
Sieht nach Arbeit aus
Was früher zur Arbeit getragen wurde, liegt heute in Millionen Kleiderschränken. Eine kleine Modenschau
Kapuzenpullover
Sylvester Stallone trägt ihn als Rocky, Zendaya hat einen und Robert Habeck auch: Wenige Kleidungsstücke sind so universell beliebt wie der Hoodie.
Kapuzenmäntel wurden schon in der Antike getragen, den ersten Pullover mit Hood produzierte aber in den 1930er-Jahren die New Yorker Firma Champion. Er sollte Menschen warm halten, die sich bei eisigen Temperaturen bewegen: College-Sportlerinnen und Militärschüler, Bauarbeiter, Baumpfleger und Arbeiter in Tiefkühllagern. Ihnen gab der Hoodie maximale Bewegungsfreiheit, während die Kapuze den Kopf wärmte. Deshalb ist der Bund an Ärmeln und Rumpf klassischerweise auch enger geschnitten: Er hält Wind und kalte Luft ab.
Ab den 1970er-Jahren trugen viele Dealer und Sprayer die Kapuze, um ihre Identität vor der Polizei zu verbergen. Bis heute machen sich in den USA rassistische Vorurteile am Hoodie fest. Etwa die Vorstellung, Schwarze und People of Color seien krimineller als weiße US-Bürgerinnen und -Bürger.


Clogs
Schuhe aus Holz waren in vielen europäischen Ländern verbreitet. In den Niederlanden trugen Fischer, Handwerker und Bauern schon vor 850 Jahren Holzpantoffeln. Der „Klompenmacher“ wurde dort ein eigenständiges Handwerk, es gab landesweit Tausende der Holzschuhmacher. Heute ist der Beruf vom Aussterben bedroht.
Die Fabrikbelegschaft im Großbritannien des 19. Jahrhunderts trug eine andere Variante des Clogs. Sie brauchte robustes Schuhwerk. Reine Lederschuhe waren teuer, also nagelten sie kurzerhand eine Lederhaube auf einen passenden Holzklotz.
Seit den 1970er-Jahren sind die Clogs immer wieder Trend, die High Fashion interpretierte sie neu: mit höheren Absätzen, Lederriemen und mehrfarbigen Designs. Arbeitsschuhe sind die Clogs geblieben, dank der Crocs, ihrer außerirdischen Cousins. Die haben das Holz durch geschäumten Kunststoff ersetzt. Das macht sich gut auf den Aquaplaning-Böden in Krankenhäusern und Großküchen dieser Welt.
Tabi-Stiefel
„Tabi-Boots sind der wichtigste Fußabdruck meiner Karriere“, sagte der Modedesigner Martin Margiela einmal. Die Schuhe, die einen Spalt zwischen großem Zeh und Restfuß lassen, verlangen besondere Socken – und Mut. Ende der 1980er-Jahre erstmals auf dem Laufsteg präsentiert, werden sie zu einem Symbol der Anti-Fashion-Bewegung. Mit unmodischen Schnitten, geknitterten, billigen Stoffen und der Nichtfarbe Schwarz rebellierten Margiela und andere gegen den ausufernden Modekonsum. Heute sind die Tabi-Stiefel beliebt bei allen, die zeigen wollen: Ich kenne mich mit Mode aus und bin bereit, dafür zu zahlen.
Erfunden hat Margiela die Schuhe aber nicht. Zehensocken gibt es in Japan bereits seit dem 15. Jahrhundert. Damals glaubte man, getrennte Zehen würden Geist und Körper ins Gleichgewicht bringen. Die Socken waren oft aus Leder, um sie auch draußen tragen zu können. 1922 erfanden die Brüder Tokujirō und Shōjirō Ishibashi die Tabi-Schuhe („jika-tabi“), indem sie den Ledersocken eine Gummisohle gaben. Bis heute werden die Schuhe in Japan auf dem Bau, in der Landwirtschaft, beim Gärtnern und Rikschafahren getragen. Die gespreizten Zehen und die Gummisohle sorgen für Halt, die Oberfläche ist oft aus feuerfestem Material. Es gibt sogar Versionen mit Stahlkappen.


