Der Appell an alle Frauen
Die Aktivistin Tarana Burke gilt als #MeToo-Begründerin. Doch das Feuer entfachte eine andere: Schauspielerin Alyssa Milano machte den Hashtag populär, indem sie betroffene Frauen 2017 ermutigte, via Twitter auf sexuelle Belästigungen und Übergriffe aufmerksam zu machen. Auslöser war der Skandal um den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein, der mehrere Frauen vergewaltigt und sexuell genötigt hat. Doch schnell ging es nicht mehr nur um den Fall Weinstein oder Hollywood, sondern um Fälle sexueller Belästigung überall auf der Welt. „Wenn ihr sexuell belästigt oder angegriffen wurdet, schreibt ‚me too‘ als Antwort auf diesen Tweet“, forderte Milano die Frauen auf. Die Folge: Der Hashtag wurde millionenfach in den Sozialen Medien verbreitet und setzte weltweit eine Debatte in Gang. Frauen waren nicht mehr nur Empfängerinnen der Botschaften, sondern teilten ihre eigenen Erfahrungen. Allein auf Facebook wurde der Hashtag in den ersten 24 Stunden von mehr als 4,7 Millionen Menschen verwendet. Das zeigte eindrücklich, wie viele Frauen weltweit sexuelle Belästigung erfahren haben. Jahrzehntelang geschahen solche Übergriffe im Dunkeln. Durch #MeToo war der Moment gekommen, sie öffentlich zu diskutieren und aufzudecken.
Ein schwarzes Bild, das vieles sichtbar machte
Bereits 2013 nutzten Afroamerikaner und Afroamerikanerinnen Twitter, um sich über Gewalt an Schwarzen auszutauschen und für ihre Rechte zu kämpfen. Sie formierten sich zu einer Protestbewegung: Black Lives Matter. Nach der Tötung von George Floyd vor knapp zwei Jahren und der Veröffentlichung des Videos davon verbreiteten sich Hashtags wie #BlackLivesMatter, #BlackoutTuesday und #icantbreathe, die letzten Worte Floyds, in der ganzen Welt. Mehr als 19 Millionen Mal wurde allein der Hashtag #Blackouttuesday auf Instagram gepostet, dazu millionenfach ein schwarzes Bild. Die Aktion sollte zum Nachdenken über Rassismus anregen. Aber nicht nur online wurde protestiert: In Städten wie Wien, Lagos, Berlin und Tokio gingen die Menschen auf die Straße. Die Demonstrationen brachten politische Debatten über unterschiedliche Facetten von Rassismus auf den Tisch. Auch in Deutschland wurde in der Politik und in den klassischen Medien daraufhin vermehrt über Rassismus wie etwa Racial Profiling diskutiert und berichtet. Dieses globale Ausmaß kam wohl vor allem dank der Sozialen Medien zustande.
Oben ohne, bitte!
Seit der Islamischen Revolution 1979 gelten strenge Kleiderregeln für Frauen im Iran: Unter anderem müssen Mädchen ab der Grundschule ein Kopftuch tragen. Dagegen sträubte sich Masih Alinejad, eine der bekanntesten Kritikerinnen der iranischen Regierung, schon als Kind. Als junges Mädchen kämpfte die heute 45-Jährige in ihrem Heimatdorf Ghomikola im Nordiran dafür, die gleichen Rechte wie ihr Bruder zu bekommen. Als Studentin wurde sie als Regimegegnerin verhaftet. Als Parlamentskorrespondentin in Teheran erhielt sie ein Berufsverbot. Heute lebt sie im Exil in New York. 2014 startete sie eine Facebook-Initiative: „My Stealthy Freedom“. Mehr als eine Million Nutzerinnen und Nutzer haben die Facebook-Seite abonniert. Sie gilt heute als Plattform für Proteste von Iranerinnen, die sich gegen die Kopftuchpflicht aussprechen. Masih Alinejad ist eng mit Aktivistinnen im Iran vernetzt und startete mehrere Kampagnen. Sie gilt als Ideengeberin der „White Wednesdays“, bei denen sich seit 2017 Frauen im Iran immer mittwochs weiß kleiden oder sogar ihr weißes Kopftuch abnehmen. Als Erste wagte die damals Anfang-30-jährige Vida Movahed, sich auf einen Stromkasten am Rand einer stark befahrenen Straße in Teheran zu stellen, ihr Kopftuch an einen Stock zu binden und durch die Luft zu schwenken. Dafür wurde sie zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Während der Proteste wurden zahlreiche Frauen festgenommen, strafrechtlich verfolgt und mit Folter bedroht. Trotz dieser Proteste gibt es die Kopftuchpflicht im Iran bis heute.
Die Revolution einer ganzen Region
Im Dezember 2010 zündete sich der tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi aus Protest gegen Polizeigewalt und die Demütigung durch Behörden selbst an. Dieser radikale Akt der Verzweiflung führte zum Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings und zum Sturz des Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali. Wenige Monate später bäumten sich die Menschen in Ägypten, Libyen, Dschibuti und zahlreichen weiteren Staaten im Nahen Osten und Nordafrika gegen ihre Regierungen auf. Zwar begannen die Proteste auf den Straßen, doch das Internet beschleunigte die Sache: Die Sozialen Medien wurden zum Werkzeug der Selbstermächtigung und machten es den Regimen schwer, unerwünschte Informationsflüsse zu stoppen. Auf Facebook mobilisierten sich die Massen, mit Twitter und YouTube informierten junge Araberinnen und Araber die Welt über die Proteste. Das Zusammenspiel der traditionellen und neuen Medien war revolutionär und begünstigte den Sturz mehrerer Regierungen.
No Woman, No Drive
Unter der Dusche oder auf dem Klo sei ihm die Idee zu „No Woman, No Drive“ gekommen, so der Satiriker Hisham Fageeh. Der Song ist eine Art Coverversion des Bob-Marley-Songs „No Woman, No Cry“. Fageeh singt darin über ein Thema, das in Saudi-Arabien lange politisch und gesellschaftlich höchst brisant war: das Fahrverbot für Frauen. Oft hatten Aktivistinnen versucht, in den Sozialen Medien Druck aufzubauen und so das Verbot zu kippen. Doch nie zuvor gab es ein so großes Echo wie nach dem Hit von Fageeh: In weniger als zwei Tagen wurde das Video auf YouTube über drei Millionen Mal geklickt. Mittlerweile hat das Video aus Saudi-Arabien fast 17 Millionen Klicks. Fageeh greift in seinem Song unter anderem das absurde Argument eines islamischen Geistlichen auf, der behauptet hatte, das Steuern von Fahrzeugen sei schlecht für die Eierstöcke. Ob das Video die Entscheidung von Kronprinz Mohammed bin Salman beeinflusst hat? Zumindest hob dieser das Fahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien 2018 auf.
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