicht registriert und folgt nicht den nationalen Curricula“, sagte er. Die dort arbeitenden Lehrerinnen und Lehrer würden schlecht bezahlt und seien unqualifiziert. „Gute Bildung geht anders. Solche Schulen fördern Ungleichheit.“ 

Shannon May und Jay Kimmelman haben Bridge als sogenanntes „Sozialunternehmen“ gegründet. Das Unternehmen möchte soziale Probleme mit wirtschaftlichen Mitteln lösen. Ein Unterschied zu einer NGO: Ein Unternehmen ist seinen Kunden – also den Eltern – Rechenschaft schuldig. „Eine spendenfinanzierte NGO mag sich noch so sehr bemühen, den Anliegen der Eltern gerecht zu werden“, sagt Shannon May. „Letztlich muss sie aber immer die Vorgaben des Geldgebers erfüllen. Wenn der nicht mehr finanziert, ist das Projekt am Ende.“ 

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Bridge Schule

Rück mal ein Stück – in der staatlichen Riruta-Grundschule in Nairobi reichen die Sitzplätze nicht für alle

Um ihre Kette von Grundschulen für Arme aufzubauen, suchten sich die Bridge-Gründer Investoren, die nicht auf finanziellen Gewinn aus sind, sondern zunächst eine soziale Wirkung erzielen wollen – auch vor dem Hintergrund eines wachsenden afrikanischen Absatzmarktes. Zu den ersten Investoren zählte Ebay-Gründer Pierre Omidyar, später folgten Bill Gates, Mark Zuckerberg, die Weltbank sowie die Regierung von Großbritannien. Langfristig will Bridge Gewinn erzielen, der dann in den Aufbau neuer Schulen fließt. Vorläufig will man zumindest die laufenden Kosten durch Schulgebühren selbst erwirtschaften. 140 Euro zahlen die Eltern pro Kind und Jahr.

Fluch oder Segen? Eine Frage der Perspektive

Für den Schreiner Alex Musili mit seinen drei Kindern ist das viel Geld. „Die Nachfrage nach meinen Tischen, Stühlen und Sofas schwankt sehr stark“, sagt Musili, der in Ichuga eine kleine Werkstatt betreibt. Wie Musili sind die meisten Eltern von Bridge-Schülern Kleinstunternehmer oder Gelegenheitsarbeiter ohne festes Einkommen. Ein krankes Kind, eine Preiserhöhung für Mais oder ein Unwetter können ihre Familie in eine wirtschaftliche Krise stürzen. Bridge räumt Ratenzahlung ein. Zusätzlich bezahlt die amerikanische NGO „United We Reach“ mehr als 11.000 Schülern landesweit die Gebühren und das tägliche Mittagessen. Dennoch stellt die Anmeldung für viele eine finanzielle Anstrengung dar. Vorläufig habe er nur seinen ältesten Sohn angemeldet, erzählt der Schreiner.

Ob und, wenn ja, wie in Bridge-Schulen weiter unterrichtet werden kann, hängt jedoch vor allem von ihrer Beziehung zum staatlichen Schulsystem ab. In Uganda etwa sollten die 63 Bridge-Schulen schließen, weil sie nicht lizenziert waren. Dennoch öffneten sie in diesem Schuljahr wieder ihre Pforten. Erneut tobt die Debatte darüber, ob die billigen Schulen mit eigenen Investoren, anderen Lehrplänen und umstrittenen Lehrkräften eine Chance oder ein Problem sind. 

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.