Schlaghose
Nicht John Travolta, nicht Cher, nicht ABBA: Die Schlaghose geht auf die Kluft verschiedener Handwerksberufe zurück. Der Schlag ist nach den zwischen den Unterschenkeln aneinanderschlagenden Stofflappen benannt. Und hat mehrere Vorteile: Er verhindert, dass Sägespäne oder Funken in den Schuhen landen. Schiffszimmerer konnten die Hosenbeine einfach hochklappen, damit sie nicht nass wurden.
Matrosen sollte der Schlag gegen Höhenangst und Seekrankheit helfen: Durch das breite Hosenbein sieht man das Schwanken des Schiffes weniger, und beim Segelsetzen wird der Blick nach unten verdeckt. Traditionell haben die Hosen von Matrosen zwei seitliche Reißverschlüsse, damit sie den schweren Stoff schneller vom Leib kriegen, sollten sie mal über Bord gehen.
Latzhose
Galt als Look von Sonderpädagogen, Schwangeren und Peter Lustig. Dabei schützt sie vor allem Handwerkerinnen und Handwerker vor Schmutz und Funken.
Wer die Hose erfunden hat, ist unklar. Populär machte sie Levi Strauss, der von Bayern nach Kalifornien ausgewandert war. Gemeinsam mit dem Schneider Jacob Davis patentierte Strauss 1873 eine Hose aus robustem Denim mit vernieteten Taschen: perfekt für die vielen Goldsucher an der Westküste.
Als Hose der Arbeiterklasse setzte sich der „Levi’s Waist Overall“ auch bei Eisenbahnarbeitern und Cowboys durch. Wobei er mehr der heutigen Jeans als einer Latzhose ähnelte. Firmen wie Lee, Carhartt oder Dickies erzählen ihre Gründungsgeschichten entlang der Latzhose, wie wir sie kennen: mit Brustlatz und Hosenträgern.
Auch die Sklaven in den US-Südstaaten trugen Hosenträgeroveralls aus Denim. Die Bürgerrechtsbewegung griff das später auf: Die Latzhose wurde zum Symbol für Schwarze Communitys und die Arbeiterklasse. Und mit dem Ersten Weltkrieg auch zu einem der arbeitenden Frau: Viele US-Amerikanerinnen arbeiteten in Fabriken und brauchten geeignete Kleidung. Die deutsche Frauenbewegung entdeckte die Latzhose in den 1970er-Jahren für sich, und zwar in der Farbe Lila.


Beanie
Die Wollmütze soll aus dem mittelalterlichen England stammen, wo die „Monmouth-Mütze“ für Seemänner, Soldaten und Arbeiter als unverzichtbar galt. Am Rand war eine Schlaufe angestrickt, um sie an Jacke, Gürtel oder im Helm zu befestigen.
Der Name „Beanie“ ist angeblich von „Bean“ (Bohne) abgeleitet, einem alten Slangbegriff für den Kopf. In den USA schworen später auch Kohlearbeiter, Schweißer oder Mechaniker auf die Mütze: Sie lag so eng an, dass die Haare bei der Arbeit nicht ins Gesicht fallen konnten und dass die Beanie nicht – wie so viele Hüte – vom Kopf rutschte. Später kamen Schirme dazu, die vor der Sonne schützen sollten. Daher gilt die Beanie heute als Vorläuferin des Basecaps.
Springerstiefel
Den Springerstiefel erfanden Militärs im Zweiten Weltkrieg: Die Gummisohlen und die Schnürung bis auf Schienbeinhöhe sollten Fallschirmjägern Halt geben. Nach Kriegsende 1945 entwickelte der deutsche Arzt Dr. Klaus Märtens eine bequemere Version: die Dr. Martens. Die ersten Schuhe waren fast vollständig aus Restbeständen des Militärs produziert. Die Stiefel wurden – oft mit Stahlkappe verstärkt – zur inoffiziellen Uniform der Arbeiterklasse: Polizistinnen, Postboten, Fabrik- und Forstarbeiter schätzten den Schuh, weil er strapazierfähig, wasserfest und trotzdem bequem war.
Später machten britische Subkulturen wie die Skinheads, Hard Mods und Punks die Stiefel zum Markenzeichen der Unangepassten, bevor schwarze Stahlkappenstiefel zur Uniform der Neonazis wurden. Mittlerweile haben die geschnürten Stiefel so viele Trends und Subkulturen überlebt, dass sie endgültig im Mainstream angelangt sind. Die wenigsten Modelle sind heute noch baustellentauglich: Je nach Job und nötiger Schutzklasse müssen Arbeitsstiefel besondere Auflagen erfüllen.
Dieser Beitrag ist im fluter Nr. 95 „Handwerk“ erschienen. Hier geht es zum kompletten Heft.

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