Wie kam es zur Finanzkrise 2008?
In den Jahrzehnten vor der Krise hatte die US-Politik die Finanzmärkte dereguliert. Banken konnten Schlupflöcher mit nichtregulierten Instituten im Ausland ausnutzen, um immer mehr Risiken einzugehen und hohe Gewinne zu erzielen. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die fallenden Aktienkurse der neuen Internetunternehmen um die Jahrtausendwende drohten das Land in eine Wirtschaftskrise zu stürzen. Die Zentralbank Fed wollte das verhindern und druckte seit 2001 immer mehr Geld, gleichzeitig sanken die Zinsen.
Dadurch konnten auch Menschen mit kleinem Einkommen Kredite aufnehmen und Häuser kaufen, obwohl viele keine Sicherheiten vorweisen konnten, die die Banken bei Zahlungsausfall bekommen würden. Der „American Dream“ vom Eigenheim sollte für möglichst viele wahr werden. Die Banken fanden das gut, weil sie an jedem vergebenen Kredit Geld verdienten. Dass dieses Geschäft riskant war – in den USA sind die Zinsen nur für kurze Zeit festgeschrieben –, störte sie zunächst wenig, denn sie konnten die Kredite mit anderen, besseren Produkten in Wertpapiere bündeln und weltweit weiterverkaufen. Das Risiko, dass ein Kredit nicht abgezahlt wurde, lag damit beim Käufer, also meistens bei der nächsten Bank.
Solche riskanten Geschäfte sollen eigentlich durch Bewertungsagenturen eingeschränkt werden, die schlechte Noten für unsichere Finanzprodukte verteilen. Vor der Finanzkrise bewerteten die großen Agenturen die Pakete mit Immobilienkrediten deshalb als „mit geringem Risiko behaftet“ – auch wenn sie nicht gedeckt waren. So gerieten viele „faule“ Kredite in Umlauf, und es entstand eine sogenannte Immobilienblase. Später verklagte die US-Regierung sogar Standard & Poor’s, eine der großen Bewertungsagenturen, wegen falscher Ratings, die zur Krise beigetragen haben sollen.
Nach einiger Zeit hob die US-Notenbank den Leitzins an, wodurch auch die Hypothekenzinsen stiegen und viele Kreditnehmer ihre Hypotheken nicht mehr zurückzahlen konnten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als das neue Eigenheim wieder zu verkaufen, eine andere Sicherheit hatten viele nämlich nicht. Zunächst war das leicht, weil die Immobilienpreise noch boomten. Mit dem verkauften Haus konnte der Kredit abbezahlt werden, ohne große Verluste zu machen. Je mehr Schuldner jedoch ihre Häuser wieder verkaufen mussten, desto mehr sanken die Immobilienpreise im ganzen Land. Der Verkauf der Immobilie brachte somit nicht mehr genug Geld, um die Kredite abzubezahlen. Die Banken bekamen ihr verliehenes Geld nicht mehr zurück – ein Banken-Crash folgte auf den anderen.
Am 15. September 2008 meldete die Investmentbank Lehman Brothers, die sich am Geschäft mit den Immobilienkrediten stark beteiligt hatte, Insolvenz an – mit weitreichenden Folgen. Die Finanzkrise hatte ihren Höhepunkt erreicht.
Welche Folgen hatte die Finanzkrise?
In den USA verloren in direkter Konsequenz viele Menschen ihr Haus und große Teile ihrer Ersparnisse. Der weltweite Handel brach extrem ein, weil Unternehmen nicht mehr sicher sein konnten, ob die Bank eines Handelspartners noch zahlungsfähig sein würde, bis der Handel abgeschlossen war. Und auch die Banken untereinander konnten sich nicht mehr vertrauen. Normalerweise leihen sie sich ständig gegenseitig Geld, um Überschüsse auszugleichen und ihr Geld immer im Fluss zu halten. Aber das war kaum mehr möglich, weil nicht klar war, ob die eine Bank das Geld von der anderen Bank am nächsten Tag noch zurückbekommen würde. Deswegen gingen die Banken dazu über, ihr Geld zu horten, statt es den Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg schrumpfte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2009 um rund fünf Prozent. Seit 1946 hatte es in Deutschland bis dato nur fünf Jahre mit negativem Wirtschaftswachstum gegeben.
Durch den wirtschaftlichen Einbruch verloren viele ihre Jobs, besonders in Südeuropa stieg die Jugendarbeitslosigkeit, und auch wer seine Arbeit behielt, hatte Grund zur Sorge. Der Unmut über die riskanten Geschäfte und die Macht der Banken führte beispielsweise zu der Bewegung Occupy Wall Street, die zuerst den Zuccotti Park im Finanzdistrikt von Manhattan und später weitere öffentliche Plätze aus Protest besetzte.
