
Schmutziges Grün
Das Dorf Covas do Barroso liegt in einer besonders artenreichen Region Portugals. Doch unter der Erde verbirgt sich das wohl größte Lithiumvorkommen Europas. Die Menschen vor Ort kämpfen für den Erhalt ihrer Heimat
In Schlangenlinien führt der Weg am Berghang entlang, vorbei an Kiefern, Kastanien und Pinien. Überall sattes Grün. Vogelgezwitscher. Blätterrauschen. Vereinzelt ein Auto. Wer nach Covas do Barroso fährt, fährt „hinter die Berge“. So heißt der Landstrich im Norden Portugals: „Trás-os-Montes“. Es ist eine der ärmsten Regionen Portugals, die Menschen leben überwiegend von Ackerbau und Viehzucht. So ist es auch im Dorf Covas do Barroso, dessen Zentrum eine Kapelle aus dem 17. Jahrhundert bildet, eine Handvoll Steinhäuser, eine Gemeinschaftsküche, ein Fußballplatz, etwa 170 Leute leben hier.
Karamellfarbene Kühe trotten die Dorfstraße hinunter bis zur nächsten Wiese, ein schmächtiger Mann in Gummistiefeln treibt sie an. Nelson Gomes ist 48 Jahre alt, hat schon in Paris gelebt und sich dann doch für die Heimat seiner Eltern entschieden. Schüchtern lächelnd zeigt er um sich. Was wolle er mehr? Er habe ein Haus, seine Familie, Land, um genug Gemüse und Obst anzubauen, und die 21 Kühe, deren Fleisch er verkauft. Doch dann blickt er nach links, und das Leuchten weicht aus seinen Augen. „Da hinter dem Haus soll der Tagebau beginnen“, Gomes zeigt auf ein Einfamilienhaus in ein paar Metern Entfernung. Dann auf den Weg vor sich. „Direkt hier werden die Lkw vorbeifahren, es ist der einzige Zugang. Das wird laut, staubig.“
2027 soll der Abbau beginnen
Die Region besitzt die größten Lithiumvorkommen Europas, da ist sich Geologe Alexandre Lima von der Universität von Porto sicher. Seit über 25 Jahren beschäftigt er sich mit dem Metall. „Wie viel es genau ist, kann ich nicht sagen, denn es wurde nie richtig untersucht. Seit 2017 verspricht uns die Regierung, dass wir endlich forschen können, um den wirklichen Bestand festzustellen. Ein Land muss doch seine Ressourcen kennen!“ In einem kleinen freigegebenen Bereich gab es schon Testbohrungen. Das britische Unternehmen Savannah Resources, das hier das Lithium fördern möchte, spricht von 28 Millionen Tonnen lithiumhaltigem Gestein allein um das Dorf Covas do Barroso.
Eine Genehmigung, Lithium in der Region abzubauen, gibt es seit 2016. Im Mai 2023 fiel ein Umweltgutachten der portugiesischen Behörden zugunsten des Bergbaus aus. 2027 soll es losgehen, nur die endgültige Machbarkeitsstudie fehlt noch. Es sei denn, Nelson Gomes und seine Mitstreiter:innen können sich doch noch durchsetzen.

Den Aktivismus haben sie sich nicht ausgesucht, sagen Nelson Gomes und Aida Fernandes aus Covas do Barroso
Lithium ist das leichteste Metall der Welt und in so gut wie jeder Technologie enthalten, die derzeit gefragt ist: Smartphones, Solarpanels, E-Autos. Denn Lithium ist der wichtigste Bestandteil bei der Herstellung von Batterien. Die größten Vorkommen weltweit sind in Südamerika, Australien und Asien.
