Als Küchenhilfe im EU-Parlament koche ich für alle – vom Praktikanten bis zur Abgeordneten und das seit vier Jahren. Während der langen Sitzungstage in Straßburg ist die Kantine sehr voll. Tausende Angestellte, Journalist:innen und Lobbyist:innen essen hier, genauso wie einige Abgeordnete, die mit ihren Mitarbeitenden essen gehen. Für die Abgeordneten gibt es auch ein separates Restaurant. Dort wird der Teller an den Tisch gebracht wie in einem traditionellen Restaurant. Viele der Abgeordneten lassen sich ihr Essen auch in einen der Konferenzräume oder ins Büro liefern.
Das Besondere in Straßburg ist, dass die Kantine und das gesamte Europäische Parlament nur an vier Tagen im Monat für die Plenarwoche geöffnet sind. Alles andere, die Ausschüsse und Fraktionen, tagen in Brüssel. Während dieser vier Tage arbeite ich als Leiharbeiterin einer Zeitarbeitsfirma, wie fast alle bei mir im Team.
„Im Restaurant, in dem die Abgeordneten essen, ist die Arbeitsatmosphäre angenehmer: Dort arbeitet auch eine Köchin, während in der Kantinenküche alle Köche Männer sind“
Mein Dienst beginnt um 6.30 Uhr. Am Morgen kommen für jedes Gericht, das wir am Mittag servieren werden, Listen mit sämtlichen Aufgaben und Mengenangaben. Die Rezepte hat der Küchenchef zusammen mit einer Ernährungsberaterin ausgearbeitet. Ich bereite als Erstes meinen Arbeitsplatz vor, indem ich die benötigten Gewürze hole. Dann suche ich im Kühlraum die benötigten Waren. Das Gemüse bestellt der Küchenchef in der Gemüseabteilung, wo große Industriemaschinen es in die gewünschte Größe schneiden. Dann bereite ich das Gericht, für das ich eingeteilt bin, zu – also koche zum Beispiel Gemüsecurry in großen Pfannen oder bereite Steaks mit Gemüsebeilage und Kartoffeln zu.
Im Restaurant, in dem die Abgeordneten essen, habe ich auch schon gearbeitet. Dort ist die Arbeitsatmosphäre viel angenehmer: Es arbeitet dort auch eine Köchin, während in der Kantinenküche alle Köche Männer sind. Außerdem ist es in der Küche des Abgeordnetenrestaurants interessanter, weil man ein richtiges Gericht zubereitet. Man hat das Gefühl, in einem klassischen Restaurant zu arbeiten. Ich bin ausgebildete Köchin und habe über ein Jahr lang in einem traditionellen Restaurant gearbeitet. In der Kantinenküche verbringe ich auch mal zwei Stunden damit, Steaks auf Brote zu legen oder Pommes zu frittieren.
„Die Gäste haben die Auswahl aus acht Gerichten, die meist an der französischen Küche orientiert sind. Ein koscheres oder halal Essen ist nicht dabei“
Bevor in der Kantine zur Mittagszeit die Essensausgabe beginnt, zeigt uns der Küchenchef oder sein Sous-Chef (Stellvertreter) einen idealtypischen Teller. Also zum Beispiel beim Fischgericht, mit wie viel Soße und mit welchen Beilagen in welcher Menge der Fisch angerichtet wird. Die Gäste haben die Auswahl aus acht verschiedenen Gerichten, die meist an der französischen Küche orientiert sind. Es gibt immer ein vegetarisches Gericht, dann Fleischgerichte wie Entrecôte oder Frikadellen, ein Nudelgericht. Ein koscheres oder halal Essen ist nicht dabei. Bier und Wein dagegen gibt es. Für ein warmes Gericht zahlt man zwischen sechs und 16 Euro.
Unser Küchenteam besteht überwiegend aus schwarzen und arabischsprachigen Menschen. Die Küchenmanager sind alle weiße Franzosen, die nach dem Dienst nur unter sich essen. Viele machen sich nicht die Mühe, uns mit Namen anzusprechen. Hier will ich nicht mehr unbedingt weiterarbeiten.
Wenn das Parlament geschlossen ist, arbeite ich unter anderem in der Mensa der Straßburger Universität. Dort bin ich sehr gerne, weil auch Studierende mit kleinen Verträgen Teil des Teams sind. Sie kommen aus der ganzen Welt, und ich habe das Gefühl, dass sich alle gegenseitig bereichern.
Illustration: Renke Brandt