Auch im globalen Süden hatte die Krise Folgen. In afrikanischen Ländern südlich der Sahara beispielsweise waren die Banken zwar kaum in den globalen Finanzmarkt eingebunden, doch neben Immobilien war auch auf Lebensmittel und Öl spekuliert worden, was die Preise für Grundnahrungsmittel und Benzin bis 2008 dramatisch beeinflusste. Da die Möglichkeiten, die Produktion vor Ort zu erhöhen, begrenzt waren und die Regierungen Lebensmittel kaum subventionierten, waren Konsumenten in vielen afrikanischen Ländern den steigenden Marktpreisen ausgeliefert. Der World Food Price Index der Weltbank erreichte im Juni 2008 seinen Höchststand. Nahrungsmittel wurden für viele Menschen unbezahlbar. Die Folge: Die Anzahl der Hungernden weltweit stieg um 75 Millionen.
Wie wurde die Krise aufgefangen und Banken gerettet?
Eine akute Gefahr für Banken bestand darin, dass viele Kunden ihre Ersparnisse plötzlich aus Sorge vor der Insolvenz ihrer Bank abheben würden – ein sogenannter „Bank Run“. Viele Regierungen gaben daher Garantien, dass die Gelder auf privaten Konten sicher seien, um die Situation zu beruhigen. Auch für das Geschäft von Banken untereinander wurden Garantien vergeben. Ein Staat sagte den Banken im Land zu, im Zweifelsfall an ihrer Stelle Schulden zu begleichen. Mit dieser Gewissheit konnten Banken sich wieder gegenseitig Kredite geben.
Die staatlichen Hilfen bewahrten die Banken vor der Insolvenz, einige wurden sogar direkt mit Staatshilfe gerettet. In Deutschland beispielsweise die Hypo Real Estate oder die Commerzbank. Viele kritisierten das Verfahren als ungerecht, da die Verluste des Bankengeschäfts sozialisiert (also von der Gesellschaft getragen), die Gewinne riskanter Geschäfte hingegen privatisiert wurden (also den Banken und ihren Managern zugutekamen). Andererseits hat die ungeordnete Insolvenz von Lehman Brothers 2008 einen Schneeballeffekt ausgelöst. Die US-Regierung hatte die Bank nicht als systemrelevant eingestuft und sie deswegen nicht mit Staatsgeldern unterstützt.
Die Bundesregierung beschloss zwei Konjunkturpakete, die rund 80 Milliarden Euro beispielsweise für Unternehmen, Bildung und Infrastruktur bereitstellten, um dem Wirtschaftswachstum nachzuhelfen.
Wie ist aus einer Finanz- eine europäische Schuldenkrise geworden?
Das Geld, das für die Rettung von Banken zur Verfügung gestellt wurde, belastete die Haushalte aller Euroländer. Ihre Schulden stiegen. Dort, wo die Staatsverschuldung schon zuvor hoch gewesen war, war dies besonders problematisch.
In Griechenland kam erschwerend hinzu, dass die im Oktober 2009 neu gewählte Regierung aufdeckte, dass die Staatsverschuldung deutlich höher war als bis dahin angegeben. Damit begann ein Teufelskreis aus hohen Staatsschulden und hohen Zinsen für neue Kredite, weil Banken dem so verschuldeten Athen natürlich kein Geld oder nur zu sehr hohen Zinsen leihen wollten. Schließlich war es höchst unsicher, ob sie das Geld auch zurückbekommen würden. Im April 2010 galt Griechenland deswegen als so gut wie bankrott. Es hatte keine Möglichkeit mehr, an Geld zu kommen. Ein griechischer Staatsbankrott hätte bedeutet, dass Investoren auch das Vertrauen in Staatsanleihen anderer Eurostaaten verloren hätten und die Zinsen dafür stark gestiegen wären. Weitere hoch verschuldete Staaten wie Portugal, Spanien, Irland und Italien drohte ein ähnliches Schicksal wie Griechenland. Diese Staatsschuldenkrise wird auch als Eurokrise bezeichnet.
Die wichtigsten Stationen der Finanzkrise von 2008 bis 2018
Was wurde unternommen, um die Eurokrise zu überwinden?
Es ist eine Besonderheit des Euroraumes, dass verschiedene unabhängige Staaten dieselbe Währung benutzen. Die unabhängige Europäische Zentralbank (EZB) übernimmt die Geldpolitik für alle Eurostaaten. In der Krise offenbarte sich diese Konstruktion als Problem, weil dies den Ländern mit hohen Staatsschulden die Möglichkeit verwehrte, selber Geld in Umlauf zu bringen, um Schulden zu begleichen – auch wenn sie dafür möglicherweise später eine Inflation hätten in Kauf nehmen müssen.
