In Mexiko-Stadt arbeiten Tausende Prostituierte, darunter viele Minderjährige, für umgerechnet ein paar Euro. Im Alter, wenn die Haut schlaffer und die Kundschaft weniger wird, manchmal auch für eine Mahlzeit oder Übernachtung. Fürs Alter kann auf der Straße kaum eine vorsorgen. Die meisten bekommen weder Sozialhilfe noch Rente. Ihnen bleibt nichts, als ihren Beruf weiter auszuüben.
Einigen wenigen bleibt immerhin die Casa Xochiquetzal. Das Haus trägt den Namen der Liebesgöttin der Azteken. Denn alle Frauen, die hier leben, haben im selben Beruf gearbeitet. Das große gelbe Kolonialhaus in der Altstadt von Mexiko-Stadt soll das weltweit einzige Altenheim für Prostituierte sein.
Die Frauen sind gleich dreifach gebrandmarkt, sagt Jesica Vargas González, die Direktorin des Heims: weil sie Prostituierte waren, weil sie Frauen sind und weil sie alt werden. „Es kommt immer wieder vor, dass Familienmitglieder, sogar ihre Kinder, die Frauen verstoßen und schlagen. Es ist immer noch ein sehr stigmatisierter Beruf.“
Gerade kämpft González um das Überleben der Casa, wie so oft. Das Gebäude kriegen sie mietfrei, aber seit der Pandemie zahlt die Regierung nichts mehr. Platz gäbe es für viel mehr Frauen, aber die privaten Spenden reichen gerade so für ein Dutzend.
Sie bekommen hier ein Zimmer, drei Mahlzeiten am Tag, ärztliche Versorgung und eine Gemeinschaft, die viele draußen nicht hatten. Die Frauen können lesen, schreiben, sticken oder backen lernen und ihren Hauptschulabschluss nachholen. Im Gegenzug gibt es ein paar simple Regeln: Der Fernseher läuft nicht vor 18 Uhr. Beim Aussuchen des Programms wechseln sie sich ab, genau wie beim Küchendienst und Badputzen. Arbeiten ist erlaubt, auch auf dem Straßenstrich.
Dieser Beitrag ist im fluter Nr. 89 „Liebe“ erschienen. Das ganze Heft findet ihr hier.
Fotos: Bénédicte Desrus/Sipa/ddp images