Lichtschalter in rosa Wand / Handwerkerin auf einer Leiter

Wo der Hammer hängt

Wenige Branchen sind so männlich wie das Handwerk. Also hat Charly Machin die Driller Queens gegründet. Sie bohren, spachteln und malern gegen Klischees und Mackertum an

Protokolle: Anne Waak und Fotos: Diana Pfammatter
Thema: Identität
16. Juni 2025

Charly Machin, 40:

Bei uns zu Hause in Wales war meine Mutter diejenige, die die Dinge reparierte. Erst mal selbst versuchen, bevor man jemanden engagiert, das war ihre Haltung. In meinem früheren Job als Grafikdesignerin in einem Berliner Start-up wurde ich so schlecht bezahlt, dass ich mit Handwerks- und Reparaturarbeiten was dazuverdienen musste. 2019 wurde ich gefeuert und beschloss, komplett umzusatteln. 

Mit jeder Baustelle wurde mir klarer, wie groß der Bedarf für einen feministischen und inklusiven Handwerksdienst ist. Die schlimmsten Geschichten erzählten alleinerziehende Mütter. Immer wieder fragen Handwerker beim Betreten der Wohnung, wo denn ihr Mann oder Freund sei. Das hat mich so wütend gemacht. Die Driller Queens sollten anders sein, ein sicherer Raum, eine Plattform, die Handwerksleistungen für Menschen aller Geschlechtsidentitäten vermittelt. 

 

Keren Gerlitz, 47:

Ich bin von Anfang an bei den Driller Queens dabei. Ich mache vor allem die Elektrik, tausche etwa Steckdosen aus und installiere Lampen. 

Bei den Driller Queens kommen Menschen aus der LGBTQ+-Community aller möglichen Sprachen und Kulturen zusammen. Wir behandeln einander mit Respekt, Egos spielen eine viel kleinere Rolle, als ich das im Handwerk vorher erlebt habe. Seit ich als Queen unterwegs bin, passiert es mir nicht mehr, dass ich als Handwerkerin misstrauisch beäugt werde oder dass meine Qualifikation angezweifelt wird. 

Uns beauftragen ganz normale, freundliche Leute. Nur einmal landeten wir bei einem, der verlangte, dass wir zwei Porträts von Militärs in Wehrmachtsuniformen aufhängen. Ich komme aus einer jüdischen Familie, meine Großeltern haben das Konzentrationslager überlebt. Meine Kollegin fragte mich, ob sie das übernehmen solle. Ich entschied mich, den Job durchzuziehen. Charly war schockiert, dass wir nicht direkt abgebrochen hatten. Sie erklärte dem Kunden, dass wir nicht mehr für ihn arbeiten würden.

Werkzeuge und Schrauben auf einer Packdecke

Viele Gewerke werden weiblicher, die Zahl der Kfz-Mechatronikerinnen, Tischlerinnen und Lackiererinnen steigt zum Beispiel. Laut Statistischem Bundesamt sind aber nur 10 Prozent der Beschäftigten Handwerkerinnen, und nur jede sechste Meisterprüfung wird von einer Frau abgelegt

Portrait Charly Machin von den Driller Queens

Lange galt auf dem Bau ein Berufsverbot für Frauen. Erst seit 1994 dürfen auch Frauen im Westen Deutschlands im Baugewerbe arbeiten. Charly Macin setzt sich mit den Driller Queens dafür ein, dass die Branche in Zukunft noch diverser wird

Charly Machin:

Unsere Versicherung erlaubt einfache Klempnerarbeiten. Starkstrom, Unterputz-Elektrik und andere Jobs, für die wir derzeit keine qualifizierten Queens haben, machen wir nicht. 

Die meisten arbeiten freiberuflich für uns: Sie bestimmen, wann sie arbeiten, wie viel und welche Jobs sie annehmen wollen. Ich versuche seit fast drei Jahren, eine Person mit Klempnerausbildung zu finden, die Englisch und Deutsch spricht und freiberuflich für uns arbeiten möchte – erfolglos. Dabei zahlen wir deutlich besser als der Berliner Branchendurchschnitt. Ich träume von ein paar Azubi-Queens. Aber ausbilden darf man nur mit einem Meisterbrief, und den hat niemand in unserem Team. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir bald ein Trainingsprogramm aufsetzen. 

 

Jule Jäck, 33:

Ich arbeite im Kundendienst der Driller Queens, bin also die Brücke zwischen den Queens und der Kundschaft. Wertschätzung ist uns wichtig. Ein Auftrag fängt damit an, dass wir nach den Pronomen fragen, mit denen die Leute angesprochen werden wollen. 

