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Kifft da jemand?

2024 wurde Cannabis teilweise legalisiert.
Aber was heißt das genau, was hat es gebracht – und ist es damit vielleicht bald schon wieder vorbei? Ein FAQ

Cannabisblatt - kostümierte Person mit Bong sitzt auf einem Baumstumpf

Worum geht’s überhaupt?

Cannabis gehört zu den Hanfgewächsen und wird seit Jahrtausenden angebaut, um Seile, Textilien, Papier und Nahrungsmittel herzustellen. Neben dem praktischen Nutzen enthalten vor allem die Blüten der weiblichen Pflanze auch psychoaktive Wirkstoffe, insbesondere Tetrahydrocannabinol (THC). Die meiste Zeit seiner Geschichte wurde Cannabis zu medizinischen und spirituellen Zwecken genutzt. Erst im Anschluss an die zweite internationale Opiumkonferenz im Jahr 1925 in Genf setzten einige Länder ein Verbot des Rauschmittels um. Dazu zählten neben den USA und Deutschland unter anderem auch China, Frankreich und Großbritannien. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Gesetze auf Druck der heutigen US-Drogenbehörde (DEA) unter der Leitung Harry Anslingers zunehmend restriktiver. Anslinger befürchtete durch das Ende der Alkoholprohibition den Bedeutungsverlust seiner Behörde und wandte sich daher mit teils erfundenen Studien, einer groß angelegten Medienkampagne und offen rassistischen Ressentiments gegen Cannabis, das in der Folge fast weltweit verboten wurde. Doch seit einigen Jahren findet ein Umdenken statt, und immer mehr Staaten lockern ihre Drogengesetze – fast immer in Bezug auf Cannabis. So auch Deutschland.

Seit wann ist Cannabis in Deutschland legal? 

Kein Aprilscherz: Das Cannabisgesetz (CanG) trat in mehreren Stufen vom 1. April 2024 an in Kraft. Damit wurde Cannabis aus der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gestrichen. Seitdem darf Cannabis in Deutschland von Erwachsenen legal konsumiert werden. Seit Juli 2024 kann man es auch straffrei anbauen.

Warum wurde Cannabis erlaubt?

Das neue Gesetz soll Gesundheitsrisiken vorbeugen, Kosten sparen und die Jugend schützen. Das Gesundheitsministerium warnt zwar, dass bei länger andauerndem Konsum psychische Störungen wie Depressionen oder Psychosen auftreten können. THC kann außerdem die Gehirnentwicklung von jungen Menschen stören – und abhängig machen. Die amtierende Bundesregierung unter dem SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist aber gleichzeitig überzeugt, dass das bisherige Verbot die Menschen hierzulande nicht vom Kiffen abgehalten hat. In Deutschland haben knapp 40 Prozent aller Erwachsenen bis 59 Jahre schon mindestens ein Mal im Leben Cannabis konsumiert. Im Jahr 2021 kifften rund zehn Prozent aller Erwachsenen zwischen 18 und 59 Jahren mindestens ein Mal, das sind etwa 4,5 Millionen Menschen. Diese mussten ihr Gras bisher auf dem Schwarzmarkt kaufen, für den es keine Qualitätskontrollen gibt. Der Wirkstoffgehalt schwankt stark, und immer öfter werden Blüten mit giftigen Zusatzstoffen versetzt. Außerdem kostete die Strafverfolgung eine Menge Geld. Von den gut 225.000 Strafverfahren, die 2019 wegen Cannabis eröffnet wurden, richteten sich mehr als 186.000 Verfahren gegen einfache Konsumenten. Die damit befassten Polizisten und Richterinnen sollen sich fortan um Wichtigeres kümmern können. Außerdem konnten auf dem Schwarzmarkt auch Kinder und Jugendliche Gras kaufen. Mit dem neuen Gesetz sollen die illegalen Märkte ausgetrocknet werden 

Wie viel Cannabis darf ich besitzen?

Wer mindestens 18 Jahre alt ist, darf außerhalb seiner Wohnung bis zu 25 Gramm Cannabis dabeihaben. Zu Hause sind 50 Gramm und drei Pflanzen pro Person erlaubt. Kinder und Jugendliche dürfen Cannabis weder besitzen noch konsumieren. 

Wo darf ich kiffen und wo nicht?

Grundsätzlich darf im Freien Gras geraucht werden. Außer in sogenannten „Schutzzonen“. Diese Zonen sind 200 Meter rings um Anbauvereinigungen und „in Sichtweite“, also in 100 Meter Entfernung und weniger, zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Spielplätzen sowie öffentlichen Sportstätten und in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr. Zudem ist der Konsum in unmittelbarer Nähe von Minderjährigen verboten. Was auf dem Land kein Problem ist, wird in Großstädten schnell zur Herausforderung. Denn öffentliche Einrichtungen dieser Art liegen im urbanen Raum meist so dicht beieinander, dass dazwischen kaum Platz zum Kiffen bleibt. Wo genau das Rauchen erlaubt ist, zeigt die Bubatzkarte.

Wo kann ich Cannabis kaufen?