Der Lithiumexperte Alexandre Lima sieht es als notwendig an, dass die Menschen in den portugiesischen Bergen für die Allgemeinheit zurückstecken, für die Energiewende: „Wir Europäer wollen alles haben, aber nichts dafür geben. Wollen wir lieber Lithium aus Afrika, Asien oder Lateinamerika? Die Arbeitsbedingungen dort sind schlimm. Ich habe es in China gesehen. Da arbeiten 14-jährige Jungen barfuß und ohne Handschuhe in den Minen. In Europa haben wir Gesetze für den Abbau und die Umweltbelastung, deren Einhaltung kontrolliert wird.“
Mit dem Lithium aus Europa will die EU klimaneutral werden und unabhängiger von den Lithium-Importgeschäften mit China und Südamerika. Auch Olaf Scholz drängte im September 2024 auf den Lithiumabbau in Europa und sprach sich dafür aus, die Vorkommen in Portugal zu nutzen. Aida Fernandes, Nelson Gomes’ Frau und Präsidentin der Bürgerinitiative zur Verteidigung von Covas do Barroso, erinnert sich verärgert an die Aussage des damaligen deutschen Kanzlers: „Wem kommt das Projekt denn zugute?“, fragt die 45-Jährige und gibt die Antwort gleich selbst: „Uns hier sicher nicht und Portugal auch nicht. Das Geld fließt sowieso nach Deutschland oder in andere reiche Länder.“
Lithium für eine halbe Million Autobatterien
Savannah Resources gibt an, jährlich Lithium für eine halbe Million Autobatterien abbauen zu wollen. Portugal, das ab 2009 erheblich von der Eurokrise betroffen war, verspricht sich Millioneninvestitionen. Europäische Fördergelder würden fließen und „etwa 300 neue Arbeitsplätze geschaffen“, so Angaben des Unternehmens. Insgesamt könne die Entwicklung bis zu 600 Arbeitsplätze durch neue oder erweiterte Dienstleistungen schaffen – in einer Region, die immer mehr Menschen verlassen.
Aida Fernandes entgegnet dem: „Eine Mine schafft nur wenige Arbeitsplätze, das meiste erledigen Maschinen. Und wenn das Projekt beendet ist, gehen die Arbeiter wieder.“ Für sie ist klar: „Die Menschen, die hier von der Landwirtschaft leben, werden nicht mehr arbeiten können. Dann gehen auch sie in die schon viel zu vollen Städte, arbeitslos.“
Die Region um Covas do Barroso ist von der UN-Ernährungsorganisation FAO als global bedeutendes Agrarkulturerbe ausgezeichnet worden. Eines von nur elf in Europa. Weil Wasser und Boden hier schonend genutzt werden und uralte Anbaumethoden dafür sorgen, dass die Landwirtschaft keine umweltschädigenden Auswirkungen hat. Nelson Gomes und seine Kühe stehen mittendrin. Sollte hier Lithium abgebaut werden, fürchtet er um die biologische Vielfalt der Region, die Qualität des Süßwassers und der Luft. „Es würde viel mehr Sinn ergeben, in nachhaltigen Wald zu investieren, anstatt ihn zu zerstören“, sagt er.
Seit acht Jahren sind Nelson Gomes, Aida Fernandes und fast alle anderen im Dorf nun unfreiwillige Aktivist:innen. Sie organisieren Demos, Interviews, Veranstaltungen. Wiederholt gingen sie in den vergangenen Jahren gerichtlich gegen den geplanten Lithiumabbau vor. Wenn es Erfolge gab, dann waren sie meist kurz.
Ein ungleicher Kampf
Eigenen Angaben zufolge standen die Aktivist:innen im vergangenen Jahr sieben Monate lang jeden Tag im Wechsel Wache, bis zu sechs Stunden, um Probebohrungen zu verhindern. Das als ein Beispiel von mehreren. Im Februar 2025 gelang es ihnen durch eine einstweilige Verfügung, das Verfahren zu bremsen. Das Umweltministerium reagierte mit einem Beschluss, in dem das öffentliche Interesse an dem Projekt angeführt wurde, sodass die Schürfarbeiten Wochen später wieder aufgenommen werden konnten.
Unterstützung kommt vor allem aus den portugiesischen Großstädten und dem Ausland. Vier Sommer in Folge wurde bereits ein Protestcamp organisiert – jedes Jahr kamen mehr Teilnehmende. Doch es sei ein ungleicher Kampf, sagt Fernandes. „Für Savannah und einen Teil der Presse sind wir radikale Aktivisten. Wir werden beleidigt, angegriffen, kriminalisiert.“
Ende März 2025 hat die EU-Kommission im Rahmen des Gesetzes zur Sicherung kritischer Rohstoffe („Critical Raw Materials Act“) das Lithium-Projekt in Barroso als eines von 47 strategisch wichtigen ausgewählt. Das bedeutet unter anderem einen einfacheren Zugang zur nötigen Finanzierung und schnellere Genehmigungsprozesse – damit bis 2030 Lithium in der EU gewonnen werden kann.
Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.
Fotos: Constantino Santos