Thema – Europa

Suchen Newsletter ABO Mediathek

„Es liegt an uns allen, Europa zu gestalten“

Wie ist es, Präsidentin des EU-Parlaments zu sein? Roberta Metsola weiß das ganz genau

EU-Parlamentspräsidentin

Seit Januar 2022 leite ich das Europäische Parlament. Es ist die größte Ehre meines Lebens. In diesem Haus vertreten wir unterschiedliche politische Ansichten, sprechen unterschiedliche Sprachen – aber wir kommen aus 27 Ländern zusammen, um gemeinsam Kompromisse und Lösungen zu finden. Genau darum geht es bei der EU. Meine Rolle ist es dabei, zu zeigen, dass Demokratie keine Schwäche ist. Dass die EU stark ist, wenn viele Menschen sich einbringen. Und dass unsere Rechte und Freiheiten geschätzt und geschützt werden müssen.

Konkret bin ich dafür zuständig, das Europäische Parlament zu überblicken und auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Das reicht vom Verhalten einzelner Abgeordneter bis hin zum Zutritt zu den Parlamentsgebäuden. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit sind die Plenarsitzungen, während derer die Abgeordneten debattieren und über neue Gesetze abstimmen. Ich achte darauf, dass die Parlamentarier:innen ihre Redezeit einhalten und ihnen niemand ins Wort fällt. Bei den Abstimmungen überblicke ich, ob eine Mehrheit der Abgeordneten die Hand für ein Gesetz hebt, dagegenstimmt oder sich enthält. Ähnlich läuft es bei namentlichen Abstimmungen, wenn die Abgeordneten per Knopfdruck abstimmen. Das passiert meist innerhalb von wenigen Sekunden. Danach verkünde ich, ob das Gesetz oder Änderungsanträge angenommen wurden.

 „2023 nahm ich in Moldau an massiven Kundgebungen für den EU-Beitritt des Landes teil. Das waren Momente, in denen ich stolz auf Europa war“

Die Gesetze, die wir verabschieden, beeinflussen das Leben der Bürger:innen in vielerlei Hinsicht. Wir haben zum Beispiel Corona-Impfstoffe für alle EU-Bürger:innen beschafft. Wir unterstützen entschlossen die Ukraine. Unsere neuen Klimagesetze werden für sauberere Luft und gesündere Flüsse und Meere sorgen. Denn mit dem auf den Weg gebrachten Green Deal will die EU bis 2050 klimaneutral sein. Und das EU-Parlament hat sich als erstes weltweit für Regeln für künstliche Intelligenz eingesetzt.

Unter meiner Präsidentschaft hat das Parlament auch immer wieder gefordert, dass sich alle Mitgliedstaaten wirklich an demokratische Prinzipien und Medienfreiheit halten. Diese Forderungen trage ich im Namen des Parlaments auch nach außen. Etwa wenn ich mich mit den anderen EU-Spitzen treffe, der Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel. Oder wenn sich bei EU-Gipfeln Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Amtskolleg:innen der anderen Mitgliedstaaten treffen. Dann präsentiere ich ihnen die Forderungen des Europäischen Parlaments. Zum Beispiel hatte sich das Europäische Parlament als erstes dafür ausgesprochen, dass die EU Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau beginnt.

Auch im Ausland vertrete ich das Haus. Während meiner Amtszeit bin ich zum Beispiel in die Ukraine nach Kiew (Kyiv) und Lemberg (Lwiw) gereist. Im Mai 2023 nahm ich in Moldau an massiven Kundgebungen für einen EU-Beitritt des südosteuropäischen Landes teil. Das waren Momente, in denen ich stolz auf Europa war. Für mich hat Europa immer Zukunft, Chancen und Hoffnung bedeutet.

„Wir haben eine Verantwortung denjenigen gegenüber, die auf die Europäische Union als Hoffnungsschimmer blicken“

 Jedes Mal wenn ich junge Menschen eine EU-Flagge als Symbol der Freiheit schwenken sehe, so wie auch derzeit in Georgien, weiß ich, dass Europa ein Projekt für das Gute ist. Wir haben eine Verantwortung denjenigen gegenüber, die auf die Europäische Union als Hoffnungsschimmer blicken.

Bald sind Europawahlen. Das ist der Moment, in dem die Bürger:innen entscheiden, wer sie vertreten soll. Es ist auch der Moment, in dem die Europaabgeordneten daran erinnert werden, wer ihnen ihr Mandat erteilt hat. Aber auch über die Wahlen hinaus finde ich es wichtig, dass Bürger:innen ihre Stimme erheben. Es liegt an uns allen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und Europa zu gestalten. Europa kann mehr, wenn wir das gemeinsam machen.

Roberta Metsola ist 45 Jahre alt und kommt aus Malta. Seit April 2013 ist sie Mitglied des Europäischen Parlaments, seit 18. Januar 2022 EU-Parlamentspräsidentin.

Illustration: Renke Brandt

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.