Etwa 100 isoliert lebende Stämme soll es noch auf der Erde geben, doch die meisten erhalten früher oder später Besuch – erst von neugierigen Forschern, dann oft von Touristen, die nach paradiesischen Gegenden suchen. Wie man sich den Rest der Welt erfolgreich und dauerhaft vom Leib hält, zeigt das Beispiel der Insel Nord-Sentinel.
Schon sehr früh, nämlich im 10. Jahrhundert, berichteten die ersten Schiffsreisenden von der Andamaneninsel Nord-Sentinel, die im Schutz eines Korallengürtels im Golf von Bengalen liegt. Ausge- machte Fremdenfeinde seien ihre Bewohner, so sag- te man. Gott sei Dank sehr isoliert, denn sie frä- ßen ihre Besucher bei lebendigem Leib. Marco Polo schrieb Ende des 13. Jahrhunderts: „Sie haben Köpfe, Augen und Zähne wie Hunde. Sie sind sehr grausam und töten jeden Fremden, der ihnen in die Hände fällt.“ Marco Polo hat die Insel wahrscheinlich nie betre- ten. Er fällte sein Urteil nach Hörensagen und trug so dazu bei, dass die Sentinelesen bis heute als besonders grausam gelten. Die indische Regierung versuchte lange Zeit, die Sentinelesen an die
„Zivilisation“ heranzuführen, um aus der Insel eine Kokosplantage zu machen – auch mit Geschenken. 1974 brachte ein Filmteam Aluminiumtöpfe, eine Puppe
und ein Schwein mit. Die Sentinelesen attackierten beides mit Pfeil und Bogen und vergruben die Ge- schenke im Sand. Ende der 90er-Jahre stellte die indische Regierung die Versuche der Kontaktaufnahme weitgehend ein. Ein Segen für die Sentinelesen. Denn durch Kontakte mit Fremden wurden schon viele Völker dezimiert, weil sie gegen eingeschleppte Krankheiten keine Abwehrkräfte besaßen.