Was passiert?
3.000 Schwule auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer. 3.000 halb- bis ganz nackte Männerkörper unter der brennenden spanischen Sommersonne. Jeden Abend eine opulente Mottoparty, nach der am Ende die benutzten Kondome vom Deck gefegt werden müssen. Das ist keine bescheuerte Klischeeklamotte, das gibt es wirklich. Es heißt „The Cruise“ und der deutsche Regisseur Tristan Ferland Milewski hat den einwöchigen Trip begleitet. Fünf Passagiere nimmt er dabei in den Fokus: den Inder Dipankar, 32 und erst seit zwei Jahren geoutet, um einer arrangierten Hochzeit auszuweichen. Den nach Großbritannien ausgewanderten Polen Marek, 24, der die große Liebe sucht. Den hedonistischen Österreicher Martin, der mit 42 aussieht und lebt, als wäre er Ende 20. Ramzi, 31, der aus Palästina nach Belgien gekommen ist und mit seinem Partner auf dem Schiff ist. Und den Franzosen Philippe, 47, der seit 20 Jahren im Rollstuhl sitzt (was ihm, wie er sagt, auf dem Schiff einen optimalen Blickwinkel gibt, schließlich kann er so allen Männern auf den Arsch schauen).
Was zeigt uns das?
Sehr intime Einblicke. Milewski kommt seinen Protagonisten physisch und emotional sehr nah. Sie erzählen von Akzeptanz und Outing, was vor allem bei den Männern aus schwulenfeindlicheren Ländern neue Perspektiven eröffnet. Sie erzählen von Krankheiten und Schicksalsschlägen und wie wichtig es ist, das Leben und den Moment zu genießen. Sie erzählen von Männlichkeitsbildern und Körperkult – und so geht „Dream Boat“ auch darauf ein, dass der sexbetonte Hedonismus von einem Teil der Schwulenszene ein gnadenloser Fleischmarkt ist, der auch Verlierer kennt. Speziell Marek und Dipankar erleben auf dem Partyschiff auch Momente großer Einsamkeit und Selbstzweifel.
Wie wird’s erzählt?
„Dream Boat“ erfindet ein neues Genre: den Hochglanzdokumentarfilm. Die sehr präsente Musik ist wie aus dem “Traumschiff”, die Farbstimmung wie aus einem Urlaubsprospekt, der Titel-Schriftzug wie aus einem Kabarett-Theater und der Himmel wie aus Kalifornien. Abgesehen davon gibt es, wie oft im Kino-Dokumentarfilm, keine Sprecherstimme oder andere Erklärinstanz, alles ergibt sich aus dem Gezeigten.
Beste Nebenrolle
Eine Drohne. Sie filmt das Schiff von oben und gibt dem Hochglanzlook den letzten Schliff.
Stärkster Satz
„Ich bin schwul. Ich habe mir das nicht ausgesucht. Ich hatte einfach Glück!"
Stärkste Szene
Länderparty, Lederparty, Alles-in-Weiß-Party, Dragqueen-Party, Schwarzlicht-Party: Jeden Abend ist eine neue Sause auf dem Schiff und die beginnt mit Schminken und Ankleiden – was mit all seinen Pannen ein wiederkehrendes „Comic Relief“ des Films ist.
Ideal für ...
... Überraschung: Schwule. Das ist ein Film aus der Community für die Community, es geht um nichts anderes als schwule Identitäten. Aber das können sich natürlich auch sonst alle anschauen. Es lohnt sich.
„Dream Boat“, Regie: Tristan Ferland Milewski, Deutschland 2017, 93 Min.
Foto: Gebrueder Beetz Filmproduktion