Thema – Populismus

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Dürfen die das überhaupt?

Gerade wird wieder diskutiert, ob Parteien verboten werden sollten. Doch wie geht das eigentlich in einer Demokratie? Und wer darf das entscheiden? Antworten auf die drängendsten Fragen

Parteiverbot

Was ist ein Parteiverbot?

Wenn das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach Prüfung verschiedener Beweise das Urteil fällt, dass eine Partei verfassungswidrig ist, wird sie samt ihrer Teilorganisationen verboten. Gleichzeitig werden alle ihre Mandate aufgehoben, und das Parteivermögen kann vom Staat für gemeinnützige Zwecke eingezogen werden. Parteiverbote umfassen auch die Gründung von Nachfolgeparteien. 

Wer kann einen Antrag auf ein Verbot stellen?

Parteien sind in Deutschland durch das Grundgesetz geschützt. Aus diesem Grund können nur die Verfassungsorgane ein Parteiverbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht beantragen, also Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung: Wird ein Parteiverbotsverfahren zum Beispiel aus dem Bundestag initiiert, dann muss eine Fraktion oder eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten beantragen, dass sich das Parlament mit der Frage befasst, ob ein Verbotsverfahren initiiert wird. Im ersten NPD-Verbotsverfahren beauftragten zum Beispiel SPD und Bündnis 90/Die Grünen den Innenausschuss damit, die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zu prüfen. Nachdem der Innenausschuss ein Verbotsverfahren empfohlen hatte, wurde darüber im Parlament abgestimmt. Anträge können aber auch ohne solch ein Prüfverfahren direkt im Parlament beraten und darüber abgestimmt werden. 

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um eine Partei zu verbieten? 

Die Grundlage für ein Parteiverbot findet sich Artikel 21 des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ Doch verfassungsfeindliche Ziele allein reichen noch nicht, um eine Partei zu verbieten. Sie muss laut Bundesverfassungsgericht zusätzlich auch eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ einnehmen und planvoll die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen wollen. Außerdem muss plausibel sein, dass sie das Potenzial besitzt, diese Ziele auch zu erreichen. 

Wie lange dauert es, so was zu prüfen, und wer macht das überhaupt? 

Ein Verfahren dauert in der Regel zwischen drei und fünf Jahren. Nachdem der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung beschlossen haben, ein Verbot zu beantragen, wird der Antrag vorbereitet. Darin wird begründet, warum eine Partei verboten werden soll und auf welcher rechtlichen Grundlage. Außerdem werden Beweise aufgeführt – das können Parteitagsbeschlüsse, Äußerungen von Parteipolitiker:innen oder auch Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sein. Dieser Antrag kann mehrere Hundert Seiten lang sein und wird beim Verfassungsgericht eingereicht. Nachdem er beim Gericht eingegangen ist, hat die betreffende Partei die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Zudem prüfen die Richter:innen, ob der Antrag zugelassen oder als unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückgewiesen wird. Dieser Schritt ist Teil des Vorverfahrens. Wird der Antrag angenommen, kommt es zur mündlichen Verhandlung. Dabei werden Beweise erhoben und Zeugen vernommen. Anschließend entscheiden die Verfassungsrichter:innen des zuständigen Senats per Zweidrittelmehrheit, ob der Verbotsantrag begründet ist. Sie fällen das Urteil, ob eine Partei verfassungswidrig ist und infolgedessen verboten wird. Nach seiner Verkündung kann das Urteil immer noch am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angefochten werden.

Was bedeutet die Einstufung durch den Verfassungsschutz für ein Parteiverbot?

Grundsätzlich sind ein Parteiverbotsverfahren und die Einstufung einer Partei vom Bundesamt für Verfassungsschutz zwei voneinander unabhängige Verfahren: Der Verfassungsschutz kann eine Partei als „gesichert extremistisch“ einstufen, ohne dass es zu einem Antrag auf ein Parteiverbot kommt. Je nachdem, ob der Verfassungsschutz eine Partei als „Prüffall“, als „extremistischen Verdachtsfall“ oder sogar als „gesichert extremistische Bestrebung“ einstuft, kann er sie unterschiedlich überwachen, um Beweise zu sammeln: Bei einer Einstufung als Verdachtsfall dürfen zum Beispiel V-Leute, also Informanten des Verfassungsschutzes, eingesetzt werden oder mit anderen geheimen nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen über die Partei beschafft werden. Eine Mail- oder Telefonüberwachung ist damit allerdings nicht automatisch erlaubt, dafür gelten in Deutschland sehr hohe rechtliche Auflagen. Beweise, die auf diesem Weg gesammelt werden, können später Äußerungen von Parteifunktionär:innen oder Mandatsträger:innen im Vorverfahren oder bei mündlichen Verhandlungen im Parteiverbotsverfahren ergänzen.

Welche Parteien wurden in der Vergangenheit verboten? 