Was uns noch von anderen Firmen unterscheidet: Bei uns haben auch die eine Chance, die keine klassische Ausbildung gemacht haben. In der Arbeitswelt ist kaum Platz für Personen, die nicht nach Schema F arbeiten und besondere Bedürfnisse haben. Wir haben ein paar neurodivergente Queens, von ADHS bis Autismus. Allein dass es dafür hier ein Bewusstsein gibt und das Wissen, wie man dem respektvoll begegnet, ist eine Ausnahme im Handwerk. 

 

Charly Machin:

Unsere Kundschaft beauftragt uns aus drei Gründen: Sie hat keinen Bock auf die Diskriminierung und sexuelle Belästigung. Sie will die Idee hinter den Driller Queens unterstützen. Und nicht alle in Berlin können sich auf Deutsch verständigen. Alle Queens sprechen Englisch und meist auch weitere Sprachen. 

„Wir haben immer mal wieder trans Queens im Team, fähige, umwerfende Menschen, denen die Arbeit in anderen Unternehmen allein wegen ihrer Genderidentität unmöglich gemacht wurde“

Charly Machin

Yoav Admoni, 41:

Ich kenne die Driller Queens schon länger, war aber immer davon ausgegangen, dass ich als cis Mann nicht Mitarbeiter werden könnte. Heute mache ich alles – vom Möbelaufbau bis zum Anbringen von Regalen, Lampen und Waschbecken. Manchmal fürchte ich, die Leute könnten enttäuscht sein, dass ihre Queen ein cis Mann ist und keine queere Frau. Aber da wir schon vor dem Hausbesuch in Kontakt stehen, wissen die meisten, welche Pronomen ich nutze. Was viele Handwerker nicht verstehen: Es ist etwas anderes, ob ich in einer Werkstatt arbeite oder in jemandes Schlafzimmer. Es ist wichtig, gut zu kommunizieren, sanft und rücksichtsvoll zu sein. Die Wohnung ist ein intimer Ort, an dem ich das Chaos und den Schmutz in Grenzen halten sollte. 

Unsere Kundschaft besteht überwiegend aus Expats, wohnt also erst seit Kurzem in Berlin. Menschen, die lange hier sind, bitten Freundinnen oder die Familie, beim Aufhängen ihrer Küchenschränke zu helfen. Wenn du diese Kontakte noch nicht hast, stehst du allein da. Für diese Menschen wollen wir Driller Queens da sein.

 

Charly Machin:

Zu Beginn bestand unser Team ausschließlich aus Personen, die sich als Frauen identifizieren. Aber zum einen ist Diskriminierung am Arbeitsplatz völlig zu Recht illegal. Und zum anderen erreichen wir Diversität auch nicht, wenn wir cis Männer ausschließen. Wir haben immer mal wieder trans Queens im Team, fähige, umwerfende Menschen, denen die Arbeit in anderen Unternehmen allein wegen ihrer Genderidentität unmöglich gemacht wurde. 

 

Terril Scott, 47:

Ich habe Kunst studiert und jahrelang in der Requisite und Metallgestaltung gearbeitet. Trotzdem gucke ich in überraschte Gesichter, wenn mich Leute in einer Metallwerkstatt antreffen. Nicht alle gehen davon aus, dass ich als Frau handwerkliche Kenntnisse haben könnte, selbst in einer Stadt wie Berlin. Das frustriert mich. Ich kann verstehen, dass viele das Gefühl haben, Handwerksberufe seien ihnen nicht zugänglich. 

Für die Driller Queens betreue ich auch ein paar Kitas. Das ist meine liebste Beschäftigung. Wenn ich etwas repariert habe, lasse ich die Kinder ausprobieren, und wir schauen zusammen, ob alles funktioniert. Neulich kam ein Mädchen, das mir unbedingt ihre Warnweste, ihren Schutzhelm und einen kleinen Werkzeuggürtel zeigen wollte. Ein anderes Kind war ganz erstaunt, dass ich mehr Werkzeuge habe als sein Vater. 

 

Charly Machin:

Gerade versucht das Handwerk, mehr Frauen für eine Ausbildung zu begeistern. Aber niemand kümmert sich darum, was danach passiert. Die machen ihren Abschluss und werden in diese männlich dominierte, stark von Diskriminierung geprägte Arbeitswelt entlassen. Mir kommt das Engagement für mehr Frauen im Handwerk oft vor wie ein Lippenbekenntnis. 

Cover des fluter-Hefts #95 zum Thema Handwerk
Dieser Artikel ist aus dem fluter „Handwerk“.
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