„Aus den Augen, aus dem Sinn“ wäre wohl ein Leitmotiv für unser Verhältnis zum Müll. Er ist etwas Unangenehmes, das wir schon im Alltag gern ausblenden, er wird an andere delegiert und soll uns schnell aus den Augen kommen. Die meisten von uns wissen zu wenig darüber, obwohl wir viel mehr wissen könnten. Vielleicht wollen wir es auch nicht wissen und ahnen oft nicht einmal, dass wir es nicht wissen wollen. So herrscht ein verengter Blick auf den materiellen Stoffwechsel der Warenwelt, in den wir eingebunden sind und den wir mit am Laufen halten. Dabei wird auch über sehen: Müll gibt es nicht erst am Ende des Verwertungsprozesses, nach dem Gebrauch. Bereits in der Produktion entstehen Unmengen von Abfall.
Unsere Lebensweise gleicht einem stofflichen Teufelskreis: Für Momente des Konsums werden Materialien, die zum Teil Jahrmillionen existierten, in Rohstoffe verwandelt, verarbeitet und verwertet, nach dem Gebrauch der Produkte dann – wie auch immer – „entsorgt“. Dabei entstehen im Abbau, bei der Herstellung und durch den Gebrauch Schäden an der Umwelt und am Klima. Die Plastikberge in den Ozeanen, den Ursprungsorten des Lebens, sind ein Menetekel dafür. Es herrscht eine gefährliche Unwucht: Die immer raffinierteren Technologien unseres Wohlstands gehen einher mit primitiven und verschwenderischen Formen des Umgangs mit dem vermeintlich Unnützen. Von außen betrachtet ergibt das ein Muster des Irrsinns als machtvoll organisierte Verantwortungslosigkeit. Das Ganze hat eine lange Geschichte, ist bequem, profitabel und politisch zumindest geduldet. Das gefährdet aber die Voraussetzungen des Lebens selbst und vernichtet wertvolle natürliche Ressourcen.
Dagegen gibt es zunehmend Widerstand – die Fragen danach, wer wofür Verantwortung trägt, werden mit den Debatten um unseren Umgang mit der Natur und zu Wegen aus der Klimakrise neu gestellt. Im Kern geht es darum, unsere Verantwortung zu erkennen und verbindlicher anzunehmen.
Wie sollen wir uns als Teil der Natur verstehen? Wie können wir mehr Mut zum Denken in dynamischen Zusammenhängen und Kreisläufen aufbringen? Können wir einen anderen Zeithorizont in die Konsumkultur bringen und uns die Prozesse des Stoffwechsels als Ganzes dabei bewusst werden lassen? Was brächte eine konsequente Kreislaufwirtschaft? Was wären geeignete neue Formen unserer alltäglichen Verhaltensweisen, für einen Wohlstand ohne die brutalen Kehrseiten der jetzigen Maßlosigkeit?
Das ist eine Generationenaufgabe, wie die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel. Der bisherige Umgang mit Müll ist ein Desaster, aus dem wir nur herauskommen durch den Einsatz von Wissenschaft und Technik. Die aber müssten konsequent anders aufgestellt und gemanagt werden. Dafür braucht es einen gesellschaftlich umfassenden Unternehmensgeist der Gesamtverantwortung in allen Bereichen. Die Ansätze dazu sind da – und zunehmend auch Forschung und technologische Entwicklungen für Alternativen, neue Produktionsmethoden, andere Prozesse der Verarbeitung und Rückgewinnung von Materialien. Diese gesellschaftliche Neugier und den unternehmerischen Mut politisch zu machen und in kluge Regulierungen und Entscheidungen zu gießen bleibt auf der Tagesordnung. Müll ist kein Schicksal.