Worum geht’s?
Fünf Episoden, fünf kleine Einblicke in das Leben von Ukrainer*innen in Deutschland, genauer: in Berlin. Die meisten von ihnen sind neu in der Stadt, geflohen aus ihrer Heimat vor dem russischen Angriffskrieg. Sie kämpfen mit Einsamkeit und Verlustängsten, Sehnsüchten und Zukunftssorgen, manchmal aber auch einfach nur mit der deutschen Mülltrennung. Da ist die junge Olja (Valeriia Berezovska), die beim Spieleabend mit ihrer neuen WG endlich auf andere Gedanken kommen kann. Da sind die Schwestern Jaroslava (Maria Shtofa) und Nika (Oleksandra Barstok), die sich unterschiedlich gut in der Fremde einleben. Da sind die kleine Vika (Anna Cheban) und ihre Oma, die über die Hürden der deutschen Bürokratie zu springen versuchen. Oder Nestor (Rostyslav Bome), der schon vor Kriegsausbruch in Berlin lebte, sich nun wie ein Feigling fühlt und darüber grübelt, ob er in seine Heimat zurückgehen und kämpfen sollte.
Worum geht’s wirklich?
„Himmel & Erde – Небо та Земля“ ist keine subtile Serie. Dafür ist die Zeit von gerade einmal 20 Minuten pro Geschichte auch zu knapp. In den kleinen Ausschnitten zeichnen sich die Themen, die die Protagonist*innen umtreiben, klar und deutlich an der Oberfläche ab. Was aber nicht bedeutet, dass die Serie oberflächlich ist. Die Perspektive liegt ganz auf den Gefühlswelten der Ukrainer*innen zwischen Krieg zu Hause, Alltag in der Fremde, Ohnmacht und Hoffnung. Aber es geht auch um den Blick der Deutschen, die ihnen begegnen: die Frau vom Sozialamt, die das Gesetz nicht brechen kann, aber trotzdem aus ihrem bürokratischen Korsett ausbricht. Der pazifistische Mitbewohner, der Waffenlieferungen skeptisch sieht und Putin „ein bisschen“ entgegenkommen will. Das Thema Solidarität – wo sie beginnt, wie aufrichtig sie ist und wo sie endet – ist das Fundament, auf dem die gesamte Produktion aufbaut.
Wie wird’s erzählt?
Der Sender ZDFneo hat den kreativen Raum gänzlich den Stimmen und Perspektiven der Betroffenen überlassen. Alle Beteiligten – von Drehbuch über Regie und Kamera bis zu Licht und Ton, Maske und Kostüm, Schnitt und Musik – sind ukrainische Filmschaffende, die selbst nach Deutschland geflohen sind oder schon länger im Land leben. Beachtlich ist außerdem, wie wenig die einzelnen Episoden in ihrer Tonalität schwanken. Vor allem wenn man bedenkt, in welch kurzer Zeit die Serie entwickelt wurde. Die Dreharbeiten starteten im Juli, zwischen erster Idee und Veröffentlichung lagen nur wenige Monate.
Die besten Momente …
… sind die, in denen „Himmel & Erde – Небо та Земля“ sich auf die Kraft von kleinen Gesten verlässt und seine Bilder sprechen lässt. Wenn der zögerliche Nestor in einem Laden für Militärausrüstung zuerst die einzige kugelsichere Weste anprobiert, sie dann aber doch einer Frau überlässt, die sie für ihren Sohn in der Ukraine braucht, spürt man seine Zerrissenheit, ganz ohne viele Worte.
Schade …
… dass die Serie an anderen Stellen leider zu viele Worte verliert. Zum Beispiel wenn Nestor seine finale Entscheidung in einen langen und abstrakten Monolog über Demokratie und Freiheit verpackt. Ein kleines bisschen weniger Erklären und mehr Vertrauen in die Welten zwischen den Zeilen hätte die emotionale Wucht von „Himmel & Erde – Небо та Земля“ noch verstärkt.
Lohnt sich das?
Wen das aktuelle Nachrichtengeschehen abgestumpft hat, der sollte unbedingt „Himmel & Erde – Небо та Земля“ schauen. Mit viel Empathie erzählt die Serie ganz dicht an der Realität von geflüchteten Ukrainer*innen. Das kann in den Nebencharakteren manchmal etwas schablonen- und klischeehaft werden, ändert aber nichts an der unmittelbaren Wirkung dieser Serie und ihrer Botschaft: dass der Ausnahmezustand des Krieges niemals als normal akzeptiert werden sollte. Und dass es an uns allen liegt, das zu verhindern.
„Himmel & Erde – Небо та Земля“ ist ab dem 6. Oktober in der ZDF-Mediathek zu sehen. Alle Folgen laufen auch am 25. Oktober ab 20.15 Uhr bei ZDFneo.
Titelbild: ZDF/Nataliia Khalan