Nach der Reisernte im August ist es so weit: Auf der indonesischen Insel Sulawesi werden dann Gräber und Särge geöffnet. Für die Toraja ist das Leben auf der Erde nur eine Station. Wirklich wichtig wird es erst im Puya, dem Jenseits.
Die Beerdigung ist der erste Höhepunkt auf diesem Weg. Der tote Leichnam bleibt zunächst einbalsamiert im Haus seiner Familie. Oft wochen-, monate- oder sogar jahrelang. Erst wenn alle Verwandten zusammenkommen können und eine stattliche Beerdigung finanziert werden kann, wird der Tote beerdigt. Je nach Rang und Einfluss des Toten werden dann zu seinen Ehren Wasserbüffel geopfert oder gelegentlich Hahnenkämpfe abgehalten. Die größten Trauerfeiern dauern mehrere Wochen.
Bei der Ma’Nene-Zeremonie holen die Angehörigen die mumifizierten Körper wieder aus ihren Särgen. In manchen Dörfern geschieht das jedes Jahr, in anderen nur alle sieben oder zehn Jahre. Mit dem Pinsel reinigt der Witwer seine verstorbene Frau, der Enkel steckt seinem toten Opa schon mal eine Zigarette in den Mund und kleidet ihn neu ein. Wichtig ist: Es sind frohe Feste, keine traurigen Beerdigungen. Die Angehörigen machen Selfies mit den Toten, betrachten die wertvollen Grabbeigaben, essen ein Festmahl.
Diese Tradition ist weltweit einzigartig. Wie lange es sie schon gibt, weiß man nicht. Sie überlebte sogar die niederländische Kolonialisierung Indonesiens. Seitdem ist das Volk der Toraja überwiegend protestantisch. Eine Seltenheit im muslimischen Indonesien. Ma’nene mischte sich in ihren christlichen Glauben als Überbleibsel aus ihrem traditionellen „Aluk To Dolo“-Glauben.
Mittlerweile haben auch Touristen diese – für manchen Außenstehenden kuriose – Tradition entdeckt. Dass sie Ma’nene miterleben dürfen, ist kein Problem, sondern eher eine Ehre für die Toraja. Schwierig ist nur, die kleinen, abgelegenen Dörfer im Herzen der Insel zu erreichen.
Claudio Sieber, der Fotograf, wählte extra ein Dorf, zu dem nur eine Straße in „sehr schlechtem Zustand“ führt, um weniger „Totentouristen“ zu begegnen. Er sei von mehreren Familien herzlich aufgenommen worden, durfte beim Festmahl mitessen und hätte nur einmal höflich „Nein“ sagen müssen, als eine Mutter ihm einen Kinderleichnam überreichen wollte. „Auch wenn diese Gedenktage für mich noch so befremdend gewesen sein mögen, aus dem Blickwinkel der hier anwesenden Familien waren es Tage der Freude, eine Gelegenheit, um sich selbst zu feiern und um ihren Liebsten die Ehre zu erweisen. Vielleicht hätte ich sie mal fragen sollen, was sie von bezahlter Grabpflege inklusive Gießdienst halten. Sie wären bestimmt geschockt gewesen.“