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Oh, wie voll ist Panama

Schuhe, Obst, Öl, Autoteile: An Containerschiffen hängt die Weltwirtschaft, aber sie sind eine Belastung fürs Klima. Kann eine solche Branche nachhaltig arbeiten? Wir fragen am Panamakanal und in Hamburg

Containerschiff

Die Sonne knallt. Einige der Besucherinnen und Besucher haben sich auf die überdachten Tribünenstufen gelegt, sie warten. Dann nähert sich endlich ein Containerschiff, Gedränge am Geländer, gezückte Handys. Geführt von kleinen Loks, die an Land nebenherfahren, schleicht der Frachter vorbei.

Dieser Text ist im fluter Nr. 92 „Verkehr“ erschienen

„Bevor ein Schiff durch den Kanal fahren darf, muss es bezahlt und einen ,Panama-Piloten‘ an Bord haben, der die Durchfahrt leitet“, erklärt Dazell Marshall. Seit mehr als 20 Jahren führt er Gruppen an den Miraflores-Schleusen, einer von drei Schleusenanlagen hier am Panamakanal. Der verbindet den Atlantik mit dem Pazifik und ist neben dem Suezkanal eine der wichtigsten Abkürzungen für den weltweiten Schiffsverkehr.

Über das Wetter sagt Marshall nichts. Dabei war der Panamakanal deshalb vergangenes Jahr in den Schlagzeilen. Wegen der anhaltenden Trockenheit fehlte dem Kanal Wasser – in einem der regenreichsten Länder der Welt. Die Kanalbehörde musste die Anzahl der Durchfahrten fast halbieren: Im Januar durften statt 40 nur noch 22 Schiffe am Tag den Kanal passieren.

In der Seeschifffahrt diskutieren sie seit Jahren verstärkt über die Herausforderungen des Klimawandels. Und darüber, wie sie ihren Anteil von fast drei Prozent der globalen CO₂-Emissionen reduzieren können. Vergangenes Jahr hat sich die Internationale Seeschifffahrts-Organisation der Vereinten Nationen (IMO) ein Ziel gesetzt: Bis 2050 soll der Seeverkehr klimaneutral sein.

„Wir befinden uns in einer Phase, in der wir viel ausprobieren müssen“, sagt Nils Haupt. Er ist Pressesprecher von Hapag-Lloyd, der fünftgrößten Containerreederei der Welt. In der Zentrale an der Hamburger Binnenalster prangt im Eingangsbereich das Motto „Mein Feld ist die Welt“.

Diese Welt ist abhängig von der Containerschifffahrt. Sie transportiert Rohöl, Getreide, Abfälle, Smartphones, Sneaker und Autos; insgesamt rund 90 Prozent aller globalen Güter.

Wasserstoff könnte ein Baustein der Lösung sein. Nur brauchen das längst nicht nur Containerschiffe

Hapag-Lloyd hat sich vor drei Jahren selbst verpflichtet, ihre Schiffe schon bis 2045 emissionsfrei über die Meere zu schicken. „Wir setzen auf verschiedene Treibstoffe“, sagt Haupt. Containerschiffe fahren derzeit überwiegend mit Schweröl oder Marinediesel, einige mit LNG. Das flüssige Erdgas ist emissionsärmer, aber alle drei sind fossile Kraftstoffe, bei deren Einsatz viel CO₂ ausgestoßen wird. Die Lösung könnte grünes Methanol sein, ein künstlich hergestelltes Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Allerdings brauchen nicht nur die Reedereien Wasserstoff. Ganze Volkswirtschaften, darunter Deutschland, wollen mittelfristig Wasserstoffwirtschaften werden. Und es gibt noch einen Haken: Um klimaneutral zu sein, muss das Methanol mithilfe erneuerbarer Energien hergestellt werden. Auch von denen gibt es bisher nicht genug.

„Es ist ein Henne-Ei-Problem“, sagt Burkhard Lemper, Professor an der Hochschule Bremen und Geschäftsführer des Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik. Die Reedereien würden in neue Schiffe investieren, wenn ausreichend grünes Methanol da ist. Das wiederum wird nur dann in großen Mengen produziert, wenn es sicher genügend Abnehmer gibt. „Die Seeschifffahrt wird ihre Klimaziele unter anderem deshalb voraussichtlich nicht erreichen“, sagt Lemper.

Die Reedereien wollen vor allem Sicherheit: Sie können ein Containerschiff 20 bis 25 Jahre einsetzen. Zuletzt hat Hapag-Lloyd 22 Schweröl- und LNG-Schiffe bestellt, fünf Schiffe lassen sie auf Methanolantrieb umrüsten. „Wir können nicht alle drei Jahre einen neuen Motor einbauen, nur weil es einen neuen Treibstoff gibt“, sagt Nils Haupt. Was sie können und auch machen: die Schiffe so umbauen, dass sie langsamer fahren und so weniger Treibstoff benötigen.

„Wenn man den Energieverbrauch pro Frachttonne heranzieht, ist die Schifffahrt heute schon das nachhaltigste Verkehrsmittel“, sagt Burkhard Lemper. Zwar stoßen Schwerölschiffe besonders viele Luftschadstoffe wie Schwefel- und Stickoxide aus. Sie verursachen aber im Vergleich zu einem Lkw relativ wenig CO₂. „Außerdem werden Containerschiffe immer größer“, sagt Lemper. „Das reduziert den Kraftstoffverbrauch pro Container und Seemeile weiter.“

Die aktuell größten Frachtschiffe fassen rund 24.500 Container. Lädt man die alle auf die Schiene, ergäbe das einen 147 Kilometer langen Güterzug

Am Panamakanal haben sie auf diese Entwicklung reagiert, der Kanal wurde ausgebaut: Seit 2016 können auch Frachter mit rund 17.000 Containern passieren. Gerade wird die nächste Erweiterung diskutiert, nachdem der Oberste Gerichtshof Panamas ein Gesetz von 2006 gekippt hat, das den Bau zusätzlicher Wasserreservoirs verbot.

Für den Panamakanal ist Wasser so wichtig, weil er im Gegensatz zum Suezkanal nicht auf Höhe des Meeresspiegels verläuft. Dazell Marshall vergleicht den Kanal mit einem Oberkörper. „Die eine Schulter ist der Atlantik, die andere der Pazifik. Und der Kopf ist die Hügelkette, die zwischen beiden Meeren liegt.“ Schleusen heben die Containerschiffe auf der Atlantikseite auf eine Höhe von 26 Metern über dem Meeresspiegel. Von dort aus durchqueren sie den aufgestauten Gatúnsee, um auf der pazifischen Seite durch zwei Schleusenanlagen zurück auf Meeres Pedro-Miguel-Schleuse höhe zu gelangen. Für jedes Schiff fließen fast 200 Millionen Liter Wasser aus dem Kanal ins Meer. Wasser, das nicht nur der Kanal braucht: „55 Prozent der Bevölkerung Panamas nutzen das Wasser des Gatúnsees als Trinkwasser“, sagt Marshall.

Manche Experten sehen nicht die Trockenheit als größtes Problem für den Kanal, sondern klimawandelbedingte Stürme, die den Kanal fluten könnten. 2010 musste der den Betrieb für Stunden komplett einstellen, es hatte 72 Stunden am Stück geregnet. „Gigantische Wassermassen“, sagt Marshall. „Wir konnten sie nicht kontrollieren.“

Etwa sechs Prozent des Welthandels werden über den Panamakanal abgewickelt, zwölf Prozent über den Suezkanal. Wenn die Wasserstraßen nicht befahrbar sind, müssen die Schiffe auf andere Routen ausweichen. Wie im Suezkanal: Wegen Angriffen der Huthi-Rebellen lassen die Reedereien ihre Containerschiffe seit einem Jahr einmal um Afrika herumfahren. Heißt: längere Routen, mehr Organisationsaufwand, mehr Treibstoff, mehr Emissionen. Nachhaltig ist das nicht. Profitabel schon: „Die Reedereien können Preise durchsetzen, von denen sie Ende 2023 noch nicht mal geträumt haben“, sagt Burkhard Lemper.

An den Miraflores-Schleusen sind inzwischen deutlich weniger Besucherinnen und Besucher. Dazell Marshall rückt seinen Hut zurecht, deutet in den Himmel. Die Sonne ist verschwunden, Marshall lächelt. „Bald wird es regnen.“

Titelbild: Jakob Wagner

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.