Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum sich Menschen bei der Bundeswehr bewerben. Manche wollen etwas für Deutschland tun oder einfach eine Uniform tragen, andere denken, sie könnten vielleicht die dicke Kohle abstauben. Mein Papa war auch mal bei der Bundeswehr, und als Kind durfte ich ihn zum Stützpunkt begleiten. Bereits damals fand ich die Panzer cool. Nach meinem Abitur wollte ich dann selbst fahren. Meine Eltern hatten erst Bedenken, aber unterstützt haben sie mich trotzdem.
Ich musste einen Bewerbungstest am Computer machen und hatte ein psychologisches Gespräch. Eine wichtige Voraussetzung ist auch eine gewisse Grundfitness. Zu Beginn bin ich als freiwillige Wehrdienstleistende für 23 Monate zur Bundeswehr gegangen, weil ich erst schauen wollte, ob es mir gefällt.
„Es fallen schon mal Sprüche wie: ‚Frauen haben hier nichts zu suchen’“
Bei der Bewerbung sollte man im Hinterkopf behalten, dass man nach zwölf Monaten Dienst jederzeit in den Einsatz geschickt werden kann. Und als Frau vielleicht auch, dass die Bundeswehr eine Männerdomäne ist. Da fallen schon mal Sprüche wie: „Frauen haben hier nichts zu suchen.“ In solchen Situationen drücke ich entweder einen blöden Spruch zurück oder ignoriere die Aussage. Mit vielen verstehe ich mich aber sehr gut, und wir unternehmen auch außerhalb des Dienstes etwas zusammen. Montags ist bei uns zum Beispiel immer Dönertag, weil wir nach dem Wocheneinkauf keine Lust mehr haben zu kochen.
Jeder Soldat startet mit der dreimonatigen Grundausbildung. Morgens um fünf Uhr: Sport. Danach stehen Marschieren und verschiedene Ausbildungen an wie der Umgang mit dem G36, der Grundwaffe jedes Soldaten. Am Ende hatten wir die Rekrutenbesichtigung, bei der das bis dahin Gelernte geprüft wird. Wir haben fünf Tage draußen geschlafen. Unser Gepäck hat allein 15 Kilo gewogen, plus das Gewehr, das noch mal gut 3,5 Kilo wiegt. Doch wir haben uns gegenseitig motiviert weiterzulaufen, das hat den Zusammenhalt gestärkt.
„Je höher die Laufbahn, umso höher muss der Schulabschluss sein“
Nach der Grundausbildung gibt es verschiedene Werdegänge. Es gibt die Laufbahn der Mannschaften, der Unteroffiziere und der Offiziere. Je höher die Laufbahn, umso höher muss der Schulabschluss sein. Ich habe mich trotz Abitur für eine Laufbahn bei den Mannschaften entschieden – damit ich den Panzer auch wirklich fahren darf und ihn nicht nur als Kommandant führe. Somit ging es für mich in die Stammeinheit.
Mein Dienstposten ist Kraftfahrerin für Brückenlegepanzer. Mit dem legt man Brücken über einen Graben, ein kleines Gewässer oder zum Beispiel in einen kleinen Bach hinein. Dafür war ich auf dem Lehrgang „Führerschein für Kettenfahrzeuge“. Während der Ausbildung habe ich von morgens bis abends die Brücke abgelegt und wieder aufgenommen. Die ständige Wiederholung ist wichtig, damit im Ernstfall alles routiniert abläuft. Weil man als Fahrer nicht alles im Blick haben kann, sitze ich zusammen mit einem Kommandanten im Panzer. Gerade wenn man sich noch nicht kennt, ist das eine Herausforderung – man muss sich gut einspielen. Besonders Spaß hat mir das Panzerfahren an sich gemacht. Ich freue mich heute noch, wenn ich mit dem Panzer im Gelände fahren darf. Ich wollte außerdem zu der Truppengattung der Pioniere. Die sind nicht vorne im Kampf dabei, sondern bereiten ihn vor, indem sie den Weg für die Kampftruppe frei und sicher machen. Hierfür musste ich lernen, Sperren zu bauen.
Nach den 23 Monaten habe ich mich für acht Jahre verpflichtet. Mittlerweile bin ich bereits seit vier Jahren bei der Bundeswehr und würde in der Zukunft gerne einen Laufbahnwechsel zum sogenannten Unteroffizier mit Portepee, der Feldwebel, machen.
„Ich persönlich bin für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht“
Das Einstiegsgehalt bei der Bundeswehr liegt um die 1.400 Euro netto beim freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz und rund 2.000 Euro in der Laufbahn „Mannschaftsdienstgrad Soldat auf Zeit“. Gerade möchte die Bundeswehr an Personal aufstocken. Wie in der zivilen Marktwirtschaft haben auch wir Probleme, Auszubildende zu finden. Ich glaube, gerade durch den Ukrainekrieg überlegen sich manche noch mal mehr, ob sie zur Bundeswehr gehen. Ich persönlich bin für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ich glaube, dann würden einige feststellen, dass die Bundeswehr vielleicht doch etwas für sie ist.
2021 musste ich für sechs Monate in eine einsatzgleiche Verpflichtung nach Litauen. Das ist ein wichtiger Standort für die NATO, weil Litauen an Russland grenzt. Als ich angefangen hatte, mich über die zugespitzte Lage vor Ort zu informieren, hatte ich ein mulmiges Gefühl, dort hinzugehen. Natürlich haben wir in Litauen auch daran gedacht, dass Russland gleich um die Ecke ist und immer etwas passieren könnte. Nach zwei, drei Wochen hatte ich mich aber eingelebt, und dann war das mein neuer Alltag.
In Litauen habe ich mir mit einer weiteren Soldatin eine Stube in einem Wohnblock geteilt. In dem Fall ist es ein Vorteil, dass es wenig Frauen in der Bundeswehr gibt. Die Männer waren zu viert auf einer Stube oder zu zweit in Wohncontainern untergebracht.
Generell haben wir in dieser Zeit sehr viele Übungen im Gelände gemacht. Ich war die ganze Zeit auf Abruf. Und wurde gerufen, wenn die Kampftruppen bei ihren Erkundungen gemerkt haben, dass sie jetzt einen Brückenpanzer benötigen. Mein moderner Panzer ist in Litauen geblieben, deswegen gehe ich bald in den nächsten Lehrgang. Dann lerne ich, mit dem älteren Modell zu arbeiten.
„Ich schlafe nicht mehr so ruhig wie vor dem Krieg in der Ukraine“
Mein Highlight war, dass ich die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kennenlernen durfte und den Inspekteur des Heeres, die uns beide besucht haben. Weihnachten war dagegen ein Tiefpunkt. Meine Familie und ich haben unsere Geschenke per Videotelefonat geöffnet. Es war deprimierend, sich nicht umarmen zu können. Um die besinnliche Zeit im Lager angenehmer zu gestalten, hatten wir einen Weihnachtsmarkt, an dem jede Nation teilgenommen hat. Die Niederlande hatten zum Beispiel einen Käsestand. Mit Kinderpunsch, Waffeln und Tombola war es gleich ein bisschen schöner.
Durch den Krieg in der Ukraine denke ich jetzt vermehrt darüber nach, dass es eine reale Option ist, in den Einsatz ziehen zu müssen. Meine Familie macht sich Sorgen, aber ich beruhige sie damit, dass die Ukraine weder in der NATO noch in der EU ist. Trotzdem schlafe ich nicht mehr so ruhig wie vorher.
Illustration: Gregory Gilbert-Lodge