Da Griechenland keine eigene Währung hatte, die es abwerten konnte, wurde der Staatsbankrott im Jahr 2010 durch finanzielle Hilfen in Höhe von 110 Milliarden Euro durch andere Euroländer, die Europäische Zentralbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) verhindert.
Das Geld wurde zunächst über einen kurzfristig eingerichteten Rettungsschirm (EFSF für Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) und später über den langfristig eingerichteten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für Euroländer in kritischen Situationen bereitgestellt. Griechenland wurde so seit 2010 von den Euroländern und dem Internationalen Währungsfonds mit Darlehen in einer Höhe von rund 289 Milliarden Euro unterstützt, von denen jedoch nicht alle abgerufen wurden.
Die Gelder gibt es aber nicht umsonst, sie werden nur als Darlehen gewährt. Wenn sich die griechische Wirtschaft über die nächsten Jahrzehnte stabilisiert, könnten die Geldgeber also an den Zinsen verdienen. Deutschland hat bis jetzt 2,9 Milliarden Euro Gewinn mit den Hilfsgeldern für Griechenland gemacht. Ob das so bleibt, ist aber unsicher. Denn Griechenland könnte immer noch pleitegehen oder einen Teil der Schulden erlassen bekommen. Außerdem gibt es das Geld nur gegen die Bedingung, dass die betroffenen Länder tiefgreifende Sparmaßnahmen umsetzen, um in Zukunft für Wirtschaftswachstum zu sorgen. Ob Sparen wirklich der beste Weg ist, ist umstritten. Es ist ein Konflikt zwischen zwei finanzpolitischen Annahmen: die Staatsausgaben durch Einsparungen zu senken oder die Wirtschaft durch Investitionen anzukurbeln, so wie es die Bundesregierung mit den beiden Konjunkturpaketen getan hat.
Auch die Europäische Zentralbank hat viel Geld zur Verfügung gestellt. Mit seinem Versprechen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von überschuldeten Euroländern aufkaufen zu wollen, hat der Vorsitzende der EZB, Mario Draghi, im Sommer 2012 dafür gesorgt, dass bis dahin riskante Staatsanleihen für Investoren wieder infrage kamen. Seine bloße Ankündigung gilt als Wendepunkt in der Eurokrise.
Im August endete übrigens das letzte Rettungsprogramm für Griechenland, das nun wieder an die Finanzmärkte zurückgekehrt ist.
Wie will die EU verhindern, dass es zu weiteren Finanzkrisen kommt?
Es gibt viele Ideen, wie zukünftige Eurokrisen verhindert werden könnten. Und die meisten erfordern, dass europäische Länder in Finanzfragen enger zusammenarbeiten.
Manche halten es für sinnvoll, einen europäischen Finanzminister zu ernennen, der sich um die Finanzpolitik aller Länder in der Eurozone kümmert. Es bleibt fraglich, ob die Regierungen der Euroländer diese Kompetenz abgeben wollen.
Anstelle der nationalen Staatsanleihen könnten Eurobonds eingeführt werden. Investoren würden somit in alle Euroländer gleichzeitig investieren, und die Probleme eines Staates hätten weniger Auswirkungen auf die Zinsen für solche Papiere. Kritiker sagen, die ökonomisch schwächeren Staaten hätten so allerdings wenig Anreize, solide zu wirtschaften. Schließlich könnten sich alle beteiligten Staaten gleich günstig Geld leihen.
Den Vorschlag, dass Banken in Europa einheitlich kontrolliert und eine Insolvenz gemeinschaftlich aufgefangen werden soll, nennt man „Bankenunion“. Die wurde zu großen Teilen bereits umgesetzt. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Aufsichtsbehörde unter dem Dach der EZB angesiedelt ist, obwohl sie eigentlich unabhängig sein müsste. Schließlich seien Situationen denkbar, in denen beide Institutionen verschiedene Interessen haben könnten. Ebenso seien die Ausnahmeregeln zu weitreichend. So konnte der italienische Staat 2017 zwei kleine Banken mit 17 Milliarden Euro Steuergeld retten. Und das sollte es ja eigentlich nicht mehr geben, wenn die Insolvenz einer Bank nicht gefährlich für das gesamte Finanzsystem ist.
Gemeinsam könnten die EU-Länder erneut potenzielle Krisenländer retten. Doch mitgehangen, mitgefangen: Kritiker dieser Maßnahmen warnen, dass eine Schuldenkrise einzelner Euroländer die anderen Staaten dann auch stärker betreffen würde.
Titelbild: Sebastien Micke/Paris Match via Getty Images