Alles und jedes kann zu Daten werden, alle Daten können zu Geld gemacht werden, sich gegen dich wenden oder dir nutzen. Mit dem digitalen Kapitalismus werden auch Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens zu Datenkapital, die bisher noch nicht marktförmig gestaltet waren. Der Fortschritt ist im Alltag greifbar und die Dynamik ungebrochen. Das Versprechen ist riesig – ein allwissendes Paradies, wo auf den Wunsch unmittelbar die Erfüllung folgt, ja, Wünsche steuerbar werden, ein Fließen der Grenzen des Machbaren – und wir alle mittendrin, angeschlossen und in Echtzeit vernetzt.
Diese schöne neue Welt hat allerdings einige Untiefen. Die digitale Dynamik ist heute vor allem eine kommerzielle und eine der Sicherheitsdienste. Hier werden weltweit Milliarden investiert, neue Ansätze zuerst massenhaft erprobt. Die Datenmodelle, die Algorithmen, die diese privaten und staatlichen Akteure in Gang setzen, entsprechen den vorgegebenen Zwecken und sind damit notwendigerweise begrenzt. Sie blenden das Unnütze, Störende aus. Die Herrschaft über diese Daten ist alles andere als gemeinschaftlich. Nicht nur die sogenannten sozialen Medien sind als Plattformen autoritär organisiert. Einige wenige entscheiden in den Machtzentralen der Konzerne und Geheimdienste, womit es Millionen und Milliarden User zu tun bekommen. Widerspruch ist mühselig und oft folgenlos. Und wehe, du fällst durch das Raster oder wirst verdächtig. Da helfen dann auch Taktiken des privaten Datenschutzes kaum weiter.
Der Glaube an die Verlässlichkeit und Neutralität der Algorithmen ist allerdings noch weit verbreitet, er kann zur Falle werden. Die Kehrseite der Konsumentenseligkeit ist die Abgabe von Verantwortung, die Einschränkung der persönlichen Freiheit und eine kulturelle Verengung, letztlich ein neuer Untertanen- geist als Schicksalsglaube an den von oben kommenden digitalen Fortschritt. Wohin die autoritäre Welt der Daten führen kann, zeigen Versuche der totalen Kontrolle in China. Sie sind viel weniger exotisch, als wir uns vormachen – in den medienkulturellen und populistischen Trends ist das auch im Westen schon angelegt. Dagegen gilt es, die freie gesellschaftliche Souveränität über die Daten neu zu erfinden, zeitgemäße Formen der Anwendungen und der Regulierungen zu erstreiten. Erste Erfahrungen gibt es bereits, zum Beispiel in einigen Städten und bei verschiedenen Initiativen auch zivilgesellschaftlicher Akteure. Es gibt aber nach wie vor weite Bereiche der Wirklichkeit und der kollektiven Intelligenz, die sich in den vorherrschenden Anwendungen nicht wiederfinden.
Das Leben als Ware oder in Dienstleistungsbeziehungen ist für sich armselig im Verhältnis zu den weiteren Möglichkeiten. Wenn wir wirklich mehr wollen, müssen wir das Recht auf informationelle Selbstbestimmung neu erfinden und gestalten. Wird es eine Demokratisierung der Daten geben? Wer können die Datensouveräne sein? Wie sähen die Daten einer Gesell- schaft aus, in der das gute Leben der Vielen mit der gerechten Verteilung, dem nachhaltigen Gebrauch und der demokratischen Kontrolle der Ressourcen einhergeht?