Fluter: Wie würdet ihr eure Schule in puncto Digitalisierung beschreiben? In einem Wort.
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Lehrer Daniel Jurgeleit: Fortgeschritten.
Schülerin Laura: Mittelmäßig.
Unsere Schule ist zwar eigentlich schon recht fortgeschritten, was die Digitalisierung betrifft, aber halt noch nicht auf dem allerneuesten Stand.
Was wäre denn der „allerneueste Stand“?
Also wir haben an unserer Schule zwar Beamer in jedem Raum und WLAN im ganzen Schulgebäude. Aber wir haben jetzt zum Beispiel noch keine iPads zum Schreiben oder so was.
Viele Parteien haben vor der Wahl versprochen, die Schulen stärker zu digitalisieren. Angenommen, eure Schule würde also demnächst einen vielleicht sechsstelligen Geldbetrag dafür zur Verfügung bekommen. Würde das helfen?
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Die Technik würde dann zwar vorhanden sein, aber die Lehrer würden sie wenig nutzen. Viele Lehrer sind so ausgelastet, dass sie gar keine Zeit finden, ihren Unterricht umzuplanen, selbst wenn sie prinzipiell dazu bereit wären.
Was würdet ihr mit dem Geld anfangen?
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iPads wären eine super Sache.
Im Ernst, es braucht gar nicht so viel: Ich mache heute schon alles über Notebook und Beamer. Was sonst an der Tafel stehen würde, tippe ich darauf in ein Word-Dokument, das alle Schüler jederzeit über eine Dropbox einsehen können, falls sie mal den Unterricht verpasst haben. Es ist so auch einfacher, Filme oder Bilder zu zeigen. HDMI-Kabel rein, los geht’s.
Internet, Beamer und funktionierende Computer. Damit kämen wir im Unterricht eigentlich schon super aus.
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Genau. Whiteboards sind eher überflüssig.
Was war euer schönster Moment im Unterricht mit digitaler Technik?
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Ich habe vor einigen Jahren angefangen, mit meinen Schülern im Unterricht online zu spielen ... das war schon ein Woohaaa-Moment.
Ihr spielt im Unterricht ein Online-Spiel?
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Ja. Das ist ein Online-Spiel namens „Classcraft“ und erinnert stark an „World of Warcraft“. Die meisten Schüler lieben es. Sie haben ihre eigenen Figuren und können online Punkte sammeln durch Mitarbeit im realen Unterricht.
Das war für uns Kleinen damals schon ziemlich cool.
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Und sie können die Punkte natürlich auch wieder verlieren, wenn sie schlecht mitmachen oder ihre Hausaufgaben nicht erledigen. Das Spiel läuft nebenbei auf dem Beamer, und ich vergebe die Punkte auf meinem Smartphone.
Und was war der schlimmste Unterrichtsmoment mit moderner Technik?
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Hm, so richtig schlimm ... das hatte ich noch nicht, glaube ich.
Nur wenn die Technik sozusagen mal ihren eigenen Kopf durchgesetzt hat.
Davon können Sie Lieder singen!
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Ach ja? War da bei mir mal was?
Nein, bei Ihnen doch nicht.
War da nicht mal was mit Kampfstern Galactica?
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Okay, ich glaub, letztes Jahr in der 10. Klasse waren wir gerade mitten in einer SciFi-Filmanalyse und der Beamer ging nicht. Dann musste man in den Computerraum, alle Leute hinbringen, und so weiter ... Schnell, nächste Frage.
Außer mehr Geld für neue Technik – was braucht es noch, damit die Digitalisierung ein Erfolg wird?
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Noch fehlt ein großes Gesamtkonzept. Im Moment hängt es vom einzelnen Lehrer ab, ob im Unterricht mit der neuen Technik gearbeitet wird. Und vielen fehlt nicht nur die Zeit, sondern auch eine Weiterbildung, um die neue Technik kennenzulernen.
Ein Gesamtkonzept für die Digitalisierung an Schulen wird gerade erarbeitet. Wenn es nach den Kultusministern geht, dann soll in fünf Jahren die Technik an allen Schulen funktionieren. Und in zehn Jahren soll die digitale Technik in allen Fächern mit auf dem Lehrplan stehen. Bis dahin werden sich alle Lehrer anpassen müssen ...
Es ist ja jetzt schon so, dass gerade die jüngeren Lehrer immer mehr auf die Technik zugreifen und die älteren eher nicht. Bei denen wissen die Schüler meistens besser, wie es geht.
Deshalb gibt es ja auch an manchen Schulen inzwischen Kurse, in denen die Lehrer von den Schülern lernen, wie sie mit der neuen Technik umgehen können ...
Ehrlich? Find ich gar keine schlechte Idee ...
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Wenn man da noch was lernen kann.
Ich wär dabei!
Wie sieht’s mit Handys aus? Sind die an eurer Schule erlaubt?
