Im März 2021 verhakte sich ein riesiger Frachter im Suezkanal und lag schließlich quer in der Verbindung zwischen Mittelmeer und Rotem Meer. Es handelte sich um die „Ever Given“, mit 399,9 Metern Länge, 58,8 Metern Breite und voll beladen mit 220.000 Tonnen Gewicht eines der größten Containerschiffe der Welt. Erst nach sechs Tagen konnte sie weiterfahren. Sechs Tage, in denen der Schlamassel im Internet in unzähligen Memes und Bilderwitzen weiterverarbeitet wurde.
Nicht so lustig war die Sache für die weltweite Logistikbranche. Der Suezkanal verbindet die Häfen Europas und Asiens, durch ihn laufen zwölf Prozent des Welthandels – alternativ ist nur ein etwa 7.000 Kilometer weiter Umweg rund um Afrika möglich. Über 400 Frachter standen daher im März 2021 auf beiden Seiten des Kanals im Stau. Hinzu kamen später noch Lockdowns in chinesischen Häfen und der Krieg in der Ukraine. Das alles hat die Lieferketten empfindlich gestört: Denn rund 90 Prozent aller Waren werden auf dem Meer transportiert. Von Tankern für flüssige Ladungen wie Öl, von Massengutfrachtern für lose Feststoffe wie Erze, Getreide, Kohle oder Zement und von Containerschiffen wie der „Ever Given“.
Die Strecke von Nordchina in die Nordsee kann schon mal 50 Tage dauern
Der Seeweg ist mit Abstand der billigste, um Waren zu transportieren. Mit einer Besatzung von gerade mal 20 Personen kann ein Schiff bedient werden, das über eine Ladekapazität von mehreren Tausend Lkw verfügt. Das gleicht aus, dass Frachtschiffe nicht die Schnellsten sind: Um den Atlantik zu überqueren, brauchen sie eine knappe Woche, die Strecke von Nordchina in die Nordsee kann schon mal 50 Tage und länger dauern. Doch dafür müssen eben keine Autobahnen gebaut, keine Schienen verlegt, kein Gebirge überwunden werden – das Meer ist wie eine gigantische Straße, die die Hafenstädte miteinander verbindet. Was im Umkehrschluss auch bedeutet: Wer keinen Meereszugang hat, ist von diesen billigen Warenflüssen abgeschnitten und hat wirtschaftliche Nachteile. Nur 45 der nach UN-Zählung weltweit 193 Staaten sind Binnenländer, aber sieben der zehn ärmsten Staaten.
Allerdings limitieren Meerengen Schiffe auf ihrer Reise. Zu den bedeutendsten gehören, neben dem Suezkanal, der ebenfalls menschengemachte Panamakanal, der Schiffen auf dem Weg vom Atlantik in den Pazifik eine 15.000 Kilometer lange Umfahrung von Südamerika erspart, sowie die Straße von Malakka vor Singapur. Die Abmessungen der Hafenbecken und der Meerengen begrenzen die Schiffe bei ihrem Wachstum, vor allem der Tiefgang der Schiffe spielt hier eine Rolle. Doch im Zweifel werden diese Zufahrtswege eben verbreitert oder tiefer ausgebaggert, wie schon diverse Male mit der Elbe zwischen der Nordsee und dem Hamburger Hafen geschehen.
Am meisten lässt sich im Meer mit Ölbohrplattformen verdienen
So hat sich das Seefrachtaufkommen allein zwischen 1970 und 2020 vervierfacht. Das aktuell größte Schiff der Welt, die im Juni 2022 vom Stapel gelaufene „Ever Alot“, kann 24.004 Zwanzig-Fuß-Container (TEU) laden. Trotz solch riesiger Schiffe ist die Transportbranche nicht einmal der umsatzstärkste maritime Wirtschaftszweig. Von den rund 1,7 Billionen Dollar, die weltweit jährlich auf und mit den Meeren verdient werden, entfällt fast die Hälfte auf die Offshore-Förderung von Öl und Gas mithilfe von gigantischen Bohrplattformen. Um die 200 dieser Inseln schwimmen oder stehen aktuell in den Ozeanen und holen fossile Brennstoffe aus dem Meeresboden, meist aus dem Tiefwasserbereich von mehr als 400 Metern – insgesamt circa ein Drittel der weltweiten Gesamtfördermenge. Neben dem Beitrag zur Erderwärmung, der durch die Verbrennung von Öl und Gas entsteht, sind diese Offshore-Förderanlagen auch sonst ein Umweltproblem: Gibt es ein Leck bei der Förderung, strömt Öl direkt ins Meer, mitunter viele Millionen Liter.
Und das Öl treibt auch die Frachtschiffe an. Die sind damit für annähernd drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Rechnet man die Emissionen allerdings auf CO2-Ausstoß pro Kilometer, den eine Tonne Fracht zurücklegt, stehen Schiffe mit acht Gramm CO2 deutlich besser da als Flugzeuge (665 Gramm), Lkw (110) oder sogar Bahnen (35). Allerdings lassen sich die Ozeanriesen, anders als Autos und Züge, für längere Fahrten absehbar noch nicht auf einen Elektroantrieb umstellen. Vielversprechend sind daher auch Studien zu großen Frachtseglern, die ihre Ladung windgetrieben übers Meer transportieren sollen.