Eine E-Mail bringt das wohlgeordnete Leben von Katharine Gun aus den Fugen. Die 27-jährige Britin, als Mandarin-Übersetzerin beim britischen Geheimdienst GCHQ (Government Communication Headquarters) angestellt, liest im Januar 2003 die Nachricht eines hochrangigen NSA-Mitarbeiters. In dem Memo werden die Empfänger um Amtshilfe bei der Überwachung von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats gebeten. Das Ziel der Abhöraktion: belastendes Material sammeln, um die Zustimmung der Diplomaten zu einer UN-Resolution zu erpressen, mit der US-Präsident George W. Bush die geplante Irakinvasion rechtfertigen will.
Katharine ist entsetzt und ringt sich dazu durch, die Intrige publik zu machen. Sie landet bei der Zeitung „The Observer“, die die brisante Botschaft nach intensiver Recherche veröffentlicht. Als das GCHG unverzüglich die Jagd nach dem Whistleblower eröffnet, stellt sich Katharine selbst. Sie kommt kurzzeitig in Haft, wird überwacht, und nach dem „Official Secrets Act“ angeklagt – einem Gesetz, das Regierungsbeamte zum vertraulichen Umgang mit Staatsgeheimnissen verpflichtet. Und während der Irakkrieg auch ohne UN-Mandat beginnt, will Katharines Strafverteidiger die Herausgabe von Informationen erzwingen, die die britische Regierung schwer belasten würden: Beteiligt sich Großbritannien an einem Krieg, den die Regierung zuvor selbst als illegal bewertet hat?
Der Mut einer biederen Angestellten
Der Politthriller erzählt die Geschichte der – zumindest in Deutschland weitgehend unbekannten – Whistleblowerin Katharine Gun, die im Januar 2003 das NSA-Memo leakte und im Februar 2004 vor Gericht gestellt wurde – mit überraschendem Ausgang. Der südafrikanische Regisseur Gavin Hood verzichtet dabei weitgehend auf Effekthascherei. Er konzentriert sich darauf, die Verwicklungen von Regierung, Medien und Justiz transparent zu machen. Zeitzeugen lobten bereits die Genauigkeit des Films, selbst wenn eine spannungsgeladene Szene, in der Katharines kurdischer Ehemann in Abschiebehaft gerät, in der Realität wohl keine Schikane war, sondern schlicht ein Versehen.
Keira Knightley verleiht dem eh schon herausragend besetzten Film emotionale Wucht: Ihre Katharine ist als biedere Angestellte das genaue Gegenteil einer Rebellin, besonders im Kontrast zu den machohaften Reportern und altgedienten Staatsbeamten. Und doch folgt Gun – trotz Panik, gesundheitlicher Probleme und dem hohen persönlichen Risiko – ihrem moralischen Kompass. Gerade, dass sie auf „nicht schuldig“ plädiert, stellt ihre kafkaesken Gegner im Staatsapparat vor ein juristisches Dilemma. Der rote Faden des Dramas ist die Frage nach der Legalität des Irakkrieges, dessen Folgen bis in die Gegenwart spürbar sind – verbunden mit der impliziten Aufforderung, die damaligen Politiker und Politikerinnen zur Verantwortung zu ziehen. Seiner couragierten und dennoch gescheiterten Heldin, die den Krieg nicht verhindern konnte, setzt Gavin Hood mit diesem Film ein Denkmal.
Diese Filmkritik ist eine Übernahme vom Kinofenster, dem filmpädagogischen Portal der BpB. Da gibt es diesen Monat noch viel mehr zum Thema Politthriller zu lesen: Besprechungen zu „The Report“, „Citizenfour“ oder „Inside Wikileaks“, aber auch eine Analyse, wie sich die neuen Heldinnen und Helden des Politthrillers von denen der 1970er-Jahre unterscheiden.
Titelbild: eOne