In der Geschichte der Bundesrepublik wurden erst zwei Mal Parteien verboten – die Sozialistische Reichspartei (1952) und die Kommunistische Partei Deutschlands (1956). Versuche, Parteien zu verbieten, gab es dagegen schon häufiger. Sie scheiterten aber aus unterschiedlichen Gründen.

Warum wurde die NPD doch nicht verboten? 

Gegen die NPD gab es bereits zwei Parteiverbotsverfahren – beide scheiterten. Zum ersten Mal beantragte die Bundesregierung 2001 ein Verbot der NPD, kurze Zeit später folgten auch der Bundestag und der Bundesrat der Bundesregierung. Zwei Jahre später stellte das Bundesverfassungsgericht das Verfahren jedoch ein. Der Grund dafür war, dass unter den führenden NPD-Parteifunktionär:innen V-Leute waren. Dies hatten die Behörden dem Gericht erst im laufenden Verfahren mitgeteilt. Das Gericht sah Verfahrenshindernisse, da die Führungsebenen der Partei beobachtet wurden und eventuell sogar damit gerechnet hatten. Außerdem konnte man nicht genau feststellen, welche Äußerungen wirklich der NPD zuzurechnen waren und welche den V-Leuten, die vom Staat bezahlt wurden. Zudem wurde das Beweismaterial im Verfahren von jenen V-Leuten gesammelt, die selbst an Entscheidungen der Partei mitgewirkt hatten. 

Das zweite NPD-Verbotsverfahren fand zwischen 2013 und 2017 statt. Nachdem 2011 die Morde der rechtsextremistischen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) bekannt wurden, beschloss 2012 der Bundesrat einen Antrag auf ein Verbotsverfahren. In diesem Verfahren kam das Verfassungsgericht 2017 zwar zu einem Urteil, ein Verbot scheiterte jedoch erneut: Laut den Richter:innen sei die NPD zwar erwiesenermaßen verfassungsfeindlich, politisch aber so unbedeutend, dass sie nicht über das nötige Potenzial verfüge, die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch zu beseitigen. 

Was sind die Gefahren eines Parteiverbots?

Kritiker:innen von Parteiverboten argumentieren, dass Verbote kleiner Parteien nur eine geringe Wirkung haben. Verbote großer Parteien seien dagegen gesellschaftlich schwer zu vermitteln, weil relevante Anteile der Bevölkerung von der Repräsentation ausgeschlossen würden. Als weitere Risiken gelten die lange Dauer eines Verbotsverfahrens und der ungewisse Ausgang.

Gibt es andere Möglichkeiten, eine Partei einzuschränken?

Neben dem Parteiverbot gibt es weitere Mittel, wie verfassungsfeindliche Parteien wirksam eingeschränkt werden können. Dazu zählen das Verbot einzelner Landesverbände, der Jugendorganisationen, ein Ausschluss aus der Parteienfinanzierung und die Einschränkung politischer Grundrechte einzelner Politiker:innen. 

Bei Verbotsverfahren gegen einzelne besonders extremistische Landesverbände einer Partei kann die entsprechende Landesregierung den Antrag beim Bundesverfassungsgericht stellen. Hier gilt das Verfahren aufgrund des geringeren Umfangs der Beweisprüfung als einfacher durchführbar.

Extremistische Jugendorganisationen von Parteien lassen sich noch einfacher und schneller verbieten. Als Vereine fallen sie nicht unter das Parteiengesetz, das Parteien schützt. Ein Vereinsverbot durch das Innenministerium ist im Gegensatz zu einem Parteiverbot ein einfacher Verwaltungsakt. Die Innenministerin kann einen Jugendverband dann verbieten, wenn Beweise vorliegen, dass er verfassungsfeindlich ist oder sich gegen die Völkerverständigung richtet. 

Ein weiteres Mittel ist der Entzug der Parteienfinanzierung. Auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung kann das Bundesverfassungsgericht entscheiden, verfassungsfeindliche Parteien von der Parteienfinanzierung auszuschließen – auch wenn die Beweise für ein Parteiverbot nicht ausreichen. Weil die Parteiarbeit und die Durchführung von Wahlkämpfen viel Geld kosten, ist der Ausschluss aus der Parteienfinanzierung ein wirksames Mittel. Auch politische Stiftungen, die nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen, können von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen werden.

Ein weiterer Ansatz der wehrhaften Demokratie ist der Entzug von Grundrechten, zum Beispiel für einzelne Politiker:innen. Artikel 18 des Grundgesetzes besagt, dass wer die Meinungsfreiheit für einen Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausnutzt, seine Grundrechte verliert. Beantragen können Bundestag, Bundesregierung und Landesregierungen diesen Entzug der Grundrechte in Karlsruhe. Bisher scheiterten allerdings alle Versuche.

Illustration: Renke Brandt

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