NATO – was bedeutet das überhaupt?
„North Atlantic Treaty Organization“. Auf Deutsch: „Nordatlantikpakt“. Die NATO ist ein militärisches Bündnis von Staaten in Europa und Nordamerika, das 1949 vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes gegründet wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fühlten sich viele Länder in Westeuropa durch die kommunistisch geprägten Länder bedroht, die im sogenannten Ostblock von der Sowjetunion angeführt wurden. Sie taten sich zu einem Verteidigungsbündnis zusammen. Die zwölf Gründungsmitglieder (Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA) verpflichteten sich, einander gegenseitig militärisch zu unterstützen, wenn eines der Mitgliedsländer angegriffen werden sollte. Im sogenannten „Bündnisfall“ gilt das alte Musketier-Motto „Einer für alle und alle für einen“. Die Bundesrepublik Deutschland trat der NATO 1955 bei. Auch als Reaktion darauf gründeten die Ostblockstaaten unter der Führung der Sowjetunion ihr eigenes Militärbündnis, den „Warschauer Pakt“. Das Hauptquartier der NATO ist in Brüssel. Ihr höchster Repräsentant ist aktuell Generalsekretär Jens Stoltenberg, ihr wichtigstes Entscheidungsgremium der Nordatlantikrat, kurz NATO-Rat, in dem ständige Vertreter*innen aller Mitgliedstaaten sitzen.
Warum gibt es den Pakt immer noch, wenn der Ost-West-Konflikt für beendet erklärt wurde?
Als 1989 die Mauer fiel und 1991 der Warschauer Pakt aufgelöst wurde, wandelte sich die NATO: Aus einem reinen Verteidigungsbündnis wurde eine Organisation zur Krisenbewältigung im euro-atlantischen Raum – und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 teilweise auch darüber hinaus.
Was macht die NATO genau?
Die Hauptaufgabe der NATO ist bis heute die gemeinsame Sicherheitspolitik: Indem die Mitglieder im Notfall zusammenstehen, verfügen sie zusammen über ein großes Militär mit abschreckender Wirkung. Die Mittel der NATO sind heute aber auch diplomatische. Das Bündnis will nach eigener Aussage zu einer „gerechten und dauerhaften Friedensordnung“ im euro-atlantischen Raum beitragen. Dafür wurden ab 1992 auch Soldat*innen in Out-of-Area-Einsätze, etwa nach Bosnien-Herzegowina, Kosovo oder Afghanistan entsendet, teils ohne UN-Mandat. Dieser ausgedehnte Sicherheitsanspruch und der Wandel der NATO hin zu einer global eingreifenden Ordnungsmacht ist unter den Mitgliedstaaten umstritten.
Wer ist heute Mitglied?
Zu den 30 Mitgliedstaaten der NATO zählen derzeit: das Vereinigte Königreich, die USA, Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Island, Luxemburg, Niederlande, Italien, Norwegen, Portugal, Griechenland, Türkei, Deutschland, Spanien, Ungarn, Polen, Tschechien, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Albanien, Kroatien, Montenegro und Nordmazedonien. Prinzipiell kann jedes europäische Land aufgenommen werden, das ein funktionierendes demokratisches System auf Grundlage einer tragfähigen Marktwirtschaft unterhält, sich der friedlichen Beilegung von Konflikten verpflichtet, Minderheiten fair behandelt und in der Lage und willens ist, einen militärischen Beitrag zu NATO-Operationen zu leisten. Neue Mitglieder werden eingeladen, durchlaufen einen Beitrittsprozess und müssen dann einstimmig von allen NATO-Mitgliedern aufgenommen werden.
Und wer nicht?
Einige westeuropäische Länder sind nicht Mitglied, arbeiten aber eng mit dem Bündnis zusammen. Irland, Malta, Österreich und die Schweiz wie auch einige osteuropäische Staaten kooperieren mit der NATO im Programm „Partnerschaft für den Frieden“ und tragen auch zu militärischen Operationen bei. Dasselbe galt bislang auch für Finnland und Schweden, die allerdings im Mai 2022 die NATO-Aufnahme beantragt haben. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Kooperationsprogramme, die das erweiterte Netzwerk der NATO ausmachen. Auch Russland steht der Beitritt zu diesen Partnerschaften theoretisch offen.
Wie viel kostet so eine NATO-Mitgliedschaft?
Die NATO finanziert sich mit „direkten“ und „indirekten“ Zahlungen. „Direkte“ Zahlungen decken die laufenden Kosten der NATO-Einrichtungen (etwa die Finanzierung des NATO-Hauptquartiers in Brüssel und die Löhne der NATO-Bediensteten) und werden mit einem festen Verteilungsschlüssel errechnet. Deutschland übernahm 2021 etwa 425 Millionen Euro (16,34 Prozent des Gesamtbudgets von rund 2,6 Milliarden Euro) – genauso viel wie die USA. Die „indirekte“ Finanzierung ist ein freiwilliger Beitrag der Verbündeten zu Militäraktionen der NATO. Die Mitglieder haben sich 2014 verständigt, dass jedes NATO-Land bis 2024 Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) anstreben soll. Die deutschen Verteidigungsausgaben im Jahr 2020 entsprachen NATO-Kalkulationen zufolge aber nur einem Anteil am BIP von 1,57 Prozent. Ende Februar 2022, kurz nach dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass Deutschland zukünftig das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfüllen wolle – und stellte kurzerhand 100 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr zur Verfügung.
Ist das viel?
Kommt darauf an, wen man fragt. Der Streit darüber, wer welche Lasten in der NATO tragen muss, ist so alt wie die Organisation selbst. In den vergangenen Jahren haben speziell die USA mehr Geld für die „indirekte“ Finanzierung gefordert. Die NATO-Kalkulationen rechnen Ausgaben für zivile Friedenssicherung nicht in diesen Etat mit ein. Zählt man aber nicht nur Panzer und Drohnen, sondern auch Maßnahmen der zivilen Friedenssicherung hinzu, investiert Deutschland heute schon 1,96 Prozent seines BIP. Insgesamt betrugen die Militärausgaben des NATO-Bündnisses im Jahr 2021 geschätzt gut 1,17 Billionen US-Dollar. Davon entfielen 811 Milliarden auf die USA und 364 Milliarden auf die übrigen NATO-Staaten.
Wie stark ist die NATO?
Im Jahr 2022 umfassen die Streitkräfte der NATO-Mitglieder 3,36 Millionen aktive Soldat*innen. Die meisten davon (1,39 Millionen) gehören zur US-Armee. Die deutsche Armee verfügte über 184.000 Soldat*innen. Zum Vergleich: Die größte Armee der Welt ist die chinesische mit zwei Millionen Soldat*innen. Russland hat eine aktive Truppenstärke von 850.000 Soldat*innen. Die NATO kann allerdings nicht frei über die Soldat*innen ihrer Mitglieder verfügen. Die Mitglieder stellen das Material und die Truppen zur Verfügung, die sie für den Einsatz als notwendig erachten. Damit bleiben die einzelnen Staaten souverän – selbst bei einem Bündnisfall.
Gab es schon mal so einen Bündnisfall?
Bisher wurde dieser Fall, der in Artikel 5 des Nordatlantikvertrags geregelt ist, einmal ausgerufen: Am Tag nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beschloss der NATO-Rat, dass ein Bündnisfall vorliege, sobald zweifelsfrei feststehe, dass die Anschläge auf die USA vom Ausland ausgeführt worden seien. Die USA legten am 2. Oktober 2001 Beweise vor, dass das radikalislamistische Netzwerk al-Qaida für den Angriff verantwortlich war. Deren Rückzugsort war damals Afghanistan. Der NATO-Rat beschloss daraufhin am 4. Oktober 2001 den Bündnisfall, am 7.Oktober 2001 begann die Operation „Enduring Freedom“, in der US-amerikanische und britische Truppen in Afghanistan einmarschierten, später auch deutsche. Die Sicherheits- und Wiederaufbaumissionen, die auf die Einnahme des Landes und die militärisch erzwungene Entmachtung der Taliban folgten, liefen bis zum Sommer 2021.
Wie stehen Russland und die NATO heute zueinander?
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unterzeichneten die NATO und Russland 1997 die sogenannte „Grundakte“. In der wurden unter anderem der Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander und die Achtung der Souveränität, der Unabhängigkeit und der territorialen Unversehrtheit aller Staaten festgehalten. Daraus gingen 2002 der NATO-Russland-Rat und mehrere militärische Kooperationen hervor. Nachdem Russland im Frühjahr 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hatte, wurde die Zusammenarbeit zwischen NATO und Russland jedoch praktisch eingestellt. Die aktuelle russische Militärdoktrin definiert die NATO als größte militärische Gefahrenquelle. Eine mögliche Annäherung durch erneute Gespräche zwischen Russland und der NATO Anfang 2022 kam durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu einem abrupten Ende.
Was ist die NATO-Osterweiterung?
Die NATO hat in den vergangenen Jahrzehnten Länder aus dem Baltikum und Osteuropa aufgenommen, die früher zur Sowjetunion und zum Warschauer Pakt gehörten. Vertreter aus verschiedenen osteuropäischen Staaten drängten bereits kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf einen schnellen NATO-Beitritt. Diesem Wunsch erteilten die USA zunächst eine Absage, auch Russland sprach sich nach ersten Verständnisbekundungen gegen eine NATO-Osterweiterung aus. Aber bereits im Juli 1997 wurden Tschechien, Ungarn und Polen zu Beitrittsverhandlungen eingeladen und im März 1999 in die NATO aufgenommen. 2004 schlossen sich Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien der NATO an, 2009 Albanien und Kroatien, 2017 Montenegro und 2020 Nordmazedonien.
War die Osterweiterung ein Grund für den Ukrainekrieg?
Darüber wird diskutiert. Fest steht: Russland lehnt die Osterweiterung der NATO ab und sieht dadurch seine Sicherheitsinteressen verletzt. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte in einer Rede vom 21. Februar 2022, die USA hätten 1990 mündlich zugesichert, dass die Wiedervereinigung Deutschlands nicht zu einer Ausweitung der militärischen Organisation der NATO nach Osten führen würde. Im „Zwei-plus-vier-Vertrag“, mit dem 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands auf den Weg gebracht wurde, wurde die NATO-Osterweiterung nicht ausgeschlossen. Allerdings gibt es Berichte von mündlichen Aussagen (etwa des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher und des US-Amtskollegen James Baker), die diese Einschränkung nahelegen. Ob sich diese Grenzzusagen nur auf das Gebiet der ehemaligen DDR bezogen oder auf ganz Europa, ist umstritten. Die NATO argumentiert heute mit der Bündnisfreiheit souveräner Staaten und lehnt es ab, einen zukünftigen Beitritt weiterer ehemaliger Sowjetrepubliken auszuschließen.
Wird die Ukraine in absehbarer Zeit in die NATO aufgenommen?
Die Ukraine strebt seit Jahren eine Mitgliedschaft an. Seit 1997 besteht zwischen der Ukraine und der NATO ein militärischer Partnerschaftsvertrag. Bereits 2008 waren Georgien und der Ukraine ein zeitlich nicht näher definierter NATO-Beitritt in Aussicht gestellt worden. Allerdings sprachen sich damals vor allem Frankreich und Deutschland gegen einen konkreten Beitrittsprozess aus, weil sie befürchteten, dass er Russland provozieren könnte. Solange ein offener Konflikt besteht, wie momentan der Angriffskrieg auf die Ukraine, ist eine Aufnahme in die NATO ohnehin nicht möglich.
Titelbild: Bundeswehr / Marco Dorow