Also das ist die Frage, die, denke ich, tausendmal im Schuljahr gestellt wird von uns Schülern. Aber Handys sind generell verboten. Benutzen dürfen wir sie nur, wenn die Lehrer es erlauben.
Und halten sich die Schüler dran? Laura?
Na ja, also in den Pausen werden die Handys generell trotz des Verbots genutzt. Aber das erfahren die meisten Lehrer nicht. Es sei denn, man ist als Schüler einfach zu unachtsam. In dem Punkt werden Schüler in der Schule zu echten Geheimagenten.
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... die aber oft hoppsgenommen werden.
Das stimmt, aber eben nur, wenn man nicht gut genug aufpasst. Wenn die Schulordnung hier geändert würde, wäre das für uns Schüler eine Riesenerleichterung.
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Da bin ich sehr zwiegespalten. Es gibt Schulen, die Handys außerhalb des Unterrichts erlauben, und das funktioniert wohl ganz gut. Wie man an Lauras Antwort sieht, benutzen die Schüler die Handys trotz Verbot. Andererseits verstehe ich auch die Schulleiter anderer Schulen, die an dem Handyverbot festhalten, wenn es zum Beispiel um Cybermobbing geht. Schwierig. Ich würde es aber doch eher beim Verbot belassen, weil ich auch häufig beobachte, dass gerade die Unterstufen eher nicht verantwortungsbewusst mit dem Handy umgehen.
Wie viel Zeit verbringt ihr denn pro Tag online?
Bestimmt so ... vielleicht 13–16 Stunden.
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Bei mir sind es ca. 3 Stunden.
Laura ist also nur dann offline, wenn sie schläft
Na ja, also ich tendiere eher zu den 13 als zu den 16
Aber ich bekomme jetzt keine Entzugserscheinungen, wenn ich mal kein Handy hab.
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LOL, doch! Weißt du noch, als du dein Handy in der Schule nach dem Rollenspiel vergessen hast?
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Deine Mama hat Katastrophenalarm ausgelöst!
Ja, Handy verloren/vergessen zu haben ist was anderes.
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Klar, ist das ist was anderes ... nicht.
Das klingt ja schon, als wäre Ablenkung eine ziemlich ernste Gefahr, wenn auch in der Schule immer Internet verfügbar wäre. Was lernt man besser ohne Computer?
Ich denke, Vokabeln schreiben, wenn man eine andere Sprache lernt. Aber sonst fällt mir grade nichts ein.
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Ich denke, es ist fast immer besser, ohne Computer zu lernen. Also wenn jemand daheim sitzt und etwas lernen will. Am Computer ist die Versuchung der Ablenkung recht groß. Auch gibt es zum Beispiel Apps, die mathematische Gleichungen lösen: abfotografieren und dann wird das Ergebnis ausgespuckt. Das hat natürlich auch keinen Lerneffekt. Ich denke, unterm Strich ist Lernen noch immer am besten, wenn man alles selber macht.
Ich musste früher als Schüler für manche Hausaufgaben in die Stadtbibliothek radeln, um etwas zu recherchieren oder nachzuschlagen. Heute haben die Schüler den Zugang zum gesamten Wissen der Welt in der Hosentasche. Eigentlich müsste man denken, dass sie dadurch besser in der Schule sind, aber ich beobachte eher das Gegenteil. Die Technik wird zum Ablenken benutzt. Die können unterm Strich weniger als noch Schüler vor 10 Jahren. Man müsste ihnen bewusst machen, wie man das Weltwissen für sich richtig nutzt.
Daniel Jurgeleit ist Englischlehrer am Staufer-Gymnasium in Pfullendorf, einer Stadt in der Nähe des Bodensees in Baden-Württemberg.
Laura geht dort in die zehnte Klasse. Sie ist eigentlich selten bei WhatsApp. Sie mag lieber Snapchat und Instagram.
Infokasten: Digitalisierung von Schulen
Eigentlich sind sich alle Politiker einig: Der Unterricht an deutschen Schulen muss digitaler werden. Nur wie, das ist die Frage. Das Bundesministerium für Bildung hatte Anfang 2017 angekündigt, fünf Milliarden Euro in die digitale Bildung zu investieren, um damit 40.000 Schulen technisch aufzurüsten. Im Gegenzug sollten die Bundesländer für die Weiterbildung der Lehrer sorgen, damit diese die neue Technik auch wirklich benutzen. Ob und wie die Ankündigungen nach der Wahl umgesetzt werden, ist noch unklar. Auch die SPD wollte Schulen besser ausstatten und versprach dafür zwölf Milliarden Euro. Momentan gilt eine Regierungskoalition aus CDU, FDP und Grünen als wahrscheinlicher („Jamaika-Koalition“). Die FDP liegt mit den versprochenen Investitionen (8,5 Milliarden Euro) zwischen CDU und SPD. Die Grünen versprechen fast so viel Geld wie die SPD (10 Milliarden Euro), allerdings nicht nur für neue Technik, sondern generell für Schulen in armen Kommunen.
Illustration: Bureau Chateau / Jannis Pätzold