Schon im Alter von 16 Jahren ärgerte sich der Niederländer Boyan Slat bei einem Tauchurlaub in Griechenland darüber, dass er mehr Plastiktüten als Fische zu sehen bekam. Das war im Jahr 2011. Kurz danach entwickelte Slat ein Konzept, wie man die Weltmeere vom Plastikmüll befreien könnte. Zwei Jahre später gründete er die Organisation The Ocean Cleanup, versammelte einen Kreis begeisterter Unterstützer um sich und trieb ein Startkapital von über einer Million Dollar auf.
Jetzt wird zum ersten Mal auf dem Meer getestet
Das sorgte schon einmal für Schlagzeilen – allerdings bekam die Öffentlichkeit außer einigen animierten Bildern für eine ganze Weile wenig Greifbares zu Gesicht. Doch dann, vor wenigen Wochen, ging die Reißbrettphase zu Ende, und die Sache wurde sehr konkret: In der Nordsee lässt Boyan Slat sein Verfahren zur Reinigung der Ozeane das erste Mal auf dem Meer testen.
„Prototyp erfolgreich aufgestellt, Mission erfüllt“, verkündete er am 23. Juni auf Twitter. Es ist ein großer Tag für ihn und das Projekt „The Ocean Cleanup“. Medienwirksam posierte Slat mit Teilen der Crew auf Fotos von der errichteten Testanlage, die vor der holländischen Küste platziert wurde. Ab sofort wird er nun dort anfangen zu arbeiten. Für mehrere Monate, maximal für ein Jahr, abhängig davon, wie die Ergebnisse aussehen.
Allerdings ist die Anlage nur eine sehr kleine Ausführung dessen, was später einmal zum Einsatz kommen soll. Sie ist gerade mal 100 Meter lang – für die Zukunft sind Anlagen von 100 Kilometern Länge geplant. Eine Art schwimmendes v-förmiges Netz dieser Größe wird dann in den vermüllten Meeresbereichen errichtet werden, wobei das eigentliche Müllsammeln von der Strömung und dem Wellengang erledigt wird. Das unerwünschte Treibgut wird in die dichten Auffangflächen gespült, ein Leitsystem verstaut es in einem Container, der regelmäßig ausgetauscht wird.
Die Testanlage soll erstmal kein Plastik einsammeln, sondern Daten
Das durch Sonnenlicht und Wellengang verkleinerte Mikroplastik wird dieses System nicht herauskeschern können, weil es sich oft am Meeresboden ablagert. Aber durch das Entfernen von grobem Müll kann zumindest die Entstehung von noch mehr Mikroplastik verhindert werden. Zehn Jahre soll es dauern, bis die Hälfte des Great Pacific Garbage Patch, des größten aller Müllfelder im Meer, auf diese Weise entfernt ist.
Die Testanlage hingegen, genannt „Boomy McBoomface“, soll erstmal noch gar kein Plastik einsammeln, dafür aber Daten – mit Hilfe von Bewegungssensoren, Kameras und Messgeräten. So wollen die Ingenieure Erkenntnisse über die Belastbarkeit einer Konstruktion gewinnen, die später in viel größerer Ausführung der Belastung auf hoher See standhalten muss. Übersteht Slats Erfindung die Probezeit, wird sie nach derzeitiger Planung 2017 im Pazifik vor der japanischen Küste ihren ersten echten Einsatz haben. Dort, wo die Vermüllung besonders schlimm ist.
Da Slat dem Ökosystem Meer nicht durch weitere Fremdkörper zusätzlich schaden möchte, ließ er vor der Testphase noch von dem internationalen Ingenieurunternehmen Royal HaskoningDHV untersuchen, wie sich der Prototyp auf Flora und Fauna auswirken könnte. Das Ergebnis des Quick Scans: Von Boomy McBoomface geht keine nennenswerte Gefahr aus.
Jedoch blieb The Ocean Cleanup von Kritik nicht ganz verschont. Meeresbiologen gaben etwa zu bedenken, dass die für den Pazifik geplante Anlage durch Meerestiere verkrusten und unbrauchbar werden könnte. Auch würde man Gefahr laufen, an der Oberfläche treibende Organismen mit abzuschöpfen, wie die Umweltorganisation 5gyres zu bedenken gab. Slat zeigte sich dagegen weiterhin unbeirrt, räumte aber ein, The Ocean Cleanup sei nicht die ganze, aber ein Teil der Lösung für das Plastikproblem in den Weltmeeren. In einem Interview mit dem englischen „Guardian“ sagte er, er selbst gehe von einer 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass das Modell auch scheitern könne. Doch selbst dann würde man zu verwertbaren Ergebnissen kommen und dazulernen.
Aber ein Scheitern ist für Slats Anhänger, mittlerweile 32 Angestellte im Team und über 40 Sponsoren erst mal kein Thema. Sie wollen die Weltmeere lieber heute als morgen von schwimmenden Waschmittelflaschen und Plastiktüten-Fetzen befreien.