Der Schwarzmarkt im Park um die Ecke oder im Internet ist nach wie vor verboten. Auch darf man lediglich Samen zum Anbau aus EU-Mitgliedstaaten bestellen. Wer sein Gras nicht selber anbaut, ist auf Cannabis-Clubs angewiesen. Das sind Anbauvereinigungen, in denen die Mitglieder ab 18 Jahren monatlich einen bestimmten Anteil der gemeinsamen Ernte erhalten. Bis 21 Jahre gibt es dort Blüten mit höchstens zehn Prozent THC-Gehalt, Ältere kriegen auch stärkeres Gras. Aber weil das Beantragen und Unterhalten eines solchen nicht gewinnorientierten Clubs mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand einhergeht, gibt es bisher kaum welche. Dazu kommt, dass jeder Club auf 500 Mitglieder beschränkt ist. Diese Versorgungslücke bedient nun weiterhin der Schwarzmarkt sowie neuerdings auch eine Reihe von Ärzten und Apotheken, für die sich mit der Legalisierung eine lukrative Einnahmequelle aufgetan hat. Über halbseidene Online-Anamnesebögen werden Interessierte im Schnellverfahren zu Schmerzpatienten und kriegen – meist auf Privatrezept – ihr medizinisches Gras nach Hause geliefert. Das ist zwar nicht im Sinne des Gesetzgebers, doch immerhin löst sich damit das Qualitätsproblem. Denn das Gras aus der Apotheke wird streng kontrolliert, ist frei von giftigen Zusätzen und zudem günstiger als auf dem Schwarzmarkt. Das Verkaufen oder Verschenken von Gras ist übrigens auch verboten.

Darf ich stoned Auto fahren? 

Nein. Grundsätzlich müssen alle, die am Straßenverkehr teilnehmen, fahrtüchtig sein. Das hat sich auch mit dem Cannabisgesetz nicht geändert. Allerdings ist der Grenzwert gestiegen. Wer am Steuer kontrolliert wird und Blut abgeben muss, darf nicht mehr als 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter im Blutserum haben. Bisher galt meist ein Nanogramm pro Milliliter. Wer darüber liegt, muss 500 Euro Strafe zahlen und womöglich den Führerschein für einen Monat abgeben. Für Fahranfänger in der Probezeit und unter 21-Jährige gilt ein absolutes Cannabisverbot am Steuer, der Grenzwert liegt bei null. Wie schnell sich der Wirkstoff im Körper abbaut, ist individuell und reicht von einer Wartezeit von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen, je nach Stoffwechsel, Körperbau und Konsumverhalten.

Was ist mit anderen Drogen, sind die jetzt auch erlaubt? 

Nein. An der Gesetzeslage zu anderen Drogen hat sich nichts geändert. Was vorher verboten war, ist es auch weiterhin.

Was ist mit Leuten, die vor der Legalisierung wegen Cannabis verurteilt wurden? 

Wenn die Tat mit Cannabis zu tun hatte und heute legal wäre, können die Betroffenen ab Januar 2025 einen Antrag auf Löschung im Bundeszentralregister (BZR) stellen. Dann zählt die Tat rückwirkend nicht mehr als Straftat, und offene Geld- oder Haftstrafen können erlassen werden. Da jeder Antrag einzeln geprüft werden muss, kommt auf die Gerichte eine Menge Arbeit zu. 

Hat das Cannabisgesetz seine gewünschte Wirkung erzielt?

Um das zu beurteilen, ist es noch zu früh. Da es kaum aktive Anbauvereinigungen gibt, mangelt es am legalen Angebot. Nur wer gleich im April Hanfsamen vergraben hat, konnte mit etwas Übung im Spätsommer ernten. Zwar nutzen immer mehr Menschen den Online-Rezepte-Markt, aber der Großteil läuft nach wie vor über den Schwarzmarkt. Das führt zu den bekannten Qualitätsproblemen und Arbeit bei der Polizei, die jetzt doch wieder mit Kleinkriminellen zu tun hat. Und auch die Justiz wird durch die vielen erwarteten Anträge auf Straferlass mittelfristig eher über- als entlastet. Einzig für den Alltag der Kifferin und des Kiffers hat sich einiges gebessert: straffreier Konsum in der Öffentlichkeit und eine kulantere Regelung im Straßenverkehr. Auch die Preise dürften eher fallen, wenn man die Entwicklung in den USA betrachtet, wo in manchen Bundesstaaten bereits vor zehn Jahren gelockert wurde. 

Wie geht es jetzt weiter?

Die aktuelle Bundesregierung hat versprochen, den weiteren Verlauf genau zu untersuchen und das Gesetz den neuen Erkenntnissen anzupassen. Eine größere Rolle könnte aber der Ausgang der Bundestagswahl am 23. Februar spielen, denn einige Parteien sind weiterhin gegen die Legalisierung. Fraglich ist zudem auch, wie es mit dem zweiten Teil des Cannabisgesetzes aussieht, der bisher noch nicht umgesetzt ist. Dabei geht es um den Verkauf von Cannabis in lizenzierten Geschäften oder Apotheken. Bislang gibt es jedoch keine Einigung zwischen den beteiligten Ressorts der Regierung zu diesen legalen Shops. Dass es vor den Neuwahlen zu einer Einigung kommt, gilt als ausgeschlossen. Und je nach Ausgang der Wahl ist es auch in den kommenden Jahren recht unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. 

Titelbild: Heinrich Holtgreve/OSTKREUZ - Laura Schaeffer und Julius Pristauz / Connected Archives

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