Kármán-Linie
Wenn man mit einer Rakete losfliegt, kommt man in den Weltraum. Aber wo beginnt der eigentlich? Dort, wo es keinen Sauerstoff mehr gibt? Oder an dem Punkt, an dem man nicht mehr runterfallen würde? Nun, weil die Erdatmosphäre über Tausende Kilometer langsam ausdünnt und die Schwerkraft theoretisch nie endet, hat der Internationale Luftsportverband FAI eine andere Grenze gezogen: die Kármán-Linie. Sie liegt in 100 Kilometern Höhe, wo die Luft so dünn wird, dass sie konventionellen Flugzeugen zu wenig Auftrieb gibt, um noch kontrolliert fliegen zu können.
Benannt wurde sie nach dem Physiker Theodore von Kármán, der die Grenze in den 1950er-Jahren definiert hat. Die Kármán-Linie gilt vielen als Ende der Welt, aber nicht allen. Die US-Luftwaffe etwa zieht die Grenze schon in 80 Kilometern Höhe. Es ist nicht nur eine wissenschaftliche Frage, sondern auch eine völkerrechtliche: Staaten haben die Lufthoheit über ihr Gebiet. Bei der Frage, ob ein Flugobjekt abgeschossen werden darf, kann die Höhe entscheidend sein: Fliegt es noch im staatlichen Luftraum oder schon im staatenlosen Weltraum?
Gerrymandering
Im November wählen die US-Amerikaner ihren Präsidenten und ihr Parlament, das Repräsentantenhaus. Wer wie viele Sitze bekommt, entscheidet nicht – wie in Deutschland – der landesweite prozentuale Stimmenanteil einer Partei, sondern wer die meisten Siege in den 435 Wahlbezirken des Landes erzielt. In diesen Bezirken sollen möglichst gleich viele Menschen leben. Und die Bezirksgrenzen können in der Regel alle zehn Jahre nach einer Volkszählung neu gezogen werden. Das überlassen die meisten Bundesstaaten der Partei, die die Mehrheit im Repräsentantenhaus hat.
Wenn man also weiß, wo die Stammwähler welcher Partei leben, kann man ordentlich manipulieren. Zum Beispiel einen Wahlbezirk so abstecken, dass die Demokraten dort auf 90 Prozent kommen – während in den vier umliegenden die Republikaner jeweils 60 Prozent erreichen. Über alle fünf Wahlbezirke gerechnet hätten so beide Parteien ungefähr gleich viele Stimmen, die Republikaner würden aber vier von fünf Mandaten gewinnen. In manchen Staaten wie North Carolina haben die Gerichte das Vorgehen als verfassungswidrig erklärt, unter anderem wegen rassistischer Diskriminierung. Angewandt wird der Trick seit 1812: Weil die Partei von Elbridge Gerry, dem damaligen Gouverneur von Massachusetts, einen Wahlkreis so zuschnitt, dass er wie ein Salamander aussah, heißt die Strategie „Gerrymandering“.
Great Green Wall im Sahel
15 Kilometer breit und fast 8.000 Kilometer lang soll sie werden: Afrikas „Great Green Wall“ aus Abermillionen Bäumen, die am südlichen Rand der Sahara einmal quer durch die Sahelzone verläuft. Durch Abholzung, intensive Landwirtschaft und Dürren ging hier in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge fruchtbarer Boden verloren. Die Wüste breitet sich aus („Desertifikation“ nennen das Ökologen). Gestartet wurde das Megaprojekt 2007 von der Afrikanischen Union. Die „grüne Mauer“ soll länderübergreifend die Wirtschaft stärken, die Lebensmittelversorgung für mehr als 100 Millionen Menschen verbessern und so auch Ursachen für Migration bekämpfen.
Bei der Umsetzung gab es aber Rückschläge: Durch Finanzierungslücken und militärische Konflikte, etwa in Burkina Faso und Niger, stockte die Bepflanzung in manchen Ländern. Und viele Bäume überlebten nicht lange, unter anderem, weil die lokale Bevölkerung nicht in das Projekt eingebunden wurde. Punktuell gedeiht der Baumwall aber. Im Senegal sind schon zwölf Millionen dürreresistente Bäume gepflanzt, in Äthiopien wurden 15 Millionen Hektar ausgelaugte Böden wieder fruchtbar gemacht.
Staudämme in Laos
Der Nam Ou ist nur 450 Kilometer lang, wird aber auf seinem Weg durch das südostasiatische Laos von gleich sieben Dämmen aufgestaut. Sie gewinnen dabei Energie. Es sind bei Weitem nicht die einzigen Staudämme im Land, bis 2030 sollen es 100 sein, mehrere davon auch im größten Fluss des Landes, dem Mekong. Laos will zur „Batterie Südostasiens“ werden und seine relativ schwache Wirtschaft ankurbeln. Naturschützer regt das auf: Die Dämme unterbrechen die Wanderrouten von Tieren, darunter bedrohte Arten, und gefährden Küstenregionen: Weil sich in den Stauseen des Mekong Sedimente absetzen und nicht den Fluss hinuntergelangen, wird das Mekongdelta destabilisiert.
Möglich macht die vielen Dämme der große Nachbar China. Zu dessen geopolitischer Strategie der „Neuen Seidenstraße“ gehört es, andere Länder beim Bau von Bahnstrecken, Autobahnen, Kraftwerken oder Häfen zu unterstützen. Das sichert China Einfluss und führt zu Abhängigkeiten, weil das Geld nur geliehen ist. Und tatsächlich: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist Laos der größte Schuldner Chinas.
Anti-Flüchtlings-Bojen
Auf dem Wasser lassen sich keine Gräben oder Stacheldrahtzäune errichten. Und so nehmen viele Flüchtende den gefährlichen Seeweg, um ihr Ziel zu erreichen. Anfang 2020 kündigte Griechenland an, kilometerlange schwimmende Grenzbarrikaden vor Lesbos testen zu wollen. Die Insel liegt nur zehn Kilometer vor der türkischen Küste, von dort setzen fast täglich Geflüchtete in überfüllten Schlauchbooten über. Menschenrechtsorganisationen reagierten entsetzt auf Griechenlands Plan – umgesetzt wurde der bis heute nicht.
Dafür gibt es seit Juli 2023 eine schwimmende Barriere im Rio Grande, dem Grenzfluss zwischen den USA und Mexiko. Die ist 300 Meter lang und sieht aus wie die Ketten, die im Schwimmbad die Bahnen abtrennen, nur dass die Bojen einen Durchmesser von mehr als einem Meter haben. Installieren ließ sie der texanische Gouverneur Greg Abbott. Seitdem wird vor verschiedenen US-Gerichten gestritten, ob das in humanitärer und staatsrechtlicher Hinsicht zulässig war. Ein Teil der Bojen musste bereits wieder entfernt werden.
Dieser Beitrag ist im fluter Nr. 90 „Barrieren“ erschienen. Das ganze Heft findet